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Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874.

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ewiger unruhiger Bewegung, welche sich hauptsächlich in den
rechten Extremitäten und im Gesichte geltend macht. Sie lärmt
fortwährend in lallender unverständlicher Sprache, der Mund wird
geöffnet und geschlossen, ebenso die Augen, die Zunge im Munde
umhergerollt, heraus- und nach den Seiten gestreckt, die Hände
agitiren in der Luft, ihr massloses Gerede mit eben so masslosen
Gesten begleitend, kurz, das Bild einer Besessenen. Meist in
sitzender Stellung, dyspnoisch. Es lässt sich eine frische Fractura
sterni dicht unterhalb des Angulus Ludowici durch abnorme Be-
weglichkeit und Crepitation nachweisen; Bluterguss ins Mediasti-
num, unregelmässige pericarditische Reibungsgeräusche, Arythmie
des Herzens, Radialis von wechselnder Füllung. Gefässe hoch-
gradig atheromatös. Die Haut der linken Mamma bis ums Ster-
num herum ist blutig suffundirt.

Entschieden maniacalische Stimmung. Sie theilt Schläge aus,
schleudert ihr gereichte Gefässe von sich. Sie wird aus dem
Bette heraus genommen und zu gehen genöthigt, dabei sträubt
sie sich heftig und stösst die Wärterinnen mit bedeutender
Kraft von sich. Der Gang, nur unterstützt möglich, gestattet
keinerlei Schluss, weil das Auftreten auf das linke Bein möglichst
vermieden wird.

Die nächsten Tage trat allmähliche Beruhigung und Nach-
lass der dyspnoetischen Erscheinungen ein. Schlaf durch kleine
Dosen Morphium, subcutan Abends hohe (bis 39.5), früh normale
Temperatur. Subjectives Wohlbefinden. Sie wird noch sehr leicht
heftig, ist aber im Allgemeinen gutmüthiger dankbarer Stimmung,
ihre Schleuderbewegungen sind weniger auf bestimmte Ziele ge-
richtet. Beim Versuch zu gehen, der ihr sehr schwer fällt, nehmen
die choreatischen Bewegungen wieder zu. Die choreatischen Be-
wegungen, die im wachen Zustande fast unaufhörlich geschehen,
lassen im Schlafe gänzlich nach und können durch Willensan-
strengung zeitweise überwunden werden.

Seit dem 19. März 1874 kein Fieber. Allgemeinbefinden
vortrefflich. Die dem Mediastinum entsprechende Dämpfung hat
an In- und Extensität abgenommen.

28. März 1874. Gestern Abend erbrochen, dann die Nacht
ruhig verbracht. Heut hat sich das Erbrechen wiederholt; jedoch
hat sie weder über anderweitige Beschwerden geklagt, noch trat
Bewusstlosigkeit ein. Sie ist vollständig sprachlos, bei gutem Be-
wusstsein, zeigt auf ihren Mund, um die Unmöglichkeit zu sprechen

ewiger unruhiger Bewegung, welche sich hauptsächlich in den
rechten Extremitäten und im Gesichte geltend macht. Sie lärmt
fortwährend in lallender unverständlicher Sprache, der Mund wird
geöffnet und geschlossen, ebenso die Augen, die Zunge im Munde
umhergerollt, heraus- und nach den Seiten gestreckt, die Hände
agitiren in der Luft, ihr massloses Gerede mit eben so masslosen
Gesten begleitend, kurz, das Bild einer Besessenen. Meist in
sitzender Stellung, dyspnoisch. Es lässt sich eine frische Fractura
sterni dicht unterhalb des Angulus Ludowici durch abnorme Be-
weglichkeit und Crepitation nachweisen; Bluterguss ins Mediasti-
num, unregelmässige pericarditische Reibungsgeräusche, Arythmie
des Herzens, Radialis von wechselnder Füllung. Gefässe hoch-
gradig atheromatös. Die Haut der linken Mamma bis ums Ster-
num herum ist blutig suffundirt.

Entschieden maniacalische Stimmung. Sie theilt Schläge aus,
schleudert ihr gereichte Gefässe von sich. Sie wird aus dem
Bette heraus genommen und zu gehen genöthigt, dabei sträubt
sie sich heftig und stösst die Wärterinnen mit bedeutender
Kraft von sich. Der Gang, nur unterstützt möglich, gestattet
keinerlei Schluss, weil das Auftreten auf das linke Bein möglichst
vermieden wird.

Die nächsten Tage trat allmähliche Beruhigung und Nach-
lass der dyspnoëtischen Erscheinungen ein. Schlaf durch kleine
Dosen Morphium, subcutan Abends hohe (bis 39.5), früh normale
Temperatur. Subjectives Wohlbefinden. Sie wird noch sehr leicht
heftig, ist aber im Allgemeinen gutmüthiger dankbarer Stimmung,
ihre Schleuderbewegungen sind weniger auf bestimmte Ziele ge-
richtet. Beim Versuch zu gehen, der ihr sehr schwer fällt, nehmen
die choreatischen Bewegungen wieder zu. Die choreatischen Be-
wegungen, die im wachen Zustande fast unaufhörlich geschehen,
lassen im Schlafe gänzlich nach und können durch Willensan-
strengung zeitweise überwunden werden.

Seit dem 19. März 1874 kein Fieber. Allgemeinbefinden
vortrefflich. Die dem Mediastinum entsprechende Dämpfung hat
an In- und Extensität abgenommen.

28. März 1874. Gestern Abend erbrochen, dann die Nacht
ruhig verbracht. Heut hat sich das Erbrechen wiederholt; jedoch
hat sie weder über anderweitige Beschwerden geklagt, noch trat
Bewusstlosigkeit ein. Sie ist vollständig sprachlos, bei gutem Be-
wusstsein, zeigt auf ihren Mund, um die Unmöglichkeit zu sprechen

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[55/0059] ewiger unruhiger Bewegung, welche sich hauptsächlich in den rechten Extremitäten und im Gesichte geltend macht. Sie lärmt fortwährend in lallender unverständlicher Sprache, der Mund wird geöffnet und geschlossen, ebenso die Augen, die Zunge im Munde umhergerollt, heraus- und nach den Seiten gestreckt, die Hände agitiren in der Luft, ihr massloses Gerede mit eben so masslosen Gesten begleitend, kurz, das Bild einer Besessenen. Meist in sitzender Stellung, dyspnoisch. Es lässt sich eine frische Fractura sterni dicht unterhalb des Angulus Ludowici durch abnorme Be- weglichkeit und Crepitation nachweisen; Bluterguss ins Mediasti- num, unregelmässige pericarditische Reibungsgeräusche, Arythmie des Herzens, Radialis von wechselnder Füllung. Gefässe hoch- gradig atheromatös. Die Haut der linken Mamma bis ums Ster- num herum ist blutig suffundirt. Entschieden maniacalische Stimmung. Sie theilt Schläge aus, schleudert ihr gereichte Gefässe von sich. Sie wird aus dem Bette heraus genommen und zu gehen genöthigt, dabei sträubt sie sich heftig und stösst die Wärterinnen mit bedeutender Kraft von sich. Der Gang, nur unterstützt möglich, gestattet keinerlei Schluss, weil das Auftreten auf das linke Bein möglichst vermieden wird. Die nächsten Tage trat allmähliche Beruhigung und Nach- lass der dyspnoëtischen Erscheinungen ein. Schlaf durch kleine Dosen Morphium, subcutan Abends hohe (bis 39.5), früh normale Temperatur. Subjectives Wohlbefinden. Sie wird noch sehr leicht heftig, ist aber im Allgemeinen gutmüthiger dankbarer Stimmung, ihre Schleuderbewegungen sind weniger auf bestimmte Ziele ge- richtet. Beim Versuch zu gehen, der ihr sehr schwer fällt, nehmen die choreatischen Bewegungen wieder zu. Die choreatischen Be- wegungen, die im wachen Zustande fast unaufhörlich geschehen, lassen im Schlafe gänzlich nach und können durch Willensan- strengung zeitweise überwunden werden. Seit dem 19. März 1874 kein Fieber. Allgemeinbefinden vortrefflich. Die dem Mediastinum entsprechende Dämpfung hat an In- und Extensität abgenommen. 28. März 1874. Gestern Abend erbrochen, dann die Nacht ruhig verbracht. Heut hat sich das Erbrechen wiederholt; jedoch hat sie weder über anderweitige Beschwerden geklagt, noch trat Bewusstlosigkeit ein. Sie ist vollständig sprachlos, bei gutem Be- wusstsein, zeigt auf ihren Mund, um die Unmöglichkeit zu sprechen

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Zitationshilfe: Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wernicke_symptomencomplex_1874/59>, abgerufen am 24.11.2024.