Weitere Bewegungen gab es für sie sonst fast nicht. Der Dienst an Bord ging seinen Gang, aber brachte bei dem Still- liegen natürlich keine Abwechselung. Wir Officiere strebten da- hin, die Schiffe in möglichst gute Ordnung zu bringen und einer dem andern darin den Rang abzulaufen, aber die gleich- förmige Tagesroutine wurde dadurch nicht verändert. Dieses ewige Einerlei konnte weder uns noch den Mannschaften zumal bei den infolge der Verhältnisse sehr herabgestimmten Ansprüchen Befriedigung gewähren und es war daher erklärlich, wenn die Langeweile Blasen trieb.
Eine schwere Aufgabe war unter solchen Umständen die Aufrechterhaltung der Disciplin. Bis zum Jahre 1851 bildete die Disciplinarverordnung für die Reichsmarine unser einziges Machtmittel, um 1500--1600 Mann in Ordnung zu halten. Es konnte weder ein Stand- noch ein Kriegsgericht abgehalten werden, weil es für die Flotte kein Strafgesetzbuch und ebenso- wenig eine Festung, ein Gefängniß oder ein Zuchthaus gab, in dem die zu längeren Freiheitsstrafen Verurtheilten hätten Auf- nahme finden können. Selbst in dieser so höchst wichtigen Beziehung schwebte die arme Marine in der Luft und war auf sich selbst angewiesen, bis endlich um jene Zeit Olden- burg sich erbarmte, sein Militärstrafgesetzbuch einführen ließ und auch der Marine seine Strafanstalten zur Verfügung stellte. Wenn es trotzdem den Officieren gelang, einen guten Geist unter der Mannschaft zu bewahren, jeder Lockerung der Dis- ciplin vorzubeugen und selbst die unbändigsten Elemente zu zügeln, so ist dies gewiß ein sprechendes Zeugniß für ihre moralische Kraft, für den Ernst, mit dem sie ihren schweren Pflichten nachzukommen suchten und für den guten Einfluß, den sie auf die Mannschaften zu üben verstanden.
Im ersten Jahre waren die Schwierigkeiten noch geringer, denn unsere damaligen Besatzungen bestanden aus ganz vorzüg- lichen Leuten, sowol in fachlicher wie in moralischer Beziehung,
Werner
Weitere Bewegungen gab es für ſie ſonſt faſt nicht. Der Dienſt an Bord ging ſeinen Gang, aber brachte bei dem Still- liegen natürlich keine Abwechſelung. Wir Officiere ſtrebten da- hin, die Schiffe in möglichſt gute Ordnung zu bringen und einer dem andern darin den Rang abzulaufen, aber die gleich- förmige Tagesroutine wurde dadurch nicht verändert. Dieſes ewige Einerlei konnte weder uns noch den Mannſchaften zumal bei den infolge der Verhältniſſe ſehr herabgeſtimmten Anſprüchen Befriedigung gewähren und es war daher erklärlich, wenn die Langeweile Blaſen trieb.
Eine ſchwere Aufgabe war unter ſolchen Umſtänden die Aufrechterhaltung der Disciplin. Bis zum Jahre 1851 bildete die Disciplinarverordnung für die Reichsmarine unſer einziges Machtmittel, um 1500—1600 Mann in Ordnung zu halten. Es konnte weder ein Stand- noch ein Kriegsgericht abgehalten werden, weil es für die Flotte kein Strafgeſetzbuch und ebenſo- wenig eine Feſtung, ein Gefängniß oder ein Zuchthaus gab, in dem die zu längeren Freiheitsſtrafen Verurtheilten hätten Auf- nahme finden können. Selbſt in dieſer ſo höchſt wichtigen Beziehung ſchwebte die arme Marine in der Luft und war auf ſich ſelbſt angewieſen, bis endlich um jene Zeit Olden- burg ſich erbarmte, ſein Militärſtrafgeſetzbuch einführen ließ und auch der Marine ſeine Strafanſtalten zur Verfügung ſtellte. Wenn es trotzdem den Officieren gelang, einen guten Geiſt unter der Mannſchaft zu bewahren, jeder Lockerung der Dis- ciplin vorzubeugen und ſelbſt die unbändigſten Elemente zu zügeln, ſo iſt dies gewiß ein ſprechendes Zeugniß für ihre moraliſche Kraft, für den Ernſt, mit dem ſie ihren ſchweren Pflichten nachzukommen ſuchten und für den guten Einfluß, den ſie auf die Mannſchaften zu üben verſtanden.
Im erſten Jahre waren die Schwierigkeiten noch geringer, denn unſere damaligen Beſatzungen beſtanden aus ganz vorzüg- lichen Leuten, ſowol in fachlicher wie in moraliſcher Beziehung,
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Werner
Weitere Bewegungen gab es für ſie ſonſt faſt nicht. Der
Dienſt an Bord ging ſeinen Gang, aber brachte bei dem Still-
liegen natürlich keine Abwechſelung. Wir Officiere ſtrebten da-
hin, die Schiffe in möglichſt gute Ordnung zu bringen und
einer dem andern darin den Rang abzulaufen, aber die gleich-
förmige Tagesroutine wurde dadurch nicht verändert. Dieſes
ewige Einerlei konnte weder uns noch den Mannſchaften zumal
bei den infolge der Verhältniſſe ſehr herabgeſtimmten Anſprüchen
Befriedigung gewähren und es war daher erklärlich, wenn die
Langeweile Blaſen trieb.
Eine ſchwere Aufgabe war unter ſolchen Umſtänden die
Aufrechterhaltung der Disciplin. Bis zum Jahre 1851 bildete
die Disciplinarverordnung für die Reichsmarine unſer einziges
Machtmittel, um 1500—1600 Mann in Ordnung zu halten.
Es konnte weder ein Stand- noch ein Kriegsgericht abgehalten
werden, weil es für die Flotte kein Strafgeſetzbuch und ebenſo-
wenig eine Feſtung, ein Gefängniß oder ein Zuchthaus gab, in
dem die zu längeren Freiheitsſtrafen Verurtheilten hätten Auf-
nahme finden können. Selbſt in dieſer ſo höchſt wichtigen
Beziehung ſchwebte die arme Marine in der Luft und war
auf ſich ſelbſt angewieſen, bis endlich um jene Zeit Olden-
burg ſich erbarmte, ſein Militärſtrafgeſetzbuch einführen ließ
und auch der Marine ſeine Strafanſtalten zur Verfügung ſtellte.
Wenn es trotzdem den Officieren gelang, einen guten Geiſt
unter der Mannſchaft zu bewahren, jeder Lockerung der Dis-
ciplin vorzubeugen und ſelbſt die unbändigſten Elemente zu
zügeln, ſo iſt dies gewiß ein ſprechendes Zeugniß für ihre
moraliſche Kraft, für den Ernſt, mit dem ſie ihren ſchweren
Pflichten nachzukommen ſuchten und für den guten Einfluß, den
ſie auf die Mannſchaften zu üben verſtanden.
Im erſten Jahre waren die Schwierigkeiten noch geringer,
denn unſere damaligen Beſatzungen beſtanden aus ganz vorzüg-
lichen Leuten, ſowol in fachlicher wie in moraliſcher Beziehung,
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/242>, abgerufen am 21.11.2024.
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