fühlte ich jetzt schon klar und deutlich, mir innerlich stets fremd bleiben mußten, da ich zu sehr verschieden von ihnen war.
Was sollte daraus werden? Vor meinem geistigen Auge entrollte sich eine düstere Zukunft; die trübsten Gedanken stürm- ten auf mich ein. Ich wurde völlig muthlos, bereute bitter den Seemannsberuf erwählt zu haben und mein gepreßtes Herz machte sich in einem Thränenstrome Luft. Doch, dann trat mir wieder vor die Seele, wie mir das alles zu Hause vom Vater vorgestellt, wie nachdrücklich ich von ihm gewarnt war und trotz- dem jeden Hebel angesetzt hatte, um meinen Entschluß zur That zu machen. Nein! Mochte kommen was da wollte -- von Zurücktreten konnte und durfte keine Rede mehr sein. Was ich begonnen, das wollte ich siegreich beenden oder dabei unter- gehen -- das war der Entschluß, den ich, in der stillen Nacht- stunde faßte und durchzuführen mir fest gelobte.
Der andere Morgen fand mich vorbereitet, allem Unge- wohnten und Schweren, das meine neue Laufbahn mit sich brachte, frisch in das Gesicht zu sehen und mich durch nichts entmuthigen zu lassen. Zugleich aber war ich mir auch darüber völlig klar geworden, daß ich am heutigen Tage mit meiner Jugend abgeschlossen hatte. Sie lag mit ihren Freuden, ihrer Poesie, ihren Hoffnungen und Illusionen hinter mir -- vor mir nur das Leben mit seinem Ernst, seiner Arbeit und den strengen mitleidslosen Anforderungen, die es an meine Person stellte.
Nach acht Tagen war das Schiff gekupfert und lief von der Helling ab.
Am andern Tage begann die Beladung des Schiffes, und damit ging seine sonstige Fertigstellung für See Hand in Hand. Darüber verflossen vierzehn Tage und es wurde Anfang October bis wir alles zum Absegeln fertig gemacht hatten. Das nächste Reiseziel war Batavia, ob noch andere Häfen angelaufen werden sollten, blieb vorläufig unbestimmt; aller Wahrscheinlichkeit nach konnte man auf eine Abwesenheit von über einem Jahre rechnen.
Eine erſte Seereiſe
fühlte ich jetzt ſchon klar und deutlich, mir innerlich ſtets fremd bleiben mußten, da ich zu ſehr verſchieden von ihnen war.
Was ſollte daraus werden? Vor meinem geiſtigen Auge entrollte ſich eine düſtere Zukunft; die trübſten Gedanken ſtürm- ten auf mich ein. Ich wurde völlig muthlos, bereute bitter den Seemannsberuf erwählt zu haben und mein gepreßtes Herz machte ſich in einem Thränenſtrome Luft. Doch, dann trat mir wieder vor die Seele, wie mir das alles zu Hauſe vom Vater vorgeſtellt, wie nachdrücklich ich von ihm gewarnt war und trotz- dem jeden Hebel angeſetzt hatte, um meinen Entſchluß zur That zu machen. Nein! Mochte kommen was da wollte — von Zurücktreten konnte und durfte keine Rede mehr ſein. Was ich begonnen, das wollte ich ſiegreich beenden oder dabei unter- gehen — das war der Entſchluß, den ich, in der ſtillen Nacht- ſtunde faßte und durchzuführen mir feſt gelobte.
Der andere Morgen fand mich vorbereitet, allem Unge- wohnten und Schweren, das meine neue Laufbahn mit ſich brachte, friſch in das Geſicht zu ſehen und mich durch nichts entmuthigen zu laſſen. Zugleich aber war ich mir auch darüber völlig klar geworden, daß ich am heutigen Tage mit meiner Jugend abgeſchloſſen hatte. Sie lag mit ihren Freuden, ihrer Poeſie, ihren Hoffnungen und Illuſionen hinter mir — vor mir nur das Leben mit ſeinem Ernſt, ſeiner Arbeit und den ſtrengen mitleidsloſen Anforderungen, die es an meine Perſon ſtellte.
Nach acht Tagen war das Schiff gekupfert und lief von der Helling ab.
Am andern Tage begann die Beladung des Schiffes, und damit ging ſeine ſonſtige Fertigſtellung für See Hand in Hand. Darüber verfloſſen vierzehn Tage und es wurde Anfang October bis wir alles zum Abſegeln fertig gemacht hatten. Das nächſte Reiſeziel war Batavia, ob noch andere Häfen angelaufen werden ſollten, blieb vorläufig unbeſtimmt; aller Wahrſcheinlichkeit nach konnte man auf eine Abweſenheit von über einem Jahre rechnen.
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Eine erſte Seereiſe
fühlte ich jetzt ſchon klar und deutlich, mir innerlich ſtets fremd
bleiben mußten, da ich zu ſehr verſchieden von ihnen war.
Was ſollte daraus werden? Vor meinem geiſtigen Auge
entrollte ſich eine düſtere Zukunft; die trübſten Gedanken ſtürm-
ten auf mich ein. Ich wurde völlig muthlos, bereute bitter
den Seemannsberuf erwählt zu haben und mein gepreßtes Herz
machte ſich in einem Thränenſtrome Luft. Doch, dann trat mir
wieder vor die Seele, wie mir das alles zu Hauſe vom Vater
vorgeſtellt, wie nachdrücklich ich von ihm gewarnt war und trotz-
dem jeden Hebel angeſetzt hatte, um meinen Entſchluß zur
That zu machen. Nein! Mochte kommen was da wollte —
von Zurücktreten konnte und durfte keine Rede mehr ſein. Was
ich begonnen, das wollte ich ſiegreich beenden oder dabei unter-
gehen — das war der Entſchluß, den ich, in der ſtillen Nacht-
ſtunde faßte und durchzuführen mir feſt gelobte.
Der andere Morgen fand mich vorbereitet, allem Unge-
wohnten und Schweren, das meine neue Laufbahn mit ſich
brachte, friſch in das Geſicht zu ſehen und mich durch nichts
entmuthigen zu laſſen. Zugleich aber war ich mir auch darüber
völlig klar geworden, daß ich am heutigen Tage mit meiner
Jugend abgeſchloſſen hatte. Sie lag mit ihren Freuden, ihrer
Poeſie, ihren Hoffnungen und Illuſionen hinter mir — vor mir
nur das Leben mit ſeinem Ernſt, ſeiner Arbeit und den ſtrengen
mitleidsloſen Anforderungen, die es an meine Perſon ſtellte.
Nach acht Tagen war das Schiff gekupfert und lief von
der Helling ab.
Am andern Tage begann die Beladung des Schiffes, und
damit ging ſeine ſonſtige Fertigſtellung für See Hand in Hand.
Darüber verfloſſen vierzehn Tage und es wurde Anfang October
bis wir alles zum Abſegeln fertig gemacht hatten. Das nächſte
Reiſeziel war Batavia, ob noch andere Häfen angelaufen werden
ſollten, blieb vorläufig unbeſtimmt; aller Wahrſcheinlichkeit nach
konnte man auf eine Abweſenheit von über einem Jahre rechnen.
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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