Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_058.001 Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht pwe_058.033 1 pwe_058.039
Ludwig Reiners, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 2. Aufl., München pwe_058.040 1949. pwe_058.001 Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht pwe_058.033 1 pwe_058.039
Ludwig Reiners, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 2. Aufl., München pwe_058.040 1949. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="58"/><lb n="pwe_058.001"/> Stilforschung, deren Vertreter in dem reichen Literaturregister angeführt <lb n="pwe_058.002"/> werden. – Der ältere oder außerwissenschaftliche Wortsinn vom <lb n="pwe_058.003"/> Stil als dem Aufputz der Rede mittels traditioneller rhetorischer Figuren <lb n="pwe_058.004"/> oder vom „guten Stil“ als einem richtigen und angemessenen Sprachgebrauch <lb n="pwe_058.005"/> fällt hier außer Betracht. (Ein Beispiel dieser an sich durchaus nötigen <lb n="pwe_058.006"/> und sinnvollen „normativen“ Stilistik bietet z. B. das umfangreiche <lb n="pwe_058.007"/> Werk von <hi rendition="#k">L. Reiners</hi><note xml:id="PWE_058_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_058.039"/> Ludwig Reiners, <hi rendition="#i">Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa.</hi> 2. Aufl., München <lb n="pwe_058.040"/> 1949.</note>). Wichtig wird dagegen die „Stilistik“ der Sprachwissenschaft <lb n="pwe_058.008"/> und ihre Auswirkungen in der Literaturbetrachtung, bei <hi rendition="#k">Voss- <lb n="pwe_058.009"/> ler, Croce, Spitzer</hi> u. a., wo es vor allem um nationale oder persönliche <lb n="pwe_058.010"/> Sprachstile in- und außerhalb der Dichtung geht und wo Sprache und <lb n="pwe_058.011"/> Dichtung als im Grunde Eines gesehen sind wie schon einst bei Herder <lb n="pwe_058.012"/> (vgl. darüber oben S. 46 ff.). Vielleicht noch entscheidender für die Literaturwissenschaft <lb n="pwe_058.013"/> wurde die Stilforschung der Kunstwissenschaft, d. h. vor allem <lb n="pwe_058.014"/> <hi rendition="#k">Wölfflins,</hi> dessen paarig-antithetische Kategorien auf Typenbildung <lb n="pwe_058.015"/> ausgehen und zudem besonders auf geschichtliche Epochenstile oder auch <lb n="pwe_058.016"/> nationale Stile gemünzt sind. Gemeinsam ist den verschiedenen Richtungen, <lb n="pwe_058.017"/> daß „Stil“ als Ausdruck, expressives System eines psychischen Innern <lb n="pwe_058.018"/> erscheint und somit immer bezogen wird auf ein außerkünstlerisches <lb n="pwe_058.019"/> „Substrat“ menschlicher – kollektiver oder persönlicher – Art. Damit <lb n="pwe_058.020"/> wird aber, nach <hi rendition="#k">Kayser,</hi> das Kunstwerk als eigentlicher Gegenstand der <lb n="pwe_058.021"/> Wissenschaft verfehlt, bzw. dieses tritt immer nur als Indiz oder Beleg <lb n="pwe_058.022"/> für ein Anderes in Erscheinung und meistens nur mit einzelnen seiner <lb n="pwe_058.023"/> Merkmale. Dazu kommt bei der Übertragung kunstwissenschaftlicher <lb n="pwe_058.024"/> Grundbegriffe auf die Dichtung die Mißachtung des völlig andern Mediums <lb n="pwe_058.025"/> der Sprache, die nie etwas bloß Formales ist. Epochenstile, Generationsstile <lb n="pwe_058.026"/> und vor allem Personalstile sind nach <hi rendition="#k">Kayser</hi> überhaupt Konstruktionen <lb n="pwe_058.027"/> sehr fragwürdiger Realität. Der Stil ist nicht der Mensch. Im <lb n="pwe_058.028"/> strengen, legitimen Sinn könne nur der Werkstil Gegenstand der Literaturwissenschaft <lb n="pwe_058.029"/> sein, d. h. Stil verstanden als einheitliche, nur in sich selbst <lb n="pwe_058.030"/> und auf sich selbst bezogene Werkstruktur: „die einheitliche Perzeption, <lb n="pwe_058.031"/> unter der eine dichterische Welt steht“.</p> <lb n="pwe_058.032"/> <p> Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht <lb n="pwe_058.033"/> einzuschränken, gerade im Namen der Sonderart sprachlicher Kunst und <lb n="pwe_058.034"/> in der Absicht, den geschichtlichen Charakter der Dichtung und damit die <lb n="pwe_058.035"/> Historie als ebenfalls legitime Literaturwissenschaft wieder zur Geltung <lb n="pwe_058.036"/> zu bringen. Zunächst aber ist es sicher nützlich, den Stil in einem exklusiven <lb n="pwe_058.037"/> Sinn als <hi rendition="#g">Werkstil</hi> zu betrachten, als die sich in sich selbst erhellende, <lb n="pwe_058.038"/> auf sich selbst bezogene Einheitlichkeit des konkreten Werks in </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0064]
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Stilforschung, deren Vertreter in dem reichen Literaturregister angeführt pwe_058.002
werden. – Der ältere oder außerwissenschaftliche Wortsinn vom pwe_058.003
Stil als dem Aufputz der Rede mittels traditioneller rhetorischer Figuren pwe_058.004
oder vom „guten Stil“ als einem richtigen und angemessenen Sprachgebrauch pwe_058.005
fällt hier außer Betracht. (Ein Beispiel dieser an sich durchaus nötigen pwe_058.006
und sinnvollen „normativen“ Stilistik bietet z. B. das umfangreiche pwe_058.007
Werk von L. Reiners 1). Wichtig wird dagegen die „Stilistik“ der Sprachwissenschaft pwe_058.008
und ihre Auswirkungen in der Literaturbetrachtung, bei Voss- pwe_058.009
ler, Croce, Spitzer u. a., wo es vor allem um nationale oder persönliche pwe_058.010
Sprachstile in- und außerhalb der Dichtung geht und wo Sprache und pwe_058.011
Dichtung als im Grunde Eines gesehen sind wie schon einst bei Herder pwe_058.012
(vgl. darüber oben S. 46 ff.). Vielleicht noch entscheidender für die Literaturwissenschaft pwe_058.013
wurde die Stilforschung der Kunstwissenschaft, d. h. vor allem pwe_058.014
Wölfflins, dessen paarig-antithetische Kategorien auf Typenbildung pwe_058.015
ausgehen und zudem besonders auf geschichtliche Epochenstile oder auch pwe_058.016
nationale Stile gemünzt sind. Gemeinsam ist den verschiedenen Richtungen, pwe_058.017
daß „Stil“ als Ausdruck, expressives System eines psychischen Innern pwe_058.018
erscheint und somit immer bezogen wird auf ein außerkünstlerisches pwe_058.019
„Substrat“ menschlicher – kollektiver oder persönlicher – Art. Damit pwe_058.020
wird aber, nach Kayser, das Kunstwerk als eigentlicher Gegenstand der pwe_058.021
Wissenschaft verfehlt, bzw. dieses tritt immer nur als Indiz oder Beleg pwe_058.022
für ein Anderes in Erscheinung und meistens nur mit einzelnen seiner pwe_058.023
Merkmale. Dazu kommt bei der Übertragung kunstwissenschaftlicher pwe_058.024
Grundbegriffe auf die Dichtung die Mißachtung des völlig andern Mediums pwe_058.025
der Sprache, die nie etwas bloß Formales ist. Epochenstile, Generationsstile pwe_058.026
und vor allem Personalstile sind nach Kayser überhaupt Konstruktionen pwe_058.027
sehr fragwürdiger Realität. Der Stil ist nicht der Mensch. Im pwe_058.028
strengen, legitimen Sinn könne nur der Werkstil Gegenstand der Literaturwissenschaft pwe_058.029
sein, d. h. Stil verstanden als einheitliche, nur in sich selbst pwe_058.030
und auf sich selbst bezogene Werkstruktur: „die einheitliche Perzeption, pwe_058.031
unter der eine dichterische Welt steht“.
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Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht pwe_058.033
einzuschränken, gerade im Namen der Sonderart sprachlicher Kunst und pwe_058.034
in der Absicht, den geschichtlichen Charakter der Dichtung und damit die pwe_058.035
Historie als ebenfalls legitime Literaturwissenschaft wieder zur Geltung pwe_058.036
zu bringen. Zunächst aber ist es sicher nützlich, den Stil in einem exklusiven pwe_058.037
Sinn als Werkstil zu betrachten, als die sich in sich selbst erhellende, pwe_058.038
auf sich selbst bezogene Einheitlichkeit des konkreten Werks in
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