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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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lungen (Pfützen) leben, wechseln die beiden Arten der Eibildung
sehr rasch miteinander ab, weil nur die Wintereier mit ihren
dicken Schalen das Aussterben der Kolonie verhindern, falls
die Pfütze plötzlich austrocknet, während alle Arten, welche in
grossen Wasseransammlungen leben, in Teichen und Seen, die
niemals austrocknen, eine grosse Zahl von Generationen hindurch
nur Sommereier hervorbringen und erst bei Herannahen des
Winters zur Erzeugung der anderen Eiart übergehen, welche
auch nach dem Absterben der Kolonie den Bestand derselben
durch Überwintern sicher stellen.

In ähnlicher Weise wird man es sich vorzustellen haben,
wenn die Endstadien der Ontogenese sich verändern.

Bei den Blattläusen der Gattung Aphis kommen aus
dem befruchteten Ei weibliche, aber zur Begattung unfähige
Thiere, da ihnen das zur Befruchtung der Eier unentbehrliche
Receptaculum seminis fehlt. Dafür besitzen sie die Fähigkeit,
ihre Eier schon im Ovarium auf parthenogenetischem Wege
zur Entwickelung zu bringen. Aus ihren Jungen gehen ähn-
liche Weibchen ohne Begattungs-Vorrichtung hervor, die wieder
ihres Gleichen hervorbringen, zuletzt aber bringt eines dieser
durch Parthenogenese entstandenen Weibchen auch wieder durch
Parthenogenese zugleich begattungsfähige Weibchen hervor und
Männchen, die sich beide meist schon durch Körperform und
Farbe, immer aber durch den Bau der Fortpflanzungsorgane
und Geschlechtsprodukte von den vorhergehenden Generationen
unterscheiden. Die Embryogenese aber dieser Geschlechtsthiere
ist dieselbe, wie bei jenen.

Hier sind die Determinanten des reifen Thieres in den
parthenogenetischen Generationen verändert worden, denn die
geschlechtliche Fortpflanzung ist die ursprünglichere. Nehmen
wir also einmal an, die Geschlechtsgeneration sei sich ganz
gleich geblieben seit der Einführung des Generationswechsels

lungen (Pfützen) leben, wechseln die beiden Arten der Eibildung
sehr rasch miteinander ab, weil nur die Wintereier mit ihren
dicken Schalen das Aussterben der Kolonie verhindern, falls
die Pfütze plötzlich austrocknet, während alle Arten, welche in
grossen Wasseransammlungen leben, in Teichen und Seen, die
niemals austrocknen, eine grosse Zahl von Generationen hindurch
nur Sommereier hervorbringen und erst bei Herannahen des
Winters zur Erzeugung der anderen Eiart übergehen, welche
auch nach dem Absterben der Kolonie den Bestand derselben
durch Überwintern sicher stellen.

In ähnlicher Weise wird man es sich vorzustellen haben,
wenn die Endstadien der Ontogenese sich verändern.

Bei den Blattläusen der Gattung Aphis kommen aus
dem befruchteten Ei weibliche, aber zur Begattung unfähige
Thiere, da ihnen das zur Befruchtung der Eier unentbehrliche
Receptaculum seminis fehlt. Dafür besitzen sie die Fähigkeit,
ihre Eier schon im Ovarium auf parthenogenetischem Wege
zur Entwickelung zu bringen. Aus ihren Jungen gehen ähn-
liche Weibchen ohne Begattungs-Vorrichtung hervor, die wieder
ihres Gleichen hervorbringen, zuletzt aber bringt eines dieser
durch Parthenogenese entstandenen Weibchen auch wieder durch
Parthenogenese zugleich begattungsfähige Weibchen hervor und
Männchen, die sich beide meist schon durch Körperform und
Farbe, immer aber durch den Bau der Fortpflanzungsorgane
und Geschlechtsprodukte von den vorhergehenden Generationen
unterscheiden. Die Embryogenese aber dieser Geschlechtsthiere
ist dieselbe, wie bei jenen.

Hier sind die Determinanten des reifen Thieres in den
parthenogenetischen Generationen verändert worden, denn die
geschlechtliche Fortpflanzung ist die ursprünglichere. Nehmen
wir also einmal an, die Geschlechtsgeneration sei sich ganz
gleich geblieben seit der Einführung des Generationswechsels

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[235/0259] lungen (Pfützen) leben, wechseln die beiden Arten der Eibildung sehr rasch miteinander ab, weil nur die Wintereier mit ihren dicken Schalen das Aussterben der Kolonie verhindern, falls die Pfütze plötzlich austrocknet, während alle Arten, welche in grossen Wasseransammlungen leben, in Teichen und Seen, die niemals austrocknen, eine grosse Zahl von Generationen hindurch nur Sommereier hervorbringen und erst bei Herannahen des Winters zur Erzeugung der anderen Eiart übergehen, welche auch nach dem Absterben der Kolonie den Bestand derselben durch Überwintern sicher stellen. In ähnlicher Weise wird man es sich vorzustellen haben, wenn die Endstadien der Ontogenese sich verändern. Bei den Blattläusen der Gattung Aphis kommen aus dem befruchteten Ei weibliche, aber zur Begattung unfähige Thiere, da ihnen das zur Befruchtung der Eier unentbehrliche Receptaculum seminis fehlt. Dafür besitzen sie die Fähigkeit, ihre Eier schon im Ovarium auf parthenogenetischem Wege zur Entwickelung zu bringen. Aus ihren Jungen gehen ähn- liche Weibchen ohne Begattungs-Vorrichtung hervor, die wieder ihres Gleichen hervorbringen, zuletzt aber bringt eines dieser durch Parthenogenese entstandenen Weibchen auch wieder durch Parthenogenese zugleich begattungsfähige Weibchen hervor und Männchen, die sich beide meist schon durch Körperform und Farbe, immer aber durch den Bau der Fortpflanzungsorgane und Geschlechtsprodukte von den vorhergehenden Generationen unterscheiden. Die Embryogenese aber dieser Geschlechtsthiere ist dieselbe, wie bei jenen. Hier sind die Determinanten des reifen Thieres in den parthenogenetischen Generationen verändert worden, denn die geschlechtliche Fortpflanzung ist die ursprünglichere. Nehmen wir also einmal an, die Geschlechtsgeneration sei sich ganz gleich geblieben seit der Einführung des Generationswechsels

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/259>, abgerufen am 21.11.2024.