Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

mich in Verwahrung bringen werde, um
mich die anvertrauten Geheimnisse nicht aus-
schwatzen zu lassen: doch warum entwischte
ich? -- um den schrecklichsten Bedrängnissen
entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich
vom Pöbel fast zerrissen, weil ich mich zu na-
he zum Blute des heil. Januars hinzudräng-
te und beinahe wahrgenommen hätte, daß
man die Leichtgläubigen mit einer Taschen-
spielerey betrog: ich kam eben dort an, als
man einen Hund zum fürchterlichen Exempel
aller Hunde öffentlich enthauptete, weil er
die Gottlosigkeit begangen hatte, ein Kind
umzubringen. Ob ich gleich viel freyes über
diesen Gebrauch sagte, so kam ich doch glück-
lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den
Pöbel klüger zu machen, hätte mich beinahe
ums Leben gebracht. Jch entkam voller Lö-
cher und Wunden vom Wirbel bis auf die
Fußsolen, und gieng nach Venedig, um dort
erdrosselt zu werden. Jch sagte einem No-
bile, dessen Mätresse ich war, daß ich mich
wunderte, wie ein Paar tausend Leute dazu
kämen, so viele Menschen unter sich stolz nie-
derzudrücken, und ihnen allein, mit Ausschlies-
sung aller andern, zu gebieten. Er gab mir

mich in Verwahrung bringen werde, um
mich die anvertrauten Geheimniſſe nicht aus-
ſchwatzen zu laſſen: doch warum entwiſchte
ich? — um den ſchrecklichſten Bedraͤngniſſen
entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich
vom Poͤbel faſt zerriſſen, weil ich mich zu na-
he zum Blute des heil. Januars hinzudraͤng-
te und beinahe wahrgenommen haͤtte, daß
man die Leichtglaͤubigen mit einer Taſchen-
ſpielerey betrog: ich kam eben dort an, als
man einen Hund zum fuͤrchterlichen Exempel
aller Hunde oͤffentlich enthauptete, weil er
die Gottloſigkeit begangen hatte, ein Kind
umzubringen. Ob ich gleich viel freyes uͤber
dieſen Gebrauch ſagte, ſo kam ich doch gluͤck-
lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den
Poͤbel kluͤger zu machen, haͤtte mich beinahe
ums Leben gebracht. Jch entkam voller Loͤ-
cher und Wunden vom Wirbel bis auf die
Fußſolen, und gieng nach Venedig, um dort
erdroſſelt zu werden. Jch ſagte einem No-
bile, deſſen Maͤtreſſe ich war, daß ich mich
wunderte, wie ein Paar tauſend Leute dazu
kaͤmen, ſo viele Menſchen unter ſich ſtolz nie-
derzudruͤcken, und ihnen allein, mit Ausſchlieſ-
ſung aller andern, zu gebieten. Er gab mir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0124" n="104"/>
mich in Verwahrung bringen werde, um<lb/>
mich die anvertrauten Geheimni&#x017F;&#x017F;e nicht aus-<lb/>
&#x017F;chwatzen zu la&#x017F;&#x017F;en: doch warum entwi&#x017F;chte<lb/>
ich? &#x2014; um den &#x017F;chrecklich&#x017F;ten Bedra&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich<lb/>
vom Po&#x0364;bel fa&#x017F;t zerri&#x017F;&#x017F;en, weil ich mich zu na-<lb/>
he zum Blute des heil. Januars hinzudra&#x0364;ng-<lb/>
te und beinahe wahrgenommen ha&#x0364;tte, daß<lb/>
man die Leichtgla&#x0364;ubigen mit einer Ta&#x017F;chen-<lb/>
&#x017F;pielerey betrog: ich kam eben dort an, als<lb/>
man einen Hund zum fu&#x0364;rchterlichen Exempel<lb/>
aller Hunde o&#x0364;ffentlich enthauptete, weil er<lb/>
die Gottlo&#x017F;igkeit begangen hatte, ein Kind<lb/>
umzubringen. Ob ich gleich viel freyes u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;en Gebrauch &#x017F;agte, &#x017F;o kam ich doch glu&#x0364;ck-<lb/>
lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den<lb/>
Po&#x0364;bel klu&#x0364;ger zu machen, ha&#x0364;tte mich beinahe<lb/>
ums Leben gebracht. Jch entkam voller Lo&#x0364;-<lb/>
cher und Wunden vom Wirbel bis auf die<lb/>
Fuß&#x017F;olen, und gieng nach Venedig, um dort<lb/>
erdro&#x017F;&#x017F;elt zu werden. Jch &#x017F;agte einem No-<lb/>
bile, de&#x017F;&#x017F;en Ma&#x0364;tre&#x017F;&#x017F;e ich war, daß ich mich<lb/>
wunderte, wie ein Paar tau&#x017F;end Leute dazu<lb/>
ka&#x0364;men, &#x017F;o viele Men&#x017F;chen unter &#x017F;ich &#x017F;tolz nie-<lb/>
derzudru&#x0364;cken, und ihnen allein, mit Aus&#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung aller andern, zu gebieten. Er gab mir<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0124] mich in Verwahrung bringen werde, um mich die anvertrauten Geheimniſſe nicht aus- ſchwatzen zu laſſen: doch warum entwiſchte ich? — um den ſchrecklichſten Bedraͤngniſſen entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich vom Poͤbel faſt zerriſſen, weil ich mich zu na- he zum Blute des heil. Januars hinzudraͤng- te und beinahe wahrgenommen haͤtte, daß man die Leichtglaͤubigen mit einer Taſchen- ſpielerey betrog: ich kam eben dort an, als man einen Hund zum fuͤrchterlichen Exempel aller Hunde oͤffentlich enthauptete, weil er die Gottloſigkeit begangen hatte, ein Kind umzubringen. Ob ich gleich viel freyes uͤber dieſen Gebrauch ſagte, ſo kam ich doch gluͤck- lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den Poͤbel kluͤger zu machen, haͤtte mich beinahe ums Leben gebracht. Jch entkam voller Loͤ- cher und Wunden vom Wirbel bis auf die Fußſolen, und gieng nach Venedig, um dort erdroſſelt zu werden. Jch ſagte einem No- bile, deſſen Maͤtreſſe ich war, daß ich mich wunderte, wie ein Paar tauſend Leute dazu kaͤmen, ſo viele Menſchen unter ſich ſtolz nie- derzudruͤcken, und ihnen allein, mit Ausſchlieſ- ſung aller andern, zu gebieten. Er gab mir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/124
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/124>, abgerufen am 23.11.2024.