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Weirauch, Christian: Della Ragione di Stato Das ist Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit. Leipzig u. a., 1673.

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Schärffe unsers Verstandes allzuweit abge-
legen/* die Gemüthsaugen sind nit ungleich
etlicher leiblicher Augen/ so ob sie gleich in die
Nähe gut sehen/ in die ferne doch nichts er-
kennen können: Die Ferngläser der Pru-
denz
vergrössern weiter nicht/ als inner dem
Horizont des Gegenwärtigen/ die Wissen-
schafft/ die Ordnung des künfftigen hat sich
der Allwissende Schöpffer allein vorbehal-
ten/ in dessen Majestätische Reservata Ein-
grieff zuthun/ arme sterbliche sich nicht gelü-
sten lassen. Was ists so weit sehen/ daß man
auch diß/ was vor unsern Füssen lieget/ über-
siehet/ und daran verstösset? Was ists/ dem
Künfftigen/ welches so vielen Glücks-Fällen
unterworffen/ vorbeugen/ da man genung-
sam mit dem uns unter Hände kommenden
zuthun hat/ und so ungewiß/ was der späte
Abend heran bringen kan?

Das vergangene hat vor dem künffti-
gen den Vorzug der Gewißheit/ was nur ein-
mal verdienet in die Jahr-Bücher eingetra-
gen zuwerden/ bleibet unverwelcklich und
unbeweglich: Hoc est, in quod Fortuna
Jus perdidit, quod in nullius arbitri-

um
* Bacon. in Henr. VII.

Schaͤrffe unſers Verſtandes allzuweit abge-
legen/* die Gemuͤthsaugen ſind nit ungleich
etlicher leiblicher Augen/ ſo ob ſie gleich in die
Naͤhe gut ſehen/ in die ferne doch nichts er-
kennen koͤnnen: Die Fernglaͤſer der Pru-
denz
vergroͤſſern weiter nicht/ als inner dem
Horizont des Gegenwaͤrtigen/ die Wiſſen-
ſchafft/ die Ordnung des kuͤnfftigen hat ſich
der Allwiſſende Schoͤpffer allein vorbehal-
ten/ in deſſen Majeſtaͤtiſche Reſervata Ein-
grieff zuthun/ arme ſterbliche ſich nicht geluͤ-
ſten laſſen. Was iſts ſo weit ſehen/ daß man
auch diß/ was vor unſern Fuͤſſen lieget/ uͤber-
ſiehet/ und daran verſtoͤſſet? Was iſts/ dem
Kuͤnfftigen/ welches ſo vielen Gluͤcks-Faͤllen
unterworffen/ vorbeugen/ da man genung-
ſam mit dem uns unter Haͤnde kommenden
zuthun hat/ und ſo ungewiß/ was der ſpaͤte
Abend heran bringen kan?

Das vergangene hat vor dem kuͤnffti-
gen den Vorzug der Gewißheit/ was nur ein-
mal verdienet in die Jahr-Buͤcher eingetra-
gen zuwerden/ bleibet unverwelcklich und
unbeweglich: Hoc eſt, in quod Fortuna
Jus perdidit, quod in nullius arbitri-

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* Bacon. in Henr. VII.
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[0366] Schaͤrffe unſers Verſtandes allzuweit abge- legen/ * die Gemuͤthsaugen ſind nit ungleich etlicher leiblicher Augen/ ſo ob ſie gleich in die Naͤhe gut ſehen/ in die ferne doch nichts er- kennen koͤnnen: Die Fernglaͤſer der Pru- denz vergroͤſſern weiter nicht/ als inner dem Horizont des Gegenwaͤrtigen/ die Wiſſen- ſchafft/ die Ordnung des kuͤnfftigen hat ſich der Allwiſſende Schoͤpffer allein vorbehal- ten/ in deſſen Majeſtaͤtiſche Reſervata Ein- grieff zuthun/ arme ſterbliche ſich nicht geluͤ- ſten laſſen. Was iſts ſo weit ſehen/ daß man auch diß/ was vor unſern Fuͤſſen lieget/ uͤber- ſiehet/ und daran verſtoͤſſet? Was iſts/ dem Kuͤnfftigen/ welches ſo vielen Gluͤcks-Faͤllen unterworffen/ vorbeugen/ da man genung- ſam mit dem uns unter Haͤnde kommenden zuthun hat/ und ſo ungewiß/ was der ſpaͤte Abend heran bringen kan? Das vergangene hat vor dem kuͤnffti- gen den Vorzug der Gewißheit/ was nur ein- mal verdienet in die Jahr-Buͤcher eingetra- gen zuwerden/ bleibet unverwelcklich und unbeweglich: Hoc eſt, in quod Fortuna Jus perdidit, quod in nullius arbitri- um * Bacon. in Henr. VII.

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Zitationshilfe: Weirauch, Christian: Della Ragione di Stato Das ist Von der Geheimen und Ungemeinen Regirungs-Klugheit. Leipzig u. a., 1673, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weirauch_dellaragione_1673/366>, abgerufen am 25.11.2024.