Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

tzeln? Sie wollten das Joch abwerfen, das
schändlichste Joch der Unterdrückung, und ihr
straft sie, daß sie eine Freiheit zu erkämpfen
suchten, die ihnen die Natur so gut als euch
gab, und die ihr ihnen entrisset! Schande!
ewige Schande für die Menschheit, daß sie
ihr Wohlseyn auf den Untergang etlicher
Schwachen aufbaut.

Der Richter, der kaltblütigste Mann, der
auf einem Richterstuhle gesessen hat, antwor-
tete ihm zur Kurzweile ganz trocken: wer hat
ihnen denn etwas unrechtes zugemuthet? Es
blieb ja alles bey dem Alten. --

Ja, unterbrach ihn Belphegor, bey der
alten Unterdrückung! Unsre Vorfahren in
dem unseligsten Stande der Wildheit über-
wältigten die Väter dieser Elenden und leg-
ten ihnen das barbarischste Joch auf; und
wir, die wir jene Zeiten mit der stolzesten
Verachtung unter uns herabsetzen, wir - - - *)

*) Nichts muß für einen Mann, der denkt und
empfindet und also die mannichfaltigen Reste
der Barbarey in unserm Zeitalter nicht ohne
widriges Gefühl betrachten kann, aufrichtender
seyn und seinen Blick in die Zukunft froher

tzeln? Sie wollten das Joch abwerfen, das
ſchaͤndlichſte Joch der Unterdruͤckung, und ihr
ſtraft ſie, daß ſie eine Freiheit zu erkaͤmpfen
ſuchten, die ihnen die Natur ſo gut als euch
gab, und die ihr ihnen entriſſet! Schande!
ewige Schande fuͤr die Menſchheit, daß ſie
ihr Wohlſeyn auf den Untergang etlicher
Schwachen aufbaut.

Der Richter, der kaltbluͤtigſte Mann, der
auf einem Richterſtuhle geſeſſen hat, antwor-
tete ihm zur Kurzweile ganz trocken: wer hat
ihnen denn etwas unrechtes zugemuthet? Es
blieb ja alles bey dem Alten. —

Ja, unterbrach ihn Belphegor, bey der
alten Unterdruͤckung! Unſre Vorfahren in
dem unſeligſten Stande der Wildheit uͤber-
waͤltigten die Vaͤter dieſer Elenden und leg-
ten ihnen das barbariſchſte Joch auf; und
wir, die wir jene Zeiten mit der ſtolzeſten
Verachtung unter uns herabſetzen, wir ‒ ‒ ‒ *)

*) Nichts muß fuͤr einen Mann, der denkt und
empfindet und alſo die mannichfaltigen Reſte
der Barbarey in unſerm Zeitalter nicht ohne
widriges Gefuͤhl betrachten kann, aufrichtender
ſeyn und ſeinen Blick in die Zukunft froher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="47"/>
tzeln? Sie wollten das Joch abwerfen, das<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ndlich&#x017F;te Joch der Unterdru&#x0364;ckung, und ihr<lb/>
&#x017F;traft &#x017F;ie, daß &#x017F;ie eine Freiheit zu erka&#x0364;mpfen<lb/>
&#x017F;uchten, die ihnen die Natur &#x017F;o gut als euch<lb/>
gab, und die ihr ihnen entri&#x017F;&#x017F;et! Schande!<lb/>
ewige Schande fu&#x0364;r die Men&#x017F;chheit, daß &#x017F;ie<lb/>
ihr Wohl&#x017F;eyn auf den Untergang etlicher<lb/>
Schwachen aufbaut.</p><lb/>
        <p>Der Richter, der kaltblu&#x0364;tig&#x017F;te Mann, der<lb/>
auf einem Richter&#x017F;tuhle ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hat, antwor-<lb/>
tete ihm zur Kurzweile ganz trocken: wer hat<lb/>
ihnen denn etwas unrechtes zugemuthet? Es<lb/>
blieb ja alles bey dem Alten. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ja, unterbrach ihn Belphegor, bey der<lb/>
alten Unterdru&#x0364;ckung! Un&#x017F;re Vorfahren in<lb/>
dem un&#x017F;elig&#x017F;ten Stande der Wildheit u&#x0364;ber-<lb/>
wa&#x0364;ltigten die Va&#x0364;ter die&#x017F;er Elenden und leg-<lb/>
ten ihnen das barbari&#x017F;ch&#x017F;te Joch auf; und<lb/>
wir, die wir jene Zeiten mit der &#x017F;tolze&#x017F;ten<lb/>
Verachtung unter uns herab&#x017F;etzen, wir &#x2012; &#x2012; &#x2012; <note xml:id="f01" next="#f02" place="foot" n="*)">Nichts muß fu&#x0364;r einen Mann, der denkt und<lb/>
empfindet und al&#x017F;o die mannichfaltigen Re&#x017F;te<lb/>
der Barbarey in un&#x017F;erm Zeitalter nicht ohne<lb/>
widriges Gefu&#x0364;hl betrachten kann, aufrichtender<lb/>
&#x017F;eyn und &#x017F;einen Blick in die Zukunft froher</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0067] tzeln? Sie wollten das Joch abwerfen, das ſchaͤndlichſte Joch der Unterdruͤckung, und ihr ſtraft ſie, daß ſie eine Freiheit zu erkaͤmpfen ſuchten, die ihnen die Natur ſo gut als euch gab, und die ihr ihnen entriſſet! Schande! ewige Schande fuͤr die Menſchheit, daß ſie ihr Wohlſeyn auf den Untergang etlicher Schwachen aufbaut. Der Richter, der kaltbluͤtigſte Mann, der auf einem Richterſtuhle geſeſſen hat, antwor- tete ihm zur Kurzweile ganz trocken: wer hat ihnen denn etwas unrechtes zugemuthet? Es blieb ja alles bey dem Alten. — Ja, unterbrach ihn Belphegor, bey der alten Unterdruͤckung! Unſre Vorfahren in dem unſeligſten Stande der Wildheit uͤber- waͤltigten die Vaͤter dieſer Elenden und leg- ten ihnen das barbariſchſte Joch auf; und wir, die wir jene Zeiten mit der ſtolzeſten Verachtung unter uns herabſetzen, wir ‒ ‒ ‒ *) *) Nichts muß fuͤr einen Mann, der denkt und empfindet und alſo die mannichfaltigen Reſte der Barbarey in unſerm Zeitalter nicht ohne widriges Gefuͤhl betrachten kann, aufrichtender ſeyn und ſeinen Blick in die Zukunft froher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/67
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/67>, abgerufen am 23.11.2024.