Weigel, Valentin: Gnothi seavton Oder cognosce teipsum genandt. Das Newe Erkenne dich selbst. Bd. 3. Neustadt, 1618.

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Gnothi Seavton.

in dir/ vnd in der heiligen Schrifft begriffen/ vnd beschlos-
sen. Furwar der Mensch kan die Zeit seines Lebens nichts
anders studiren noch lernen/ denn nur sich selber/ das ist/ das
jenige das in jhm ist/ vnnd das darauß er genommen ist/ vnd
gemacht. Auch kan kein Warhafftiges Buch auff die
Welt kommen/ das nicht in sich schliesse noch begreiffe/ Gott
vnd den Menschen/ (wiewol Gott vnbegreifflich bleibet/)
Ja den einigen Menschen/ der ein Creatur ist aller Wesen
im Himmel vnd auff Erden/ vnd nicht weniger als Gott
sein Schöpffer. Kennestu den so kennestu auch alle din-
ge.

Ein wahrer Theologus der da wil studiren vnnd ler-
nen den Genesin/ das Buch von der Schöpffung aller din-
ge/ der lieset vnd studiret sich selber/ das ist/ dz darauß er ge-
genommen vnd gemacht ist/ vnd das in jhme ist/ dann er ist ja
das/ darauß er gemacht ist/ er ist auß der Welt gemacht/
darumb ist er wie die Welt/ vnd ist die kleine Welt/ vnnd ist
ein HErr vber die Welt/ denn alle ding sind vnter seine Fus-
se gethan/ [Abbildung] Fisch im Meer/ Vogel vnter den Him-
mel/ Psalm. 8. Er ist auß Gott gebohren/ darumb ist er ein
Kind Gottes/ darvon die Schriff zeuget: Ego dixi, Dij
estis vos & filij excelsiomnes. Dz ist ein verzweiffelter an
Gott vnd der Natur/ der diese treffliche dinge in der Schrift
nicht forschet noch gleubet/ im Anfang Schuff Gott Him-
mel vnd Erden/ vnd am sechsten Tage/ nach allen Creaturen
schuff Gott den Menschen/ auß dem Erdenkloß/ vnd bließ
jhm ein/ den lebendigen Athem in seine Nasen/ Also ward
der Mensch ein lebendige Seele/ das ist/ der Mensch ist ge-
macht/ auß dem limo terrae vnd auß dem Spiraculo vitae/
auß dem zeitlichen vnnd auß dem ewigen oder wie der ge-

meine

Gnothi Seavton.

in dir/ vnd in der heiligen Schrifft begriffen/ vnd beſchloſ-
ſen. Fůrwar der Menſch kan die Zeit ſeines Lebens nichts
anders ſtudiren noch lernen/ denn nur ſich ſelber/ das iſt/ das
jenige das in jhm iſt/ vnnd das darauß er genommen iſt/ vnd
gemacht. Auch kan kein Warhafftiges Buch auff die
Welt kom̃en/ das nicht in ſich ſchlieſſe noch begreiffe/ Gott
vnd den Menſchen/ (wiewol Gott vnbegreifflich bleibet/)
Ja den einigen Menſchen/ der ein Creatur iſt aller Weſen
im Himmel vnd auff Erden/ vnd nicht weniger als Gott
ſein Schoͤpffer. Kenneſtu den ſo kenneſtu auch alle din-
ge.

Ein wahrer Theologus der da wil ſtudiren vnnd ler-
nen den Geneſin/ das Buch von der Schoͤpffung aller din-
ge/ der lieſet vnd ſtudiret ſich ſelber/ das iſt/ dz darauß er ge-
genommen vnd gemacht iſt/ vnd das in jhme iſt/ dañ er iſt ja
das/ darauß er gemacht iſt/ er iſt auß der Welt gemacht/
darumb iſt er wie die Welt/ vnd iſt die kleine Welt/ vnnd iſt
ein HErr vber die Welt/ deñ alle ding ſind vnter ſeine Fůſ-
ſe gethan/ [Abbildung] Fiſch im Meer/ Vogel vnter den Him-
mel/ Pſalm. 8. Er iſt auß Gott gebohren/ darumb iſt er ein
Kind Gottes/ darvon die Schriff zeuget: Ego dixi, Dij
eſtis vos & filij excelſiomnes. Dz iſt ein verzweiffelter an
Gott vñ der Natur/ der dieſe treffliche dinge in der Schrift
nicht forſchet noch gleubet/ im Anfang Schuff Gott Him-
mel vnd Erden/ vnd am ſechſten Tage/ nach allen Creaturẽ
ſchuff Gott den Menſchen/ auß dem Erdenkloß/ vnd bließ
jhm ein/ den lebendigen Athem in ſeine Naſen/ Alſo ward
der Menſch ein lebendige Seele/ das iſt/ der Menſch iſt ge-
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auß dem zeitlichen vnnd auß dem ewigen oder wie der ge-

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[12/0023] Gnothi Seavton. in dir/ vnd in der heiligen Schrifft begriffen/ vnd beſchloſ- ſen. Fůrwar der Menſch kan die Zeit ſeines Lebens nichts anders ſtudiren noch lernen/ denn nur ſich ſelber/ das iſt/ das jenige das in jhm iſt/ vnnd das darauß er genommen iſt/ vnd gemacht. Auch kan kein Warhafftiges Buch auff die Welt kom̃en/ das nicht in ſich ſchlieſſe noch begreiffe/ Gott vnd den Menſchen/ (wiewol Gott vnbegreifflich bleibet/) Ja den einigen Menſchen/ der ein Creatur iſt aller Weſen im Himmel vnd auff Erden/ vnd nicht weniger als Gott ſein Schoͤpffer. Kenneſtu den ſo kenneſtu auch alle din- ge. Ein wahrer Theologus der da wil ſtudiren vnnd ler- nen den Geneſin/ das Buch von der Schoͤpffung aller din- ge/ der lieſet vnd ſtudiret ſich ſelber/ das iſt/ dz darauß er ge- genommen vnd gemacht iſt/ vnd das in jhme iſt/ dañ er iſt ja das/ darauß er gemacht iſt/ er iſt auß der Welt gemacht/ darumb iſt er wie die Welt/ vnd iſt die kleine Welt/ vnnd iſt ein HErr vber die Welt/ deñ alle ding ſind vnter ſeine Fůſ- ſe gethan/ [Abbildung] Fiſch im Meer/ Vogel vnter den Him- mel/ Pſalm. 8. Er iſt auß Gott gebohren/ darumb iſt er ein Kind Gottes/ darvon die Schriff zeuget: Ego dixi, Dij eſtis vos & filij excelſiomnes. Dz iſt ein verzweiffelter an Gott vñ der Natur/ der dieſe treffliche dinge in der Schrift nicht forſchet noch gleubet/ im Anfang Schuff Gott Him- mel vnd Erden/ vnd am ſechſten Tage/ nach allen Creaturẽ ſchuff Gott den Menſchen/ auß dem Erdenkloß/ vnd bließ jhm ein/ den lebendigen Athem in ſeine Naſen/ Alſo ward der Menſch ein lebendige Seele/ das iſt/ der Menſch iſt ge- macht/ auß dem limo terræ vñ auß dem Spiraculo vitæ/ auß dem zeitlichen vnnd auß dem ewigen oder wie der ge- meine

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Zitationshilfe:	Weigel, Valentin: Gnothi seavton Oder cognosce teipsum genandt. Das Newe Erkenne dich selbst. Bd. 3. Neustadt, 1618, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gnothi03_1618/23>, abgerufen am 23.11.2024.

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