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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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Stilforschung, deren Vertreter in dem reichen Literaturregister angeführt pwe_058.002
werden. - Der ältere oder außerwissenschaftliche Wortsinn vom pwe_058.003
Stil als dem Aufputz der Rede mittels traditioneller rhetorischer Figuren pwe_058.004
oder vom "guten Stil" als einem richtigen und angemessenen Sprachgebrauch pwe_058.005
fällt hier außer Betracht. (Ein Beispiel dieser an sich durchaus nötigen pwe_058.006
und sinnvollen "normativen" Stilistik bietet z. B. das umfangreiche pwe_058.007
Werk von L. Reiners1). Wichtig wird dagegen die "Stilistik" der Sprachwissenschaft pwe_058.008
und ihre Auswirkungen in der Literaturbetrachtung, bei Voss- pwe_058.009
ler, Croce, Spitzer
u. a., wo es vor allem um nationale oder persönliche pwe_058.010
Sprachstile in- und außerhalb der Dichtung geht und wo Sprache und pwe_058.011
Dichtung als im Grunde Eines gesehen sind wie schon einst bei Herder pwe_058.012
(vgl. darüber oben S. 46 ff.). Vielleicht noch entscheidender für die Literaturwissenschaft pwe_058.013
wurde die Stilforschung der Kunstwissenschaft, d. h. vor allem pwe_058.014
Wölfflins, dessen paarig-antithetische Kategorien auf Typenbildung pwe_058.015
ausgehen und zudem besonders auf geschichtliche Epochenstile oder auch pwe_058.016
nationale Stile gemünzt sind. Gemeinsam ist den verschiedenen Richtungen, pwe_058.017
daß "Stil" als Ausdruck, expressives System eines psychischen Innern pwe_058.018
erscheint und somit immer bezogen wird auf ein außerkünstlerisches pwe_058.019
"Substrat" menschlicher - kollektiver oder persönlicher - Art. Damit pwe_058.020
wird aber, nach Kayser, das Kunstwerk als eigentlicher Gegenstand der pwe_058.021
Wissenschaft verfehlt, bzw. dieses tritt immer nur als Indiz oder Beleg pwe_058.022
für ein Anderes in Erscheinung und meistens nur mit einzelnen seiner pwe_058.023
Merkmale. Dazu kommt bei der Übertragung kunstwissenschaftlicher pwe_058.024
Grundbegriffe auf die Dichtung die Mißachtung des völlig andern Mediums pwe_058.025
der Sprache, die nie etwas bloß Formales ist. Epochenstile, Generationsstile pwe_058.026
und vor allem Personalstile sind nach Kayser überhaupt Konstruktionen pwe_058.027
sehr fragwürdiger Realität. Der Stil ist nicht der Mensch. Im pwe_058.028
strengen, legitimen Sinn könne nur der Werkstil Gegenstand der Literaturwissenschaft pwe_058.029
sein, d. h. Stil verstanden als einheitliche, nur in sich selbst pwe_058.030
und auf sich selbst bezogene Werkstruktur: "die einheitliche Perzeption, pwe_058.031
unter der eine dichterische Welt steht".

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Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht pwe_058.033
einzuschränken, gerade im Namen der Sonderart sprachlicher Kunst und pwe_058.034
in der Absicht, den geschichtlichen Charakter der Dichtung und damit die pwe_058.035
Historie als ebenfalls legitime Literaturwissenschaft wieder zur Geltung pwe_058.036
zu bringen. Zunächst aber ist es sicher nützlich, den Stil in einem exklusiven pwe_058.037
Sinn als Werkstil zu betrachten, als die sich in sich selbst erhellende, pwe_058.038
auf sich selbst bezogene Einheitlichkeit des konkreten Werks in

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Ludwig Reiners, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 2. Aufl., München pwe_058.040
1949.

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Stilforschung, deren Vertreter in dem reichen Literaturregister angeführt pwe_058.002
werden. – Der ältere oder außerwissenschaftliche Wortsinn vom pwe_058.003
Stil als dem Aufputz der Rede mittels traditioneller rhetorischer Figuren pwe_058.004
oder vom „guten Stil“ als einem richtigen und angemessenen Sprachgebrauch pwe_058.005
fällt hier außer Betracht. (Ein Beispiel dieser an sich durchaus nötigen pwe_058.006
und sinnvollen „normativen“ Stilistik bietet z. B. das umfangreiche pwe_058.007
Werk von L. Reiners1). Wichtig wird dagegen die „Stilistik“ der Sprachwissenschaft pwe_058.008
und ihre Auswirkungen in der Literaturbetrachtung, bei Voss- pwe_058.009
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u. a., wo es vor allem um nationale oder persönliche pwe_058.010
Sprachstile in- und außerhalb der Dichtung geht und wo Sprache und pwe_058.011
Dichtung als im Grunde Eines gesehen sind wie schon einst bei Herder pwe_058.012
(vgl. darüber oben S. 46 ff.). Vielleicht noch entscheidender für die Literaturwissenschaft pwe_058.013
wurde die Stilforschung der Kunstwissenschaft, d. h. vor allem pwe_058.014
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daß „Stil“ als Ausdruck, expressives System eines psychischen Innern pwe_058.018
erscheint und somit immer bezogen wird auf ein außerkünstlerisches pwe_058.019
„Substrat“ menschlicher – kollektiver oder persönlicher – Art. Damit pwe_058.020
wird aber, nach Kayser, das Kunstwerk als eigentlicher Gegenstand der pwe_058.021
Wissenschaft verfehlt, bzw. dieses tritt immer nur als Indiz oder Beleg pwe_058.022
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und vor allem Personalstile sind nach Kayser überhaupt Konstruktionen pwe_058.027
sehr fragwürdiger Realität. Der Stil ist nicht der Mensch. Im pwe_058.028
strengen, legitimen Sinn könne nur der Werkstil Gegenstand der Literaturwissenschaft pwe_058.029
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und auf sich selbst bezogene Werkstruktur: „die einheitliche Perzeption, pwe_058.031
unter der eine dichterische Welt steht“.

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  Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht pwe_058.033
einzuschränken, gerade im Namen der Sonderart sprachlicher Kunst und pwe_058.034
in der Absicht, den geschichtlichen Charakter der Dichtung und damit die pwe_058.035
Historie als ebenfalls legitime Literaturwissenschaft wieder zur Geltung pwe_058.036
zu bringen. Zunächst aber ist es sicher nützlich, den Stil in einem exklusiven pwe_058.037
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Ludwig Reiners, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 2. Aufl., München pwe_058.040
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[58/0064] pwe_058.001 Stilforschung, deren Vertreter in dem reichen Literaturregister angeführt pwe_058.002 werden. – Der ältere oder außerwissenschaftliche Wortsinn vom pwe_058.003 Stil als dem Aufputz der Rede mittels traditioneller rhetorischer Figuren pwe_058.004 oder vom „guten Stil“ als einem richtigen und angemessenen Sprachgebrauch pwe_058.005 fällt hier außer Betracht. (Ein Beispiel dieser an sich durchaus nötigen pwe_058.006 und sinnvollen „normativen“ Stilistik bietet z. B. das umfangreiche pwe_058.007 Werk von L. Reiners 1). Wichtig wird dagegen die „Stilistik“ der Sprachwissenschaft pwe_058.008 und ihre Auswirkungen in der Literaturbetrachtung, bei Voss- pwe_058.009 ler, Croce, Spitzer u. a., wo es vor allem um nationale oder persönliche pwe_058.010 Sprachstile in- und außerhalb der Dichtung geht und wo Sprache und pwe_058.011 Dichtung als im Grunde Eines gesehen sind wie schon einst bei Herder pwe_058.012 (vgl. darüber oben S. 46 ff.). Vielleicht noch entscheidender für die Literaturwissenschaft pwe_058.013 wurde die Stilforschung der Kunstwissenschaft, d. h. vor allem pwe_058.014 Wölfflins, dessen paarig-antithetische Kategorien auf Typenbildung pwe_058.015 ausgehen und zudem besonders auf geschichtliche Epochenstile oder auch pwe_058.016 nationale Stile gemünzt sind. Gemeinsam ist den verschiedenen Richtungen, pwe_058.017 daß „Stil“ als Ausdruck, expressives System eines psychischen Innern pwe_058.018 erscheint und somit immer bezogen wird auf ein außerkünstlerisches pwe_058.019 „Substrat“ menschlicher – kollektiver oder persönlicher – Art. Damit pwe_058.020 wird aber, nach Kayser, das Kunstwerk als eigentlicher Gegenstand der pwe_058.021 Wissenschaft verfehlt, bzw. dieses tritt immer nur als Indiz oder Beleg pwe_058.022 für ein Anderes in Erscheinung und meistens nur mit einzelnen seiner pwe_058.023 Merkmale. Dazu kommt bei der Übertragung kunstwissenschaftlicher pwe_058.024 Grundbegriffe auf die Dichtung die Mißachtung des völlig andern Mediums pwe_058.025 der Sprache, die nie etwas bloß Formales ist. Epochenstile, Generationsstile pwe_058.026 und vor allem Personalstile sind nach Kayser überhaupt Konstruktionen pwe_058.027 sehr fragwürdiger Realität. Der Stil ist nicht der Mensch. Im pwe_058.028 strengen, legitimen Sinn könne nur der Werkstil Gegenstand der Literaturwissenschaft pwe_058.029 sein, d. h. Stil verstanden als einheitliche, nur in sich selbst pwe_058.030 und auf sich selbst bezogene Werkstruktur: „die einheitliche Perzeption, pwe_058.031 unter der eine dichterische Welt steht“. pwe_058.032   Wir werden unten Gelegenheit haben, die Gültigkeit dieser Ansicht pwe_058.033 einzuschränken, gerade im Namen der Sonderart sprachlicher Kunst und pwe_058.034 in der Absicht, den geschichtlichen Charakter der Dichtung und damit die pwe_058.035 Historie als ebenfalls legitime Literaturwissenschaft wieder zur Geltung pwe_058.036 zu bringen. Zunächst aber ist es sicher nützlich, den Stil in einem exklusiven pwe_058.037 Sinn als Werkstil zu betrachten, als die sich in sich selbst erhellende, pwe_058.038 auf sich selbst bezogene Einheitlichkeit des konkreten Werks in 1 pwe_058.039 Ludwig Reiners, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa. 2. Aufl., München pwe_058.040 1949.

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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/64>, abgerufen am 21.11.2024.