Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der beschützten Unschuld fehlen über mich behalten will/ und daß ich abwesendnoch allezeit ihr diener seyn soll. Soph. Das war schön geantwortet. Enthielt er sich aber von der zeit an aller kundschafft? Leon. Jch verwunderte mich/ daß er so gehorsam war/ doch grieff er sich in allerhand leibes-und ge- müths-übungen dergestalt an/ daß ich nirgend hin- kam/ da ich nicht von den sonderbaren qvalitäten des Camillo hören muste: gleich als hätte sich alles ver- schworen/ demselben bey mir ein gut wort zu verleyhen. Soph. So tugendhafft ist Camillo/ daß er seine Leonore auch abwesend vergnügen kan? Leon. Jch weiß nicht/ ob allzeit! doch lasst mich fortfahren. Er kam hiedurch in des Fürsten gnade/ wurde bey allen zu hofe werth gehalten/ also daß er sich endlich erkühnte/ mit meiner seligen frau mutter in ge- spräche einzulassen/ da erinnert er sich der kindischen liebe/ und brachte es so weit/ daß er ein grosses stücke vom jaworte weg bekam. Jch an meinem orte ließ mir den schluß nicht übel gefallen/ weil ich an dem gan- tzen hofe keine anständiger liebe zu finden wuste. Soph. Also ward Camillo wieder zu frieden ge- stellt? Leon. Ach nein/ es war noch nicht an dem/ daß wir uns einiges vergnügen einbilden dürfften. Soph. Was stund im wege? Leon. Des Camillo herr vater/ der nunmehr vor einem jahr die welt gesegnet/ ersuchte meine frau mut- ter schrifftlich/ sie möchte seinen sohn aus ihrem hause lassen/ er sey gesinnet/ ihn anderswo zu verheyrathen/ und wolle demnach nicht haben/ daß ihm eine von leu- ten
Der beſchuͤtzten Unſchuld fehlen uͤber mich behalten will/ und daß ich abweſendnoch allezeit ihr diener ſeyn ſoll. Soph. Das war ſchoͤn geantwortet. Enthielt er ſich aber von der zeit an aller kundſchafft? Leon. Jch verwunderte mich/ daß er ſo gehorſam war/ doch grieff er ſich in allerhand leibes-und ge- muͤths-uͤbungen dergeſtalt an/ daß ich nirgend hin- kam/ da ich nicht von den ſonderbaren qvalitaͤten des Camillo hoͤren muſte: gleich als haͤtte ſich alles ver- ſchworen/ demſelben bey mir ein gut wort zu verleyhẽ. Soph. So tugendhafft iſt Camillo/ daß er ſeine Leonore auch abweſend vergnuͤgen kan? Leon. Jch weiß nicht/ ob allzeit! doch laſſt mich fortfahren. Er kam hiedurch in des Fuͤrſten gnade/ wurde bey allen zu hofe werth gehalten/ alſo daß er ſich endlich erkuͤhnte/ mit meiner ſeligen frau mutter in ge- ſpraͤche einzulaſſen/ da erinnert er ſich der kindiſchen liebe/ und brachte es ſo weit/ daß er ein groſſes ſtuͤcke vom jaworte weg bekam. Jch an meinem orte ließ mir den ſchluß nicht uͤbel gefallen/ weil ich an dem gan- tzen hofe keine anſtaͤndiger liebe zu finden wuſte. Soph. Alſo ward Camillo wieder zu frieden ge- ſtellt? Leon. Ach nein/ es war noch nicht an dem/ daß wir uns einiges vergnuͤgen einbilden duͤrfften. Soph. Was ſtund im wege? Leon. Des Camillo herꝛ vater/ der nunmehr vor einem jahr die welt geſegnet/ erſuchte meine frau mut- ter ſchrifftlich/ ſie moͤchte ſeinen ſohn aus ihrem hauſe laſſen/ er ſey geſinnet/ ihn anderswo zu verheyrathen/ und wolle demnach nicht haben/ daß ihm eine von leu- ten
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Der beſchuͤtzten Unſchuld
fehlen uͤber mich behalten will/ und daß ich abweſend
noch allezeit ihr diener ſeyn ſoll.
Soph. Das war ſchoͤn geantwortet. Enthielt
er ſich aber von der zeit an aller kundſchafft?
Leon. Jch verwunderte mich/ daß er ſo gehorſam
war/ doch grieff er ſich in allerhand leibes-und ge-
muͤths-uͤbungen dergeſtalt an/ daß ich nirgend hin-
kam/ da ich nicht von den ſonderbaren qvalitaͤten des
Camillo hoͤren muſte: gleich als haͤtte ſich alles ver-
ſchworen/ demſelben bey mir ein gut wort zu verleyhẽ.
Soph. So tugendhafft iſt Camillo/ daß er ſeine
Leonore auch abweſend vergnuͤgen kan?
Leon. Jch weiß nicht/ ob allzeit! doch laſſt mich
fortfahren. Er kam hiedurch in des Fuͤrſten gnade/
wurde bey allen zu hofe werth gehalten/ alſo daß er ſich
endlich erkuͤhnte/ mit meiner ſeligen frau mutter in ge-
ſpraͤche einzulaſſen/ da erinnert er ſich der kindiſchen
liebe/ und brachte es ſo weit/ daß er ein groſſes ſtuͤcke
vom jaworte weg bekam. Jch an meinem orte ließ
mir den ſchluß nicht uͤbel gefallen/ weil ich an dem gan-
tzen hofe keine anſtaͤndiger liebe zu finden wuſte.
Soph. Alſo ward Camillo wieder zu frieden ge-
ſtellt?
Leon. Ach nein/ es war noch nicht an dem/ daß wir
uns einiges vergnuͤgen einbilden duͤrfften.
Soph. Was ſtund im wege?
Leon. Des Camillo herꝛ vater/ der nunmehr vor
einem jahr die welt geſegnet/ erſuchte meine frau mut-
ter ſchrifftlich/ ſie moͤchte ſeinen ſohn aus ihrem hauſe
laſſen/ er ſey geſinnet/ ihn anderswo zu verheyrathen/
und wolle demnach nicht haben/ daß ihm eine von leu-
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/506>, abgerufen am 16.06.2024. |