Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Dritte Handlung. Hertzog zu Lothringen/ mit dergleichen gütigkeit anmich gesetzt/ der ich nicht widerstehen kan/ und ich also bey höchstgedachtem Herrn vor einem Stallmeister auffzuwarten/ gehorsamst entschlossen: Als ist an E. Hochfürstl. Durchl. mein demüthigstes zuversichtli- ches bitten/ sie wollen dero welt-bekandten sincerität nach/ mich an meinem bessern glück nicht verhindern/ sondern sie vielmehr vergewissern/ daß ich auch in frem- den landen seyn werde etc. Herc. Halt inne/ halt inne/ die letzte complimente mag ich nicht hören. Du schaum von allen adelichen gemüthern/ so bistu dermassen kühn/ daß du auch ein schrifftlich zeugnis von deiner unartigen boßheit geben darffst. War diß die vollkommenheit/ die in Franck- reich deine augen an dich lockte? O vermaledeyet sey die stunde/ darinnen du unsere gnade bezaubert hast! verflucht sey der tag/ da man sagte: Wir hätten einen neuen Cammer-juncker befördert! Verdammet sey die wohlthat/ welche dich aus dem staube erhöhet hat/ daß du auch fremde Fürsten betrügen kanst. Nun der himmel schicke es/ daß der Hertzog zu Lothringen eher deine laster erkennet/ als er sich an dem äusserlichen schein der tugend vergafft. Borg. Signor Flavio/ was will er mit seinem brie- fe machen? Flav. Meinetwegen mag er ihn ins feuer werffen. Herc. Es ist unser wille/ leset ihn. Flav. (lieset) Werther freund! Aus eurem lang- wierigen stillschweigen darff ich mich keiner frölichen wiederkunfft versichern/ sondern ich muß mich aus den Poeten trösten/ daß Herc. auch unbeständig gewesen/ und dannenhero unser Fürst mir das jenige mitspielen dürffte/ K k 4
Dritte Handlung. Hertzog zu Lothringen/ mit dergleichen guͤtigkeit anmich geſetzt/ der ich nicht widerſtehen kan/ und ich alſo bey hoͤchſtgedachtem Herꝛn vor einem Stallmeiſter auffzuwarten/ gehorſamſt entſchloſſen: Als iſt an E. Hochfuͤrſtl. Durchl. mein demuͤthigſtes zuverſichtli- ches bitten/ ſie wollen dero welt-bekandten ſinceritaͤt nach/ mich an meinem beſſern gluͤck nicht verhindern/ ſondern ſie vielmehr vergewiſſern/ daß ich auch in fꝛem- den landen ſeyn werde ꝛc. Herc. Halt inne/ halt inne/ die letzte complimente mag ich nicht hoͤren. Du ſchaum von allen adelichen gemuͤthern/ ſo biſtu dermaſſen kuͤhn/ daß du auch ein ſchrifftlich zeugnis von deiner unartigen boßheit geben darffſt. War diß die vollkommenheit/ die in Franck- reich deine augen an dich lockte? O vermaledeyet ſey die ſtunde/ darinnen du unſere gnade bezaubert haſt! verflucht ſey der tag/ da man ſagte: Wir haͤtten einen neuen Cammer-juncker befoͤrdert! Verdammet ſey die wohlthat/ welche dich aus dem ſtaube erhoͤhet hat/ daß du auch fremde Fuͤrſten betruͤgen kanſt. Nun der himmel ſchicke es/ daß der Hertzog zu Lothringen eher deine laſter erkennet/ als er ſich an dem aͤuſſerlichen ſchein der tugend vergafft. Borg. Signor Flavio/ was will er mit ſeinem brie- fe machen? Flav. Meinetwegen mag er ihn ins feuer werffen. Herc. Es iſt unſer wille/ leſet ihn. Flav. (lieſet) Werther freund! Aus eurem lang- wierigen ſtillſchweigen darff ich mich keiner froͤlichen wiederkunfft verſichern/ ſondern ich muß mich aus den Poeten troͤſten/ daß Herc. auch unbeſtaͤndig geweſen/ und dannenhero unſer Fuͤrſt mir das jenige mitſpielen duͤrffte/ K k 4
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Dritte Handlung.
Hertzog zu Lothringen/ mit dergleichen guͤtigkeit an
mich geſetzt/ der ich nicht widerſtehen kan/ und ich alſo
bey hoͤchſtgedachtem Herꝛn vor einem Stallmeiſter
auffzuwarten/ gehorſamſt entſchloſſen: Als iſt an E.
Hochfuͤrſtl. Durchl. mein demuͤthigſtes zuverſichtli-
ches bitten/ ſie wollen dero welt-bekandten ſinceritaͤt
nach/ mich an meinem beſſern gluͤck nicht verhindern/
ſondern ſie vielmehr vergewiſſern/ daß ich auch in fꝛem-
den landen ſeyn werde ꝛc.
Herc. Halt inne/ halt inne/ die letzte complimente
mag ich nicht hoͤren. Du ſchaum von allen adelichen
gemuͤthern/ ſo biſtu dermaſſen kuͤhn/ daß du auch ein
ſchrifftlich zeugnis von deiner unartigen boßheit geben
darffſt. War diß die vollkommenheit/ die in Franck-
reich deine augen an dich lockte? O vermaledeyet ſey
die ſtunde/ darinnen du unſere gnade bezaubert haſt!
verflucht ſey der tag/ da man ſagte: Wir haͤtten einen
neuen Cammer-juncker befoͤrdert! Verdammet ſey
die wohlthat/ welche dich aus dem ſtaube erhoͤhet hat/
daß du auch fremde Fuͤrſten betruͤgen kanſt. Nun der
himmel ſchicke es/ daß der Hertzog zu Lothringen eher
deine laſter erkennet/ als er ſich an dem aͤuſſerlichen
ſchein der tugend vergafft.
Borg. Signor Flavio/ was will er mit ſeinem brie-
fe machen?
Flav. Meinetwegen mag er ihn ins feuer werffen.
Herc. Es iſt unſer wille/ leſet ihn.
Flav. (lieſet) Werther freund! Aus eurem lang-
wierigen ſtillſchweigen darff ich mich keiner froͤlichen
wiederkunfft verſichern/ ſondern ich muß mich aus den
Poeten troͤſten/ daß Herc. auch unbeſtaͤndig geweſen/
und dannenhero unſer Fuͤrſt mir das jenige mitſpielen
duͤrffte/
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/535>, abgerufen am 15.06.2024. |