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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Uberflüssiger gedancken andere gattung
Fill. Jch revocire alle injurien/ ich weiß nichts als
liebes und gutes von dir.
Gil. Siehe her. Da ward ein guter freund der
hatte noch eine mutter/ und weil er zu ihren gütern der
eintzige erbe war/ plagte sie ihn täglich mit heyraths-
gedancken. Endlich als er einen auffschub nach dem
andern machte/ resolvirte sich die mutter/ entweder er
solte in drey tagen eine außlesen oder sie wolte nach der
zeit selber eine vorschlagen/ die er also dann bey ver-
meidung ihrer höchsten ungnade nehmen solte. Hier-
auff als er so sehr genöthigt ward/ hatte er ein heim-
lich absehn auf eine/ da er doch nicht wuste/ wie er den
handel zu erst anbringen solte. Drum brauchte er die-
ses lied/ und übergab es seiner vermeinten liebste.

MEin werthes kind wofern ihr ja beliebt
Zu wissen was mein freyes hertz betrübt/
So gebe sie ein zeichen im gesicht/
Darf ich mich ihr vertrauen oder nicht?
2. Die mutter wil; drum muß es auch geschehn/
Jch soll nunmehr nach einer liebsten sehn/
Sie beut mir hauß/ hof und die nahrung an
Daß ich mich selbst nicht länger wehren kan.
3. Drey tage sind mein angesetztes ziel/
Daß/ wo ich nicht was selbst erwehlen wil/
So wird es nicht nach meinem kopfe gehn/
Und alles wird bloß bey der mutter stehn.
4. Mein kind was giebt sie mir vor einen rath
Wo meine lust was guts zu hoffen hat.
Jch schweige zwar/ und rede nicht zu viel.
Doch weiß sie wol was ich ihr sagen wil.
5. Sie dencke nach und prüfe meinen sinn:
Wo ich zu stoltz in meiner hofnung bin/
So
Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung
Fill. Jch revocire alle injurien/ ich weiß nichts als
liebes und gutes von dir.
Gil. Siehe her. Da ward ein guter freund der
hatte noch eine mutter/ und weil er zu ihren guͤtern der
eintzige erbe war/ plagte ſie ihn taͤglich mit heyraths-
gedancken. Endlich als er einen auffſchub nach dem
andern machte/ reſolvirte ſich die mutter/ entweder er
ſolte in dꝛey tagen eine außleſen oder ſie wolte nach der
zeit ſelber eine vorſchlagen/ die er alſo dann bey ver-
meidung ihrer hoͤchſten ungnade nehmen ſolte. Hier-
auff als er ſo ſehr genoͤthigt ward/ hatte er ein heim-
lich abſehn auf eine/ da er doch nicht wuſte/ wie er den
handel zu erſt anbringen ſolte. Drum brauchte er die-
ſes lied/ und uͤbergab es ſeiner vermeinten liebſte.

MEin werthes kind wofern ihr ja beliebt
Zu wiſſen was mein freyes hertz betruͤbt/
So gebe ſie ein zeichen im geſicht/
Darf ich mich ihr vertrauen oder nicht?
2. Die mutter wil; drum muß es auch geſchehn/
Jch ſoll nunmehr nach einer liebſten ſehn/
Sie beut mir hauß/ hof und die nahrung an
Daß ich mich ſelbſt nicht laͤnger wehren kan.
3. Drey tage ſind mein angeſetztes ziel/
Daß/ wo ich nicht was ſelbſt erwehlen wil/
So wird es nicht nach meinem kopfe gehn/
Und alles wird bloß bey der mutter ſtehn.
4. Mein kind was giebt ſie mir vor einen rath
Wo meine luſt was guts zu hoffen hat.
Jch ſchweige zwar/ und rede nicht zu viel.
Doch weiß ſie wol was ich ihr ſagen wil.
5. Sie dencke nach und pruͤfe meinen ſinn:
Wo ich zu ſtoltz in meiner hofnung bin/
So
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[358/0374] Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung Fill. Jch revocire alle injurien/ ich weiß nichts als liebes und gutes von dir. Gil. Siehe her. Da ward ein guter freund der hatte noch eine mutter/ und weil er zu ihren guͤtern der eintzige erbe war/ plagte ſie ihn taͤglich mit heyraths- gedancken. Endlich als er einen auffſchub nach dem andern machte/ reſolvirte ſich die mutter/ entweder er ſolte in dꝛey tagen eine außleſen oder ſie wolte nach der zeit ſelber eine vorſchlagen/ die er alſo dann bey ver- meidung ihrer hoͤchſten ungnade nehmen ſolte. Hier- auff als er ſo ſehr genoͤthigt ward/ hatte er ein heim- lich abſehn auf eine/ da er doch nicht wuſte/ wie er den handel zu erſt anbringen ſolte. Drum brauchte er die- ſes lied/ und uͤbergab es ſeiner vermeinten liebſte. MEin werthes kind wofern ihr ja beliebt Zu wiſſen was mein freyes hertz betruͤbt/ So gebe ſie ein zeichen im geſicht/ Darf ich mich ihr vertrauen oder nicht? 2. Die mutter wil; drum muß es auch geſchehn/ Jch ſoll nunmehr nach einer liebſten ſehn/ Sie beut mir hauß/ hof und die nahrung an Daß ich mich ſelbſt nicht laͤnger wehren kan. 3. Drey tage ſind mein angeſetztes ziel/ Daß/ wo ich nicht was ſelbſt erwehlen wil/ So wird es nicht nach meinem kopfe gehn/ Und alles wird bloß bey der mutter ſtehn. 4. Mein kind was giebt ſie mir vor einen rath Wo meine luſt was guts zu hoffen hat. Jch ſchweige zwar/ und rede nicht zu viel. Doch weiß ſie wol was ich ihr ſagen wil. 5. Sie dencke nach und pruͤfe meinen ſinn: Wo ich zu ſtoltz in meiner hofnung bin/ So

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/374>, abgerufen am 01.06.2024.