Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der beschützten Unschuld Flav. Wer sich mäßig hält/ der kan alles brodt ver- dauen. Herc. Vielleicht lässet er sich in ein duell ein/ und wird tödtlich beschädiget. Flav. Welchen kein mensch hassen kan/ der wird nicht beschädiget. Herc. So lässet er sich etwan die liebe bethören. Flav. Camillo ist nicht so leicht zu gewinnen Herc. Nun das glücke bringe ihn zur guten stunde wieder in unser Hertzogthum. Flav. Das ist gleichfals mein täglicher wunsch. Herc. Wie aber wenn ihm der hof in Franckreich gesiele? Flav. Wenn Jhr Durchl. daselbst residirten/ so wolt ich nicht zweiffeln. Herc. Der König in Franckreich hat mehr mittel/ junge gemüther an sich zu ziehen/ als der Hertzog von Ferrar. Flav. Aber Camillo hat kein hertze mehr/ das er ei- nem frembden Potentaten verpfänden könte. Herc. Wird er fleissig zurück schreiben/ und uns sei- nen zustand wissen lassen/ so haben wir desto weniger ursach an seiner standhafftigkeit zu zweiffeln. Flav. Solches hat er heilig versprochen. Herc. Der ausgang wird seine gedancken eröffnen. (Sie gehen ab.) Ponc. Jst das nicht eine stattliche sache/ ich bin nun 6 jahr nach einander/ weil ich dem Camillo auff- warte/ so ehrlich gewesen/ daß es eine schande ist/ und habe doch nicht mehr davon als zwey kahle ducaten: Nun ich nur anfange ein kleines bißgen zum schelmen zu werden/ so schneyet und hagelt mir das geld zu. Sieh
Der beſchuͤtzten Unſchuld Flav. Wer ſich maͤßig haͤlt/ der kan alles brodt ver- dauen. Herc. Vielleicht laͤſſet er ſich in ein duell ein/ und wird toͤdtlich beſchaͤdiget. Flav. Welchen kein menſch haſſen kan/ der wird nicht beſchaͤdiget. Herc. So laͤſſet er ſich etwan die liebe bethoͤren. Flav. Camillo iſt nicht ſo leicht zu gewinnen Herc. Nun das gluͤcke bringe ihn zur guten ſtunde wieder in unſer Hertzogthum. Flav. Das iſt gleichfals mein taͤglicher wunſch. Herc. Wie aber wenn ihm der hof in Franckreich geſiele? Flav. Wenn Jhr Durchl. daſelbſt reſidirten/ ſo wolt ich nicht zweiffeln. Herc. Der Koͤnig in Franckreich hat mehr mittel/ junge gemuͤther an ſich zu ziehen/ als der Hertzog von Ferrar. Flav. Aber Camillo hat kein hertze mehr/ das er ei- nem frembden Potentaten verpfaͤnden koͤnte. Herc. Wird er fleiſſig zuruͤck ſchreiben/ und uns ſei- nen zuſtand wiſſen laſſen/ ſo haben wir deſto weniger urſach an ſeiner ſtandhafftigkeit zu zweiffeln. Flav. Solches hat er heilig verſprochen. Herc. Der ausgang wird ſeine gedancken eroͤffnen. (Sie gehen ab.) Ponc. Jſt das nicht eine ſtattliche ſache/ ich bin nun 6 jahr nach einander/ weil ich dem Camillo auff- warte/ ſo ehrlich geweſen/ daß es eine ſchande iſt/ und habe doch nicht mehr davon als zwey kahle ducaten: Nun ich nur anfange ein kleines bißgen zum ſchelmen zu werden/ ſo ſchneyet und hagelt mir das geld zu. Sieh
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Der beſchuͤtzten Unſchuld
Flav. Wer ſich maͤßig haͤlt/ der kan alles brodt ver-
dauen.
Herc. Vielleicht laͤſſet er ſich in ein duell ein/ und
wird toͤdtlich beſchaͤdiget.
Flav. Welchen kein menſch haſſen kan/ der wird
nicht beſchaͤdiget.
Herc. So laͤſſet er ſich etwan die liebe bethoͤren.
Flav. Camillo iſt nicht ſo leicht zu gewinnen
Herc. Nun das gluͤcke bringe ihn zur guten ſtunde
wieder in unſer Hertzogthum.
Flav. Das iſt gleichfals mein taͤglicher wunſch.
Herc. Wie aber wenn ihm der hof in Franckreich
geſiele?
Flav. Wenn Jhr Durchl. daſelbſt reſidirten/ ſo
wolt ich nicht zweiffeln.
Herc. Der Koͤnig in Franckreich hat mehr mittel/
junge gemuͤther an ſich zu ziehen/ als der Hertzog von
Ferrar.
Flav. Aber Camillo hat kein hertze mehr/ das er ei-
nem frembden Potentaten verpfaͤnden koͤnte.
Herc. Wird er fleiſſig zuruͤck ſchreiben/ und uns ſei-
nen zuſtand wiſſen laſſen/ ſo haben wir deſto weniger
urſach an ſeiner ſtandhafftigkeit zu zweiffeln.
Flav. Solches hat er heilig verſprochen.
Herc. Der ausgang wird ſeine gedancken eroͤffnen.
(Sie gehen ab.)
Ponc. Jſt das nicht eine ſtattliche ſache/ ich bin
nun 6 jahr nach einander/ weil ich dem Camillo auff-
warte/ ſo ehrlich geweſen/ daß es eine ſchande iſt/ und
habe doch nicht mehr davon als zwey kahle ducaten:
Nun ich nur anfange ein kleines bißgen zum ſchelmen
zu werden/ ſo ſchneyet und hagelt mir das geld zu.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/502>, abgerufen am 16.07.2024. |