Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Spitze bieten, sondern aus dem Wege gehn.
Komm, Brüderchen! nicht eine Minute län-
ger wollen wir die Luft hier athmen, sie
möchte in seiner Lunge gewesen seyn.

Belphegorn fiel der Gehorsam schwer;
aber er erinnerte sich seines Entschlusses und
der Verwünschungen, die er auf die Brechung
desselben gesezt hatte: er nahm also seinen
Abschied und begnügte sich, seinem Zorne un-
terwegs durch Ergießungen gegen seinen Be-
gleiter Luft zu machen.

Da die Tage heiß waren, so nüzten sie
den kühlen Morgen, um sich mit ihrer Reise
desto weniger zu ermüden. Eines Morgens
langten sie bey einem Truppe nicht allzu ho-
her Erlensträuche an, die ein natürliches Ka-
binet bildeten, so einladend, daß man ohne
Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu können
schien: sie sezten sich nieder. Kurz nach ih-
rer Niederlassung zeigte sich ihnen ein Frauen-
zimmmer, das bey ihrer Annäherung einige
Verlegenheit in der Mine verrieth, doch sich
bald wieder faßte und unerschrocken auf sie
zukam. Ohne die geringste Eingangsrede
rief sie sogleich: Belphegor, ich komme nur,

Spitze bieten, ſondern aus dem Wege gehn.
Komm, Bruͤderchen! nicht eine Minute laͤn-
ger wollen wir die Luft hier athmen, ſie
moͤchte in ſeiner Lunge geweſen ſeyn.

Belphegorn fiel der Gehorſam ſchwer;
aber er erinnerte ſich ſeines Entſchluſſes und
der Verwuͤnſchungen, die er auf die Brechung
deſſelben geſezt hatte: er nahm alſo ſeinen
Abſchied und begnuͤgte ſich, ſeinem Zorne un-
terwegs durch Ergießungen gegen ſeinen Be-
gleiter Luft zu machen.

Da die Tage heiß waren, ſo nuͤzten ſie
den kuͤhlen Morgen, um ſich mit ihrer Reiſe
deſto weniger zu ermuͤden. Eines Morgens
langten ſie bey einem Truppe nicht allzu ho-
her Erlenſtraͤuche an, die ein natuͤrliches Ka-
binet bildeten, ſo einladend, daß man ohne
Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu koͤnnen
ſchien: ſie ſezten ſich nieder. Kurz nach ih-
rer Niederlaſſung zeigte ſich ihnen ein Frauen-
zimmmer, das bey ihrer Annaͤherung einige
Verlegenheit in der Mine verrieth, doch ſich
bald wieder faßte und unerſchrocken auf ſie
zukam. Ohne die geringſte Eingangsrede
rief ſie ſogleich: Belphegor, ich komme nur,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0104" n="84"/>
Spitze bieten, &#x017F;ondern aus dem Wege gehn.<lb/>
Komm, Bru&#x0364;derchen! nicht eine Minute la&#x0364;n-<lb/>
ger wollen wir die Luft hier athmen, &#x017F;ie<lb/>
mo&#x0364;chte in &#x017F;einer Lunge gewe&#x017F;en &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Belphegorn fiel der Gehor&#x017F;am &#x017F;chwer;<lb/>
aber er erinnerte &#x017F;ich &#x017F;eines Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es und<lb/>
der Verwu&#x0364;n&#x017F;chungen, die er auf die Brechung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben ge&#x017F;ezt hatte: er nahm al&#x017F;o &#x017F;einen<lb/>
Ab&#x017F;chied und begnu&#x0364;gte &#x017F;ich, &#x017F;einem Zorne un-<lb/>
terwegs durch Ergießungen gegen &#x017F;einen Be-<lb/>
gleiter Luft zu machen.</p><lb/>
        <p>Da die Tage heiß waren, &#x017F;o nu&#x0364;zten &#x017F;ie<lb/>
den ku&#x0364;hlen Morgen, um &#x017F;ich mit ihrer Rei&#x017F;e<lb/>
de&#x017F;to weniger zu ermu&#x0364;den. Eines Morgens<lb/>
langten &#x017F;ie bey einem Truppe nicht allzu ho-<lb/>
her Erlen&#x017F;tra&#x0364;uche an, die ein natu&#x0364;rliches Ka-<lb/>
binet bildeten, &#x017F;o einladend, daß man ohne<lb/>
Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu ko&#x0364;nnen<lb/>
&#x017F;chien: &#x017F;ie &#x017F;ezten &#x017F;ich nieder. Kurz nach ih-<lb/>
rer Niederla&#x017F;&#x017F;ung zeigte &#x017F;ich ihnen ein Frauen-<lb/>
zimmmer, das bey ihrer Anna&#x0364;herung einige<lb/>
Verlegenheit in der Mine verrieth, doch &#x017F;ich<lb/>
bald wieder faßte und uner&#x017F;chrocken auf &#x017F;ie<lb/>
zukam. Ohne die gering&#x017F;te Eingangsrede<lb/>
rief &#x017F;ie &#x017F;ogleich: Belphegor, ich komme nur,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0104] Spitze bieten, ſondern aus dem Wege gehn. Komm, Bruͤderchen! nicht eine Minute laͤn- ger wollen wir die Luft hier athmen, ſie moͤchte in ſeiner Lunge geweſen ſeyn. Belphegorn fiel der Gehorſam ſchwer; aber er erinnerte ſich ſeines Entſchluſſes und der Verwuͤnſchungen, die er auf die Brechung deſſelben geſezt hatte: er nahm alſo ſeinen Abſchied und begnuͤgte ſich, ſeinem Zorne un- terwegs durch Ergießungen gegen ſeinen Be- gleiter Luft zu machen. Da die Tage heiß waren, ſo nuͤzten ſie den kuͤhlen Morgen, um ſich mit ihrer Reiſe deſto weniger zu ermuͤden. Eines Morgens langten ſie bey einem Truppe nicht allzu ho- her Erlenſtraͤuche an, die ein natuͤrliches Ka- binet bildeten, ſo einladend, daß man ohne Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu koͤnnen ſchien: ſie ſezten ſich nieder. Kurz nach ih- rer Niederlaſſung zeigte ſich ihnen ein Frauen- zimmmer, das bey ihrer Annaͤherung einige Verlegenheit in der Mine verrieth, doch ſich bald wieder faßte und unerſchrocken auf ſie zukam. Ohne die geringſte Eingangsrede rief ſie ſogleich: Belphegor, ich komme nur,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/104
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/104>, abgerufen am 23.11.2024.