Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

schrak bis zur Ohnmacht. Man suchte sie zu
beruhigen, als man aus einem Winkel der
Stube eine schnelle Bewegung und darauf
das Röcheln eines Sterbenden vernehmlich
hörte.

Belphegor rennte sogleich nach dem Orte
zu, indessen daß Medardus sich mit der Be-
ruhigung der Wirthinn beschäftigte. Jener
eröffnete ein nicht allzugroßes Gefäß, aus
welchem ihm der Schall zu dringen schien,
und entdeckte voller Entsetzen darinne einen
Knaben, der in seinem Blute schwamm und
mit dem Tode rang. Er wußte vor Bestür-
zung nicht, was er zuerst thun sollte, bald
griff er nach dem sterbenden Knaben, ihn her-
auszuziehn, bald sezte er sich in Positur, zur
Französinn zu laufen, bald wollte er jenem
helfen, bald diese zur Rechenschaft ziehn.
Unter dem Gewühle eines so vielfachen Wol-
lens und der höchsten Unentschlossenheit, faß-
te er endlich plözlich die kürzeste Partie und
zog den von Blute triefenden Jüngling her-
aus, der unter fürchterlichen Konvulsionen
in seinen Händen das Leben ausbließ. Die
Rettung war also unmöglich, und Belphe-
gor, der die Französinn völlig im Verdachte

ſchrak bis zur Ohnmacht. Man ſuchte ſie zu
beruhigen, als man aus einem Winkel der
Stube eine ſchnelle Bewegung und darauf
das Roͤcheln eines Sterbenden vernehmlich
hoͤrte.

Belphegor rennte ſogleich nach dem Orte
zu, indeſſen daß Medardus ſich mit der Be-
ruhigung der Wirthinn beſchaͤftigte. Jener
eroͤffnete ein nicht allzugroßes Gefaͤß, aus
welchem ihm der Schall zu dringen ſchien,
und entdeckte voller Entſetzen darinne einen
Knaben, der in ſeinem Blute ſchwamm und
mit dem Tode rang. Er wußte vor Beſtuͤr-
zung nicht, was er zuerſt thun ſollte, bald
griff er nach dem ſterbenden Knaben, ihn her-
auszuziehn, bald ſezte er ſich in Poſitur, zur
Franzoͤſinn zu laufen, bald wollte er jenem
helfen, bald dieſe zur Rechenſchaft ziehn.
Unter dem Gewuͤhle eines ſo vielfachen Wol-
lens und der hoͤchſten Unentſchloſſenheit, faß-
te er endlich ploͤzlich die kuͤrzeſte Partie und
zog den von Blute triefenden Juͤngling her-
aus, der unter fuͤrchterlichen Konvulſionen
in ſeinen Haͤnden das Leben ausbließ. Die
Rettung war alſo unmoͤglich, und Belphe-
gor, der die Franzoͤſinn voͤllig im Verdachte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="123"/>
&#x017F;chrak bis zur Ohnmacht. Man &#x017F;uchte &#x017F;ie zu<lb/>
beruhigen, als man aus einem Winkel der<lb/>
Stube eine &#x017F;chnelle Bewegung und darauf<lb/>
das Ro&#x0364;cheln eines Sterbenden vernehmlich<lb/>
ho&#x0364;rte.</p><lb/>
        <p>Belphegor rennte &#x017F;ogleich nach dem Orte<lb/>
zu, inde&#x017F;&#x017F;en daß Medardus &#x017F;ich mit der Be-<lb/>
ruhigung der Wirthinn be&#x017F;cha&#x0364;ftigte. Jener<lb/>
ero&#x0364;ffnete ein nicht allzugroßes Gefa&#x0364;ß, aus<lb/>
welchem ihm der Schall zu dringen &#x017F;chien,<lb/>
und entdeckte voller Ent&#x017F;etzen darinne einen<lb/>
Knaben, der in &#x017F;einem Blute &#x017F;chwamm und<lb/>
mit dem Tode rang. Er wußte vor Be&#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
zung nicht, was er zuer&#x017F;t thun &#x017F;ollte, bald<lb/>
griff er nach dem &#x017F;terbenden Knaben, ihn her-<lb/>
auszuziehn, bald &#x017F;ezte er &#x017F;ich in Po&#x017F;itur, zur<lb/>
Franzo&#x0364;&#x017F;inn zu laufen, bald wollte er jenem<lb/>
helfen, bald die&#x017F;e zur Rechen&#x017F;chaft ziehn.<lb/>
Unter dem Gewu&#x0364;hle eines &#x017F;o vielfachen Wol-<lb/>
lens und der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Unent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit, faß-<lb/>
te er endlich plo&#x0364;zlich die ku&#x0364;rze&#x017F;te Partie und<lb/>
zog den von Blute triefenden Ju&#x0364;ngling her-<lb/>
aus, der unter fu&#x0364;rchterlichen Konvul&#x017F;ionen<lb/>
in &#x017F;einen Ha&#x0364;nden das Leben ausbließ. Die<lb/>
Rettung war al&#x017F;o unmo&#x0364;glich, und Belphe-<lb/>
gor, der die Franzo&#x0364;&#x017F;inn vo&#x0364;llig im Verdachte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0143] ſchrak bis zur Ohnmacht. Man ſuchte ſie zu beruhigen, als man aus einem Winkel der Stube eine ſchnelle Bewegung und darauf das Roͤcheln eines Sterbenden vernehmlich hoͤrte. Belphegor rennte ſogleich nach dem Orte zu, indeſſen daß Medardus ſich mit der Be- ruhigung der Wirthinn beſchaͤftigte. Jener eroͤffnete ein nicht allzugroßes Gefaͤß, aus welchem ihm der Schall zu dringen ſchien, und entdeckte voller Entſetzen darinne einen Knaben, der in ſeinem Blute ſchwamm und mit dem Tode rang. Er wußte vor Beſtuͤr- zung nicht, was er zuerſt thun ſollte, bald griff er nach dem ſterbenden Knaben, ihn her- auszuziehn, bald ſezte er ſich in Poſitur, zur Franzoͤſinn zu laufen, bald wollte er jenem helfen, bald dieſe zur Rechenſchaft ziehn. Unter dem Gewuͤhle eines ſo vielfachen Wol- lens und der hoͤchſten Unentſchloſſenheit, faß- te er endlich ploͤzlich die kuͤrzeſte Partie und zog den von Blute triefenden Juͤngling her- aus, der unter fuͤrchterlichen Konvulſionen in ſeinen Haͤnden das Leben ausbließ. Die Rettung war alſo unmoͤglich, und Belphe- gor, der die Franzoͤſinn voͤllig im Verdachte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/143
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/143>, abgerufen am 23.11.2024.