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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Vorrede
allerhand kurtzweile mit eingemischet werden/ solches wird
in den gesprächen erfordert/ und ist allzeit von den vornehm-
sten leuten/ welche in dergleichen art etwas zu schreiben vor-
genommen/ sehr wohl beobachtet worden. Ja wenn ich
mich einer hohen redens-art dabey gebrauchen wollen/ wie
es vielleicht mancher Censor erfordern möchte/ so hätte ich
die höchste ungeschickligkeit von der welt in einem lebendi-
gen exempel auffgeführet. Man muß die sachen also vor-
bringen/ wie sie naturell und ungezwungen sind sonst ver-
liehren sie alle grace, so künstlich als sie abgefasset werden.
Ein mahler wäre nicht klug wenn er die rosen mit güldenen
knöpfgen abmahlete; ob er gleich dencken möchte/ es kähme
frischer und ansehnlicher heraus: Denn die natürlichen
rosen wären dem bilde nicht ähnlich. Und wer weiß nicht
wie jämmerlich die brieff- und karten-mahler ihre sachen
illuminiren/ da sie balde die leute mit grünen bärten/ bald
mit cinnoberrohten backen/ bald mit Auripigment gelben
haaren vorstellen/ und also der natur nicht eine geringe ge-
walt anlegen. Jch frage auch/ wie würde ein schuster la-
chen, wenn so ein saalbadrischer Philologus/ der sich etwan
schämete zu sprechen: Meister Hans macht mir ein paar
schuh/ mit einer solchen rede auffgezogen käme: Herr mei-
ster unter den schuhmachern/ an denselben ist mein heffti-
ges und angelegenes bitten/ er wolle doch meiner einge-
denck seyn/ und bey hindansetzung seiner andern verrich-
tungen/ vornehmlich zwar ein maß zu meinem fuß/ s. v. neh-
men/ hernachmahls aber das leder also darnach einrichten
daß ich auff künfftigen sonntag meine neue seidenen strümpf-
fe durch keine zerrissene sohlen und bestossene absatze beschä-
men möge; auch so dann das frauenzimmer desto mehr an-
laß habe meinen zierlichen gang zu betrachten: Jch wer-
de an meinem orte eine sonderbahre Affection hier-
aus erkennen/ auch ins künfftige beflissen seyn/ nicht
allein durch schleunige bezahlung/ sondern auch durch an-
dere dienstleistungen mein danckbares gemüthe darzuthun:
Alldieweil ich wohl weiß/ daß gleich wie ein carfunckel un-
ter den edelsteinen/ und das hellblitzende gold unter den
metallen den vorzug hat; also auch die danckbarkeit unter

den

Vorrede
allerhand kurtzweile mit eingemiſchet werden/ ſolches wird
in den geſpꝛaͤchen erfordert/ und iſt allzeit von den vornehm-
ſten leuten/ welche in dergleichen art etwas zu ſchreiben vor-
genommen/ ſehr wohl beobachtet worden. Ja wenn ich
mich einer hohen redens-art dabey gebrauchen wollen/ wie
es vielleicht mancher Cenſor erfordern moͤchte/ ſo haͤtte ich
die hoͤchſte ungeſchickligkeit von der welt in einem lebendi-
gen exempel auffgefuͤhret. Man muß die ſachen alſo vor-
bringen/ wie ſie naturell und ungezwungen ſind ſonſt ver-
liehren ſie alle grace, ſo kuͤnſtlich als ſie abgefaſſet werden.
Ein mahler waͤre nicht klug wenn er die roſen mit guͤldenen
knoͤpfgen abmahlete; ob er gleich dencken moͤchte/ es kaͤhme
friſcher und anſehnlicher heraus: Denn die natuͤrlichen
roſen waͤren dem bilde nicht aͤhnlich. Und wer weiß nicht
wie jaͤmmerlich die brieff- und karten-mahler ihre ſachen
illuminiren/ da ſie balde die leute mit gruͤnen baͤrten/ bald
mit cinnoberrohten backen/ bald mit Auripigment gelben
haaren vorſtellen/ und alſo der natur nicht eine geringe ge-
walt anlegen. Jch frage auch/ wie wuͤrde ein ſchuſter la-
chen, wenn ſo ein ſaalbadriſcher Philologus/ der ſich etwan
ſchaͤmete zu ſprechen: Meiſter Hans macht mir ein paar
ſchuh/ mit einer ſolchen rede auffgezogen kaͤme: Herr mei-
ſter unter den ſchuhmachern/ an denſelben iſt mein heffti-
ges und angelegenes bitten/ er wolle doch meiner einge-
denck ſeyn/ und bey hindanſetzung ſeiner andern verrich-
tungen/ vornehmlich zwar ein maß zu meinem fuß/ ſ. v. neh-
men/ hernachmahls aber das leder alſo darnach einrichten
daß ich auff kuͤnfftigen ſoñtag meine neue ſeidenen ſtruͤmpf-
fe durch keine zerꝛiſſene ſohlen und beſtoſſene abſatze beſchaͤ-
men moͤge; auch ſo dann das frauenzimmer deſto mehr an-
laß habe meinen zierlichen gang zu betrachten: Jch wer-
de an meinem orte eine ſonderbahre Affection hier-
aus erkennen/ auch ins kuͤnfftige befliſſen ſeyn/ nicht
allein durch ſchleunige bezahlung/ ſondern auch durch an-
dere dienſtleiſtungen mein danckbaꝛes gemuͤthe darzuthun:
Alldieweil ich wohl weiß/ daß gleich wie ein carfunckel un-
ter den edelſteinen/ und das hellblitzende gold unter den
metallen den vorzug hat; alſo auch die danckbarkeit unter

den
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[284/0300] Vorrede allerhand kurtzweile mit eingemiſchet werden/ ſolches wird in den geſpꝛaͤchen erfordert/ und iſt allzeit von den vornehm- ſten leuten/ welche in dergleichen art etwas zu ſchreiben vor- genommen/ ſehr wohl beobachtet worden. Ja wenn ich mich einer hohen redens-art dabey gebrauchen wollen/ wie es vielleicht mancher Cenſor erfordern moͤchte/ ſo haͤtte ich die hoͤchſte ungeſchickligkeit von der welt in einem lebendi- gen exempel auffgefuͤhret. Man muß die ſachen alſo vor- bringen/ wie ſie naturell und ungezwungen ſind ſonſt ver- liehren ſie alle grace, ſo kuͤnſtlich als ſie abgefaſſet werden. Ein mahler waͤre nicht klug wenn er die roſen mit guͤldenen knoͤpfgen abmahlete; ob er gleich dencken moͤchte/ es kaͤhme friſcher und anſehnlicher heraus: Denn die natuͤrlichen roſen waͤren dem bilde nicht aͤhnlich. Und wer weiß nicht wie jaͤmmerlich die brieff- und karten-mahler ihre ſachen illuminiren/ da ſie balde die leute mit gruͤnen baͤrten/ bald mit cinnoberrohten backen/ bald mit Auripigment gelben haaren vorſtellen/ und alſo der natur nicht eine geringe ge- walt anlegen. Jch frage auch/ wie wuͤrde ein ſchuſter la- chen, wenn ſo ein ſaalbadriſcher Philologus/ der ſich etwan ſchaͤmete zu ſprechen: Meiſter Hans macht mir ein paar ſchuh/ mit einer ſolchen rede auffgezogen kaͤme: Herr mei- ſter unter den ſchuhmachern/ an denſelben iſt mein heffti- ges und angelegenes bitten/ er wolle doch meiner einge- denck ſeyn/ und bey hindanſetzung ſeiner andern verrich- tungen/ vornehmlich zwar ein maß zu meinem fuß/ ſ. v. neh- men/ hernachmahls aber das leder alſo darnach einrichten daß ich auff kuͤnfftigen ſoñtag meine neue ſeidenen ſtruͤmpf- fe durch keine zerꝛiſſene ſohlen und beſtoſſene abſatze beſchaͤ- men moͤge; auch ſo dann das frauenzimmer deſto mehr an- laß habe meinen zierlichen gang zu betrachten: Jch wer- de an meinem orte eine ſonderbahre Affection hier- aus erkennen/ auch ins kuͤnfftige befliſſen ſeyn/ nicht allein durch ſchleunige bezahlung/ ſondern auch durch an- dere dienſtleiſtungen mein danckbaꝛes gemuͤthe darzuthun: Alldieweil ich wohl weiß/ daß gleich wie ein carfunckel un- ter den edelſteinen/ und das hellblitzende gold unter den metallen den vorzug hat; alſo auch die danckbarkeit unter den

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/300>, abgerufen am 16.07.2024.