Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.
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pwe_029.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#k"><pb facs="#f0035" n="29"/><lb n="pwe_029.001"/> Stammler</hi> ihr <hi rendition="#i">Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte</hi> (4 Bände) herausgegeben. <lb n="pwe_029.002"/> Dieses noch heute unentbehrliche Werk brachte auf Grund der <lb n="pwe_029.003"/> neuen Gesichtspunkte der allgemeinen Literaturwissenschaft eine nach <lb n="pwe_029.004"/> Schlagworten alphabetisch geordnete Darstellung der Gattungen, Formen, <lb n="pwe_029.005"/> Sachkomplexe und Probleme wenigstens des deutschen Literaturbereichs <lb n="pwe_029.006"/> und seiner Wissenschaft. Die Beschränkung auf verhältnismäßig wenige, <lb n="pwe_029.007"/> aber umfassende Stichworte und dafür deren systematische und wissenschaftlich <lb n="pwe_029.008"/> selbständige Bearbeitung samt reichhaltiger Bibliographie führte <lb n="pwe_029.009"/> zu einer in hohem Grad gleichmäßigen, geschlossenen und repräsentativen <lb n="pwe_029.010"/> Zusammenfassung des damaligen Standes der deutschen Literaturwissenschaft. <lb n="pwe_029.011"/> Diese Vorteile sind in einem neuern amerikanischen Werk zugunsten <lb n="pwe_029.012"/> einer unendlich reicheren Fülle und Vielfalt preisgegeben: das <hi rendition="#i">Dictionary <lb n="pwe_029.013"/> of World Literature,</hi> das <hi rendition="#k">Joseph T. Shipley</hi> 1943 mit Hilfe von <lb n="pwe_029.014"/> 260 Fachleuten (meist amerikanischen) herausgab, ist nicht in erster Linie <lb n="pwe_029.015"/> ein Nachschlagewerk zur Weltliteratur als solcher; im Vordergrund steht <lb n="pwe_029.016"/> die Literaturtheorie und Prinzipienwissenschaft mit ihren Begriffen und <lb n="pwe_029.017"/> Problemen samt deren Geschichte. Es will eine Darstellung sein der „Kritiker <lb n="pwe_029.018"/> und der Kritik, der literarischen Schulen, Bewegungen, Formen, <lb n="pwe_029.019"/> Techniken – mit Einschluß von Drama und Theater – in der östlichen <lb n="pwe_029.020"/> und westlichen Welt seit den frühesten Zeiten, von literarischen und wissenschaftlichen <lb n="pwe_029.021"/> Begriffen und Ideen, mit anderem Material ...“ Der Überreichtum <lb n="pwe_029.022"/> der Stichwörter und Gesichtspunkte, die in einem Band zusammengedrängt <lb n="pwe_029.023"/> sind, kann nur gehen auf Kosten der Vollständigkeit im einzelnen <lb n="pwe_029.024"/> und bringt manche Willkür und Ungleichmäßigkeit mit sich. Schon <lb n="pwe_029.025"/> in jeder einzelnen nationalen Literaturwissenschaft ist die Terminologie <lb n="pwe_029.026"/> ein Bestand aus geschichtlich völlig heterogenen, sich überschneidenden, <lb n="pwe_029.027"/> halb konventionellen, halb individuellen Namen oder Definitionen, niemals <lb n="pwe_029.028"/> das eindeutige Instrumentarium einer bestimmten wissenschaftlichen <lb n="pwe_029.029"/> Technik. Wo sich das Material aus sämtlichen Literaturen und Literaturwissenschaften <lb n="pwe_029.030"/> zusammenfindet, wird die Sprachverwirrung potenziert oder <lb n="pwe_029.031"/> wird die Übersicht erst recht lückenhaft (spezifische Begriffe der deutschen <lb n="pwe_029.032"/> Literaturwissenschaft kommen z. T. gar nicht vor – z. B. „Idee“, „Weltanschauung“ <lb n="pwe_029.033"/> – oder unzulänglich unter deutschem Titel – „als ob“, <lb n="pwe_029.034"/> „Stimmung“ – oder werden im übersetzten Titel bedeutungslos und kaum <lb n="pwe_029.035"/> gewürdigt – z. B. „experience“ = „Erlebnis“). Dennoch bietet das Werk <lb n="pwe_029.036"/> eine solche Fülle von leicht erreichbaren Auskünften sachlicher und bibliographischer <lb n="pwe_029.037"/> Art, daß es für die allgemeine Literaturwissenschaft und speziell <lb n="pwe_029.038"/> auch eine Weltliteratur-Wissenschaft ein überaus nützliches Handbuch <lb n="pwe_029.039"/> bleiben wird. Daß es bewußt auf praktische und allseitige Verwendbarkeit <lb n="pwe_029.040"/> angelegt ist, entzieht dieses erstaunliche Wörterbuch weithin dem <lb n="pwe_029.041"/> Vorwurf einer unsystematischen Kompilation von Materien und Gesichtspunkten.</p> <lb n="pwe_029.042"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0035]
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Stammler ihr Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte (4 Bände) herausgegeben. pwe_029.002
Dieses noch heute unentbehrliche Werk brachte auf Grund der pwe_029.003
neuen Gesichtspunkte der allgemeinen Literaturwissenschaft eine nach pwe_029.004
Schlagworten alphabetisch geordnete Darstellung der Gattungen, Formen, pwe_029.005
Sachkomplexe und Probleme wenigstens des deutschen Literaturbereichs pwe_029.006
und seiner Wissenschaft. Die Beschränkung auf verhältnismäßig wenige, pwe_029.007
aber umfassende Stichworte und dafür deren systematische und wissenschaftlich pwe_029.008
selbständige Bearbeitung samt reichhaltiger Bibliographie führte pwe_029.009
zu einer in hohem Grad gleichmäßigen, geschlossenen und repräsentativen pwe_029.010
Zusammenfassung des damaligen Standes der deutschen Literaturwissenschaft. pwe_029.011
Diese Vorteile sind in einem neuern amerikanischen Werk zugunsten pwe_029.012
einer unendlich reicheren Fülle und Vielfalt preisgegeben: das Dictionary pwe_029.013
of World Literature, das Joseph T. Shipley 1943 mit Hilfe von pwe_029.014
260 Fachleuten (meist amerikanischen) herausgab, ist nicht in erster Linie pwe_029.015
ein Nachschlagewerk zur Weltliteratur als solcher; im Vordergrund steht pwe_029.016
die Literaturtheorie und Prinzipienwissenschaft mit ihren Begriffen und pwe_029.017
Problemen samt deren Geschichte. Es will eine Darstellung sein der „Kritiker pwe_029.018
und der Kritik, der literarischen Schulen, Bewegungen, Formen, pwe_029.019
Techniken – mit Einschluß von Drama und Theater – in der östlichen pwe_029.020
und westlichen Welt seit den frühesten Zeiten, von literarischen und wissenschaftlichen pwe_029.021
Begriffen und Ideen, mit anderem Material ...“ Der Überreichtum pwe_029.022
der Stichwörter und Gesichtspunkte, die in einem Band zusammengedrängt pwe_029.023
sind, kann nur gehen auf Kosten der Vollständigkeit im einzelnen pwe_029.024
und bringt manche Willkür und Ungleichmäßigkeit mit sich. Schon pwe_029.025
in jeder einzelnen nationalen Literaturwissenschaft ist die Terminologie pwe_029.026
ein Bestand aus geschichtlich völlig heterogenen, sich überschneidenden, pwe_029.027
halb konventionellen, halb individuellen Namen oder Definitionen, niemals pwe_029.028
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Technik. Wo sich das Material aus sämtlichen Literaturen und Literaturwissenschaften pwe_029.030
zusammenfindet, wird die Sprachverwirrung potenziert oder pwe_029.031
wird die Übersicht erst recht lückenhaft (spezifische Begriffe der deutschen pwe_029.032
Literaturwissenschaft kommen z. T. gar nicht vor – z. B. „Idee“, „Weltanschauung“ pwe_029.033
– oder unzulänglich unter deutschem Titel – „als ob“, pwe_029.034
„Stimmung“ – oder werden im übersetzten Titel bedeutungslos und kaum pwe_029.035
gewürdigt – z. B. „experience“ = „Erlebnis“). Dennoch bietet das Werk pwe_029.036
eine solche Fülle von leicht erreichbaren Auskünften sachlicher und bibliographischer pwe_029.037
Art, daß es für die allgemeine Literaturwissenschaft und speziell pwe_029.038
auch eine Weltliteratur-Wissenschaft ein überaus nützliches Handbuch pwe_029.039
bleiben wird. Daß es bewußt auf praktische und allseitige Verwendbarkeit pwe_029.040
angelegt ist, entzieht dieses erstaunliche Wörterbuch weithin dem pwe_029.041
Vorwurf einer unsystematischen Kompilation von Materien und Gesichtspunkten.
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