Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_088.001 Dazu nur ein paar wenige Hinweise: Im Rahmen der Poetik wird das pwe_088.016 1 pwe_088.038 Ludwig Radermacher, Lachen und Weinen. Wien 1947. 2 pwe_088.039
Max Kommerell, Lessing und Aristoteles. Untersuchungen über die Theorie pwe_088.040 der Tragödie. Frankfurt a. M. (1940). pwe_088.001 Dazu nur ein paar wenige Hinweise: Im Rahmen der Poetik wird das pwe_088.016 1 pwe_088.038 Ludwig Radermacher, Lachen und Weinen. Wien 1947. 2 pwe_088.039
Max Kommerell, Lessing und Aristoteles. Untersuchungen über die Theorie pwe_088.040 der Tragödie. Frankfurt a. M. (1940). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0094" n="88"/><lb n="pwe_088.001"/> aber – indem sie sich überwältigend einstellt – doch nicht bloß hingenommen <lb n="pwe_088.002"/> und erlitten, sondern – in Lachen und Weinen – als Gebärde und <lb n="pwe_088.003"/> sinnvolle Reaktion verstanden“. (<hi rendition="#k">L. Radermachers</hi><note xml:id="PWE_088_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_088.038"/> Ludwig Radermacher, <hi rendition="#i">Lachen und Weinen.</hi> Wien 1947.</note> gleichnamige Untersuchungen <lb n="pwe_088.004"/> gelten der mannigfachen Verbindung von Ernst und Scherz in <lb n="pwe_088.005"/> der antiken Literatur und belegen die Unausschließlichkeit der aristotelischen <lb n="pwe_088.006"/> Scheidung). Auch auf dieser allgemein-menschlichen, außer- und vorliterarischen <lb n="pwe_088.007"/> Ebene bestätigt sich eine Situation und ein Verhalten, die uns <lb n="pwe_088.008"/> u. a. literarisch in Tragödie und Komödie entgegentreten; Tragödie und <lb n="pwe_088.009"/> Komödie weisen auf einen letzten Grund des menschlichen Daseins hin <lb n="pwe_088.010"/> und lassen dieses von der Grenze und von der Krise her deutlich werden. <lb n="pwe_088.011"/> Es hat darum auch sehr wohl einen Sinn, unter all den eventuellen Möglichkeiten <lb n="pwe_088.012"/> dramatischer Gestaltung die Idee des Tragischen und des Komischen <lb n="pwe_088.013"/> zu verfolgen, wie immer nun Tragödie und Komödie in einer Systematik <lb n="pwe_088.014"/> der Gattungen zu ordnen sind.</p> <lb n="pwe_088.015"/> <p> Dazu nur ein paar wenige Hinweise: Im Rahmen der Poetik wird das <lb n="pwe_088.016"/> Problem des <hi rendition="#g">Tragischen</hi> nicht so sehr in seiner weltanschaulich-materiellen <lb n="pwe_088.017"/> Bestimmung zuerst interessieren als sozusagen in seinem „formalen“ <lb n="pwe_088.018"/> Charakter, als Möglichkeit des Dramatischen. Es ist wohl das Verdienst <lb n="pwe_088.019"/> der Stilkritik, damit auch eine gewisse Befreiung von bestimmten <lb n="pwe_088.020"/> Theorien des Tragischen, des tragischen Lebensgefühls usw. gebracht zu <lb n="pwe_088.021"/> haben, die in meist normativer Weise von der Tragödie der deutschen Klassiker <lb n="pwe_088.022"/> abstrahiert waren und umgekehrt wieder zu Fehlinterpretationen der <lb n="pwe_088.023"/> antiken Tragiker führten; gerade diese hat man unbefangener sehen gelernt, <lb n="pwe_088.024"/> auch wenn hier etwa <hi rendition="#k">Ernst Howalds</hi> <hi rendition="#i">(Die griechische Tragödie, 1930)</hi> <lb n="pwe_088.025"/> rein künstlerisch-artistische Deutungen den Sinn der Tragödie nicht erschöpfen. <lb n="pwe_088.026"/> Der echte existentialistische Ansatz erlaubt, das Phänomen in seiner <lb n="pwe_088.027"/> daseinsmäßigen Wurzel zu fassen, ohne es einerseits voreilig zu verstofflichen <lb n="pwe_088.028"/> oder anderseits bloß formal zu nehmen. Auch die Interpretation der <lb n="pwe_088.029"/> klassischen Tragödientheorien selbst erfährt dadurch eine neue Vertiefung; <lb n="pwe_088.030"/> <hi rendition="#k">Max Kommerells</hi><note xml:id="PWE_088_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_088.039"/> Max Kommerell, <hi rendition="#i">Lessing und Aristoteles. Untersuchungen über die Theorie <lb n="pwe_088.040"/> der Tragödie.</hi> Frankfurt a. M. (1940).</note> überragende Studien zu der dreiseitigen Auseinandersetzung <lb n="pwe_088.031"/> Lessings mit Aristoteles und Corneille (Seneca) bzw. Corneilles mit <lb n="pwe_088.032"/> Aristoteles stellen die Theorie des Tragischen in den Zusammenhang der <lb n="pwe_088.033"/> jeweiligen Auffassung vom Wesen und der Funktion der Dichtung und <lb n="pwe_088.034"/> kommen daher auch zu einer Art Ehrenrettung von Lessings „Glauben an <lb n="pwe_088.035"/> die Gesetzlichkeit der Kunst und an das Kunstwerk als an eine Gesetzeserfüllung“, <lb n="pwe_088.036"/> gegenüber der späteren Hereinnahme des Tragödienproblems in <lb n="pwe_088.037"/> die idealistische Genie- und Erlebnislehre.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [88/0094]
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aber – indem sie sich überwältigend einstellt – doch nicht bloß hingenommen pwe_088.002
und erlitten, sondern – in Lachen und Weinen – als Gebärde und pwe_088.003
sinnvolle Reaktion verstanden“. (L. Radermachers 1 gleichnamige Untersuchungen pwe_088.004
gelten der mannigfachen Verbindung von Ernst und Scherz in pwe_088.005
der antiken Literatur und belegen die Unausschließlichkeit der aristotelischen pwe_088.006
Scheidung). Auch auf dieser allgemein-menschlichen, außer- und vorliterarischen pwe_088.007
Ebene bestätigt sich eine Situation und ein Verhalten, die uns pwe_088.008
u. a. literarisch in Tragödie und Komödie entgegentreten; Tragödie und pwe_088.009
Komödie weisen auf einen letzten Grund des menschlichen Daseins hin pwe_088.010
und lassen dieses von der Grenze und von der Krise her deutlich werden. pwe_088.011
Es hat darum auch sehr wohl einen Sinn, unter all den eventuellen Möglichkeiten pwe_088.012
dramatischer Gestaltung die Idee des Tragischen und des Komischen pwe_088.013
zu verfolgen, wie immer nun Tragödie und Komödie in einer Systematik pwe_088.014
der Gattungen zu ordnen sind.
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Dazu nur ein paar wenige Hinweise: Im Rahmen der Poetik wird das pwe_088.016
Problem des Tragischen nicht so sehr in seiner weltanschaulich-materiellen pwe_088.017
Bestimmung zuerst interessieren als sozusagen in seinem „formalen“ pwe_088.018
Charakter, als Möglichkeit des Dramatischen. Es ist wohl das Verdienst pwe_088.019
der Stilkritik, damit auch eine gewisse Befreiung von bestimmten pwe_088.020
Theorien des Tragischen, des tragischen Lebensgefühls usw. gebracht zu pwe_088.021
haben, die in meist normativer Weise von der Tragödie der deutschen Klassiker pwe_088.022
abstrahiert waren und umgekehrt wieder zu Fehlinterpretationen der pwe_088.023
antiken Tragiker führten; gerade diese hat man unbefangener sehen gelernt, pwe_088.024
auch wenn hier etwa Ernst Howalds (Die griechische Tragödie, 1930) pwe_088.025
rein künstlerisch-artistische Deutungen den Sinn der Tragödie nicht erschöpfen. pwe_088.026
Der echte existentialistische Ansatz erlaubt, das Phänomen in seiner pwe_088.027
daseinsmäßigen Wurzel zu fassen, ohne es einerseits voreilig zu verstofflichen pwe_088.028
oder anderseits bloß formal zu nehmen. Auch die Interpretation der pwe_088.029
klassischen Tragödientheorien selbst erfährt dadurch eine neue Vertiefung; pwe_088.030
Max Kommerells 2 überragende Studien zu der dreiseitigen Auseinandersetzung pwe_088.031
Lessings mit Aristoteles und Corneille (Seneca) bzw. Corneilles mit pwe_088.032
Aristoteles stellen die Theorie des Tragischen in den Zusammenhang der pwe_088.033
jeweiligen Auffassung vom Wesen und der Funktion der Dichtung und pwe_088.034
kommen daher auch zu einer Art Ehrenrettung von Lessings „Glauben an pwe_088.035
die Gesetzlichkeit der Kunst und an das Kunstwerk als an eine Gesetzeserfüllung“, pwe_088.036
gegenüber der späteren Hereinnahme des Tragödienproblems in pwe_088.037
die idealistische Genie- und Erlebnislehre.
1 pwe_088.038
Ludwig Radermacher, Lachen und Weinen. Wien 1947.
2 pwe_088.039
Max Kommerell, Lessing und Aristoteles. Untersuchungen über die Theorie pwe_088.040
der Tragödie. Frankfurt a. M. (1940).
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