Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Werner
sich zwar oft genug sehnte, der einem aber nur höchst selten zu
Theil wurde.

In Seewasser löste sich damals keine Seife, wiewohl man
in letzterer Zeit solche erfunden hat, die es einigermaßen thut,
und von frischem Wasser, wie der Seemann Trinkwasser nennt,
gab es nichts, wenigstens nicht so viel, daß man sich darin
hätte ordentlich waschen können. Sonnabends erhielt Jeder von
uns ein kleines Töpfchen warmes Wasser, etwa 1/4 Liter zum
Rasiren, das war alles. Damit mußte man dann sehr öco-
nomisch umgehen; man reinigte sich so gut wie möglich das
Gesicht und danach gossen fünf bis sechs Mann ihre Portion
zusammen, um es gemeinsam für die Hände zu benützen. Eine
solche Sparsamkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre
Berechtigung. Auf einer Reise nach Ostindien bietet sich für
Segelschiffe fast keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverlust einen
Hafen zur Ergänzung des Trinkwasservorraths anzulaufen. Nur
Madeira liegt für diese Zwecke bequem, aber unsere Schiffs-
rechnung war so aus dem Wege, daß wir es nicht einmal sahen,
und das passirte Handelsschiffen öfter. Sie nahmen deshalb
so viel Vorrath mit sich, wie er für die Reise muthmaßlich aus-
reichte; da diese aber durch unglückliche Zwischenfälle sich statt
der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, so
war bei dem Wasserverbrauch große Vorsicht geboten, um nicht
in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden.
Es war immer schon genug, daß wir nicht auf Ration gesetzt
wurden und immer stets so viel trinken konnten, wie wir wollten.
Der größte Theil der Wasserfässer war auf dem Oberdeck
placirt und der Durstige holte sich daraus seinen Bedarf. Die
Versuchung, davon auch zum Waschen zu nehmen, reizte sehr,
aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes
Unrecht und meines Wissens ist es nie vorgekommen. Mit dem
Trinken, so viel man wollte, war es übrigens gerade zu der
Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den

Werner
ſich zwar oft genug ſehnte, der einem aber nur höchſt ſelten zu
Theil wurde.

In Seewaſſer löſte ſich damals keine Seife, wiewohl man
in letzterer Zeit ſolche erfunden hat, die es einigermaßen thut,
und von friſchem Waſſer, wie der Seemann Trinkwaſſer nennt,
gab es nichts, wenigſtens nicht ſo viel, daß man ſich darin
hätte ordentlich waſchen können. Sonnabends erhielt Jeder von
uns ein kleines Töpfchen warmes Waſſer, etwa ¼ Liter zum
Raſiren, das war alles. Damit mußte man dann ſehr öco-
nomiſch umgehen; man reinigte ſich ſo gut wie möglich das
Geſicht und danach goſſen fünf bis ſechs Mann ihre Portion
zuſammen, um es gemeinſam für die Hände zu benützen. Eine
ſolche Sparſamkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre
Berechtigung. Auf einer Reiſe nach Oſtindien bietet ſich für
Segelſchiffe faſt keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverluſt einen
Hafen zur Ergänzung des Trinkwaſſervorraths anzulaufen. Nur
Madeira liegt für dieſe Zwecke bequem, aber unſere Schiffs-
rechnung war ſo aus dem Wege, daß wir es nicht einmal ſahen,
und das paſſirte Handelsſchiffen öfter. Sie nahmen deshalb
ſo viel Vorrath mit ſich, wie er für die Reiſe muthmaßlich aus-
reichte; da dieſe aber durch unglückliche Zwiſchenfälle ſich ſtatt
der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, ſo
war bei dem Waſſerverbrauch große Vorſicht geboten, um nicht
in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden.
Es war immer ſchon genug, daß wir nicht auf Ration geſetzt
wurden und immer ſtets ſo viel trinken konnten, wie wir wollten.
Der größte Theil der Waſſerfäſſer war auf dem Oberdeck
placirt und der Durſtige holte ſich daraus ſeinen Bedarf. Die
Verſuchung, davon auch zum Waſchen zu nehmen, reizte ſehr,
aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes
Unrecht und meines Wiſſens iſt es nie vorgekommen. Mit dem
Trinken, ſo viel man wollte, war es übrigens gerade zu der
Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="60"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/>
&#x017F;ich zwar oft genug &#x017F;ehnte, der einem aber nur höch&#x017F;t &#x017F;elten zu<lb/>
Theil wurde.</p><lb/>
        <p>In Seewa&#x017F;&#x017F;er lö&#x017F;te &#x017F;ich damals keine Seife, wiewohl man<lb/>
in letzterer Zeit &#x017F;olche erfunden hat, die es einigermaßen thut,<lb/>
und von fri&#x017F;chem Wa&#x017F;&#x017F;er, wie der Seemann Trinkwa&#x017F;&#x017F;er nennt,<lb/>
gab es nichts, wenig&#x017F;tens nicht &#x017F;o viel, daß man &#x017F;ich darin<lb/>
hätte ordentlich wa&#x017F;chen können. Sonnabends erhielt Jeder von<lb/>
uns ein kleines Töpfchen warmes Wa&#x017F;&#x017F;er, etwa ¼ Liter zum<lb/>
Ra&#x017F;iren, das war alles. Damit mußte man dann &#x017F;ehr öco-<lb/>
nomi&#x017F;ch umgehen; man reinigte &#x017F;ich &#x017F;o gut wie möglich das<lb/>
Ge&#x017F;icht und danach go&#x017F;&#x017F;en fünf bis &#x017F;echs Mann ihre Portion<lb/>
zu&#x017F;ammen, um es gemein&#x017F;am für die Hände zu benützen. Eine<lb/>
&#x017F;olche Spar&#x017F;amkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre<lb/>
Berechtigung. Auf einer Rei&#x017F;e nach O&#x017F;tindien bietet &#x017F;ich für<lb/>
Segel&#x017F;chiffe fa&#x017F;t keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverlu&#x017F;t einen<lb/>
Hafen zur Ergänzung des Trinkwa&#x017F;&#x017F;ervorraths anzulaufen. Nur<lb/>
Madeira liegt für die&#x017F;e Zwecke bequem, aber un&#x017F;ere Schiffs-<lb/>
rechnung war &#x017F;o aus dem Wege, daß wir es nicht einmal &#x017F;ahen,<lb/>
und das pa&#x017F;&#x017F;irte Handels&#x017F;chiffen öfter. Sie nahmen deshalb<lb/>
&#x017F;o viel Vorrath mit &#x017F;ich, wie er für die Rei&#x017F;e muthmaßlich aus-<lb/>
reichte; da die&#x017F;e aber durch unglückliche Zwi&#x017F;chenfälle &#x017F;ich &#x017F;tatt<lb/>
der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, &#x017F;o<lb/>
war bei dem Wa&#x017F;&#x017F;erverbrauch große Vor&#x017F;icht geboten, um nicht<lb/>
in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden.<lb/>
Es war immer &#x017F;chon genug, daß wir nicht auf Ration ge&#x017F;etzt<lb/>
wurden und immer &#x017F;tets &#x017F;o viel trinken konnten, wie wir wollten.<lb/>
Der größte Theil der Wa&#x017F;&#x017F;erfä&#x017F;&#x017F;er war auf dem Oberdeck<lb/>
placirt und der Dur&#x017F;tige holte &#x017F;ich daraus &#x017F;einen Bedarf. Die<lb/>
Ver&#x017F;uchung, davon auch zum Wa&#x017F;chen zu nehmen, reizte &#x017F;ehr,<lb/>
aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes<lb/>
Unrecht und meines Wi&#x017F;&#x017F;ens i&#x017F;t es nie vorgekommen. Mit dem<lb/>
Trinken, &#x017F;o viel man wollte, war es übrigens gerade zu der<lb/>
Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[60/0072] Werner ſich zwar oft genug ſehnte, der einem aber nur höchſt ſelten zu Theil wurde. In Seewaſſer löſte ſich damals keine Seife, wiewohl man in letzterer Zeit ſolche erfunden hat, die es einigermaßen thut, und von friſchem Waſſer, wie der Seemann Trinkwaſſer nennt, gab es nichts, wenigſtens nicht ſo viel, daß man ſich darin hätte ordentlich waſchen können. Sonnabends erhielt Jeder von uns ein kleines Töpfchen warmes Waſſer, etwa ¼ Liter zum Raſiren, das war alles. Damit mußte man dann ſehr öco- nomiſch umgehen; man reinigte ſich ſo gut wie möglich das Geſicht und danach goſſen fünf bis ſechs Mann ihre Portion zuſammen, um es gemeinſam für die Hände zu benützen. Eine ſolche Sparſamkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre Berechtigung. Auf einer Reiſe nach Oſtindien bietet ſich für Segelſchiffe faſt keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverluſt einen Hafen zur Ergänzung des Trinkwaſſervorraths anzulaufen. Nur Madeira liegt für dieſe Zwecke bequem, aber unſere Schiffs- rechnung war ſo aus dem Wege, daß wir es nicht einmal ſahen, und das paſſirte Handelsſchiffen öfter. Sie nahmen deshalb ſo viel Vorrath mit ſich, wie er für die Reiſe muthmaßlich aus- reichte; da dieſe aber durch unglückliche Zwiſchenfälle ſich ſtatt der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, ſo war bei dem Waſſerverbrauch große Vorſicht geboten, um nicht in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden. Es war immer ſchon genug, daß wir nicht auf Ration geſetzt wurden und immer ſtets ſo viel trinken konnten, wie wir wollten. Der größte Theil der Waſſerfäſſer war auf dem Oberdeck placirt und der Durſtige holte ſich daraus ſeinen Bedarf. Die Verſuchung, davon auch zum Waſchen zu nehmen, reizte ſehr, aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes Unrecht und meines Wiſſens iſt es nie vorgekommen. Mit dem Trinken, ſo viel man wollte, war es übrigens gerade zu der Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/72
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/72>, abgerufen am 24.11.2024.