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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Drittes Gespräch.
Gil. Urtheile nicht vor der zeit.
JHr hertzen die ihr euch der süssen eitelkeit/
Durch liebe/ gunst und treu zu widmen willens seyd/
Fangt wol und glücklich an/ erfüllet das verlangen/
Und last euch in das garn der eiteln schönheit fangen:
Ergebet euren sinn an diesen glatten schein/
Und senckt die seelen selbst in jungfer-seelen ein.
Man muß sich der natur auch in den liebes-sachen
Als ein gehorsam kind recht unterwürffig machen.
Und wer nicht lieben wil der muß ein kieselstem/
Ein stieffkind dieser welt/ ein weicher schneeball seyn.
Doch eh ihr euer thun der liebes-lust ergebet/
Und weil das hertze noch in voller freyheit lebet/
So denckt der sache nach/ wie solche schmeicheley/
Wenn zeit und stunde kömt/ wol anzustellen sey.
Man muß sich offt ein nest im warmen sommer bauen
Das erst im winter dient: und itzo muß man schauen
Was künfftig werden kan. Wer erst den samen sucht
Jndem er erndten soll/ der wird mit seiner frucht
Vortrefflich kahl bestehn/ ein schiffmann/ wil er schiffen/
So hat er allbereit dieselbe kunst begriffen:
Wer mahlt ein zierlich bild; wer heist ein lautenist?
Der bey dem meister nicht zuvor ein schüler ist?
Und also wird uns zwar die schöne kunst zu lieben
Durch unser eltern blut ursprünglich eingeschrieben?
Doch weder halb noch gantz: die flamme fühlt man wohl:
Nicht aber wie man sie mit klugheit führen sol/
Man muß ein schüler seyn: man muß die edlen gaben
Der rechten höfligkeit aus der erfahrung haben.
Drum die ihr lieben wolt/ komt her und gebt euch an/
Hier tritt ein meister auff/ der euch vergnügen kan/
Versichert euch gewiß ihr werdet solche lehren
Und solchen liebes-trost zu euren vortheil hören/
Mehr als ihr wünschen mögt. Doch wer das süsse ziel
Jn der verfluchten lust der schande suchen will/
Der kömt bey mir nicht an. Jch richte mein gemüthe
Auff die ergötzligkeit/ darneben man die blüte
Der jugend nicht verletzt: die vor der erbarn welt/
Ja
Drittes Geſpraͤch.
Gil. Urtheile nicht vor der zeit.
JHr hertzen die ihr euch der ſuͤſſen eitelkeit/
Durch liebe/ gunſt und treu zu widmen willens ſeyd/
Fangt wol und gluͤcklich an/ erfuͤllet das verlangen/
Und laſt euch in das garn der eiteln ſchoͤnheit fangen:
Ergebet euren ſinn an dieſen glatten ſchein/
Und ſenckt die ſeelen ſelbſt in jungfer-ſeelen ein.
Man muß ſich der natur auch in den liebes-ſachen
Als ein gehorſam kind recht unterwuͤrffig machen.
Und wer nicht lieben wil der muß ein kieſelſtem/
Ein ſtieffkind dieſer welt/ ein weicher ſchneeball ſeyn.
Doch eh ihr euer thun der liebes-luſt ergebet/
Und weil das hertze noch in voller freyheit lebet/
So denckt der ſache nach/ wie ſolche ſchmeicheley/
Wenn zeit und ſtunde koͤmt/ wol anzuſtellen ſey.
Man muß ſich offt ein neſt im warmen ſommer bauen
Das erſt im winter dient: und itzo muß man ſchauen
Was kuͤnfftig werden kan. Wer erſt den ſamen ſucht
Jndem er erndten ſoll/ der wird mit ſeiner frucht
Vortrefflich kahl beſtehn/ ein ſchiffmann/ wil er ſchiffen/
So hat er allbereit dieſelbe kunſt begriffen:
Wer mahlt ein zierlich bild; wer heiſt ein lauteniſt?
Der bey dem meiſter nicht zuvor ein ſchuͤler iſt?
Und alſo wird uns zwar die ſchoͤne kunſt zu lieben
Durch unſer eltern blut urſpruͤnglich eingeſchrieben?
Doch weder halb noch gantz: die flamme fuͤhlt man wohl:
Nicht aber wie man ſie mit klugheit fuͤhren ſol/
Man muß ein ſchuͤler ſeyn: man muß die edlen gaben
Der rechten hoͤfligkeit aus der erfahrung haben.
Drum die ihr lieben wolt/ komt her und gebt euch an/
Hier tritt ein meiſter auff/ der euch vergnuͤgen kan/
Verſichert euch gewiß ihr werdet ſolche lehren
Und ſolchen liebes-troſt zu euren vortheil hoͤren/
Mehr als ihr wuͤnſchen moͤgt. Doch wer das ſuͤſſe ziel
Jn der verfluchten luſt der ſchande ſuchen will/
Der koͤmt bey mir nicht an. Jch richte mein gemuͤthe
Auff die ergoͤtzligkeit/ darneben man die bluͤte
Der jugend nicht verletzt: die vor der erbarn welt/
Ja
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[351/0367] Drittes Geſpraͤch. Gil. Urtheile nicht vor der zeit. JHr hertzen die ihr euch der ſuͤſſen eitelkeit/ Durch liebe/ gunſt und treu zu widmen willens ſeyd/ Fangt wol und gluͤcklich an/ erfuͤllet das verlangen/ Und laſt euch in das garn der eiteln ſchoͤnheit fangen: Ergebet euren ſinn an dieſen glatten ſchein/ Und ſenckt die ſeelen ſelbſt in jungfer-ſeelen ein. Man muß ſich der natur auch in den liebes-ſachen Als ein gehorſam kind recht unterwuͤrffig machen. Und wer nicht lieben wil der muß ein kieſelſtem/ Ein ſtieffkind dieſer welt/ ein weicher ſchneeball ſeyn. Doch eh ihr euer thun der liebes-luſt ergebet/ Und weil das hertze noch in voller freyheit lebet/ So denckt der ſache nach/ wie ſolche ſchmeicheley/ Wenn zeit und ſtunde koͤmt/ wol anzuſtellen ſey. Man muß ſich offt ein neſt im warmen ſommer bauen Das erſt im winter dient: und itzo muß man ſchauen Was kuͤnfftig werden kan. Wer erſt den ſamen ſucht Jndem er erndten ſoll/ der wird mit ſeiner frucht Vortrefflich kahl beſtehn/ ein ſchiffmann/ wil er ſchiffen/ So hat er allbereit dieſelbe kunſt begriffen: Wer mahlt ein zierlich bild; wer heiſt ein lauteniſt? Der bey dem meiſter nicht zuvor ein ſchuͤler iſt? Und alſo wird uns zwar die ſchoͤne kunſt zu lieben Durch unſer eltern blut urſpruͤnglich eingeſchrieben? Doch weder halb noch gantz: die flamme fuͤhlt man wohl: Nicht aber wie man ſie mit klugheit fuͤhren ſol/ Man muß ein ſchuͤler ſeyn: man muß die edlen gaben Der rechten hoͤfligkeit aus der erfahrung haben. Drum die ihr lieben wolt/ komt her und gebt euch an/ Hier tritt ein meiſter auff/ der euch vergnuͤgen kan/ Verſichert euch gewiß ihr werdet ſolche lehren Und ſolchen liebes-troſt zu euren vortheil hoͤren/ Mehr als ihr wuͤnſchen moͤgt. Doch wer das ſuͤſſe ziel Jn der verfluchten luſt der ſchande ſuchen will/ Der koͤmt bey mir nicht an. Jch richte mein gemuͤthe Auff die ergoͤtzligkeit/ darneben man die bluͤte Der jugend nicht verletzt: die vor der erbarn welt/ Ja

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/367>, abgerufen am 01.06.2024.