Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Uberflüssiger gedancken andere gattung Fill. Daß mir nicht die überirrdische tugend nach- läufft. Gil. Wo wird ein mannsbild solche müh haben/ als eine jungfer haben muß ihre ehre und keuschheit in gutem beruff zu erhalten. Wir reden offt etwas/ wir gehen an unterschiedene örter/ wir nehmen diß und je- nes vor: Welches alles bey dem frauen-zimmer ein la- ster wäre. Sie müssen sich in worten/ in wercken/ in geberden/ und allenthalben so vorsehn/ daß man ihnen also das höchste unrecht thut/ wo man ihre tugend nicht sonderlich ästimiren wil. Fill. Die jungfern haben doch nicht so viel coura- ge als die männer. Gil. So thumkühne sind sie nicht/ das gebe ich zu. Allein ihre tapferkeit erweisen sie mehr als wir/ indem sie ihre Affecten und was der ehre zu wider läufft/ mit sonderbahren nachdruck zu überwinden wissen. Fill. Sind aber alle so tapfer? Gil. Jch rede auch nicht von allen. Jch rede von denselben/ welche würdig sind/ daß man sich bey ihrer liebe eine glückseligkeit einbildet. Fill. Du bist ein stattlicher jungfer Procurator. Solten doch alle mägden im Ober- und Nieder-Säch- sischen kreise 18 pfennige contribuiren/ daß die müh- waltung nicht ümsonst wäre. Doch stille/ ich muß wieder an mein lied: 5. Ach hätt' ich nur an meinem hertzen/ Ein kleines fenster offen stehn/ Daß treu und falschheit/ lieb und schmertzen Jhr könten unter augen gehn. Die worte werden/ wenn sie kommen Vor sündendeckel aufgenommen. Es
Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung Fill. Daß mir nicht die uͤberiꝛrdiſche tugend nach- laͤufft. Gil. Wo wird ein mannsbild ſolche muͤh haben/ als eine jungfer haben muß ihre ehre und keuſchheit in gutem beruff zu erhalten. Wir reden offt etwas/ wir gehen an unterſchiedene oͤrter/ wir nehmen diß und je- nes vor: Welches alles bey dem frauen-zimmer ein la- ſter waͤre. Sie muͤſſen ſich in worten/ in wercken/ in geberden/ und allenthalben ſo vorſehn/ daß man ihnen alſo das hoͤchſte unrecht thut/ wo man ihre tugend nicht ſonderlich aͤſtimiren wil. Fill. Die jungfern haben doch nicht ſo viel coura- ge als die maͤnner. Gil. So thumkuͤhne ſind ſie nicht/ das gebe ich zu. Allein ihre tapferkeit erweiſen ſie mehr als wir/ indem ſie ihre Affecten und was der ehre zu wider laͤufft/ mit ſonderbahren nachdruck zu uͤberwinden wiſſen. Fill. Sind aber alle ſo tapfer? Gil. Jch rede auch nicht von allen. Jch rede von denſelben/ welche wuͤrdig ſind/ daß man ſich bey ihrer liebe eine gluͤckſeligkeit einbildet. Fill. Du biſt ein ſtattlicher jungfer Procurator. Solten doch alle maͤgden im Ober- und Nieder-Saͤch- ſiſchen kreiſe 18 pfennige contribuiren/ daß die muͤh- waltung nicht uͤmſonſt waͤre. Doch ſtille/ ich muß wieder an mein lied: 5. Ach haͤtt’ ich nur an meinem hertzen/ Ein kleines fenſter offen ſtehn/ Daß treu und falſchheit/ lieb und ſchmertzen Jhr koͤnten unter augen gehn. Die worte werden/ wenn ſie kommen Vor ſuͤndendeckel aufgenommen. Es
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Uberfluͤſſiger gedancken andere gattung
Fill. Daß mir nicht die uͤberiꝛrdiſche tugend nach-
laͤufft.
Gil. Wo wird ein mannsbild ſolche muͤh haben/
als eine jungfer haben muß ihre ehre und keuſchheit in
gutem beruff zu erhalten. Wir reden offt etwas/ wir
gehen an unterſchiedene oͤrter/ wir nehmen diß und je-
nes vor: Welches alles bey dem frauen-zimmer ein la-
ſter waͤre. Sie muͤſſen ſich in worten/ in wercken/ in
geberden/ und allenthalben ſo vorſehn/ daß man ihnen
alſo das hoͤchſte unrecht thut/ wo man ihre tugend
nicht ſonderlich aͤſtimiren wil.
Fill. Die jungfern haben doch nicht ſo viel coura-
ge als die maͤnner.
Gil. So thumkuͤhne ſind ſie nicht/ das gebe ich zu.
Allein ihre tapferkeit erweiſen ſie mehr als wir/ indem
ſie ihre Affecten und was der ehre zu wider laͤufft/ mit
ſonderbahren nachdruck zu uͤberwinden wiſſen.
Fill. Sind aber alle ſo tapfer?
Gil. Jch rede auch nicht von allen. Jch rede von
denſelben/ welche wuͤrdig ſind/ daß man ſich bey ihrer
liebe eine gluͤckſeligkeit einbildet.
Fill. Du biſt ein ſtattlicher jungfer Procurator.
Solten doch alle maͤgden im Ober- und Nieder-Saͤch-
ſiſchen kreiſe 18 pfennige contribuiren/ daß die muͤh-
waltung nicht uͤmſonſt waͤre. Doch ſtille/ ich muß
wieder an mein lied:
5. Ach haͤtt’ ich nur an meinem hertzen/
Ein kleines fenſter offen ſtehn/
Daß treu und falſchheit/ lieb und ſchmertzen
Jhr koͤnten unter augen gehn.
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