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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Unglückseligkeiten meiner Familie abgehärtet,
als ich plötzlich die entsetzlichste Nachricht er-
hielt, daß meine Frau und Kinder in dem
Gefängnisse neben mir schmachteten. Auf ein-
mal stürzten alle meine schlafenden Empfin-
dungen, wie ein Donnerwetter, über mich
her und warfen Besonnenheit, Leben und
alle Kräfte darnieder: ohnmächtig lag ich
da, und mein Wärter hielt mich für todt.

Als ich wieder zu mir zurückkam, ver-
langte ich nichts so angelegentlich, als meine
Familie ein einziges Mal zu umarmen und
dann zu sterben: diese Güte war zu groß,
um sie mir nicht zu verweigern: meine
grausamen Richter schlugen sie nicht allein
ab, sondern setzten sogar die grausame Be-
dingung hinzu, daß ich, um sie nur zu sehn,
um nicht sie und mich auf ewig den Ketten
zu überliefern, in vier und zwanzig Stun-
den das Bekenntniß meiner Väter abschwö-
ren und in den Schoos der Kirche, dieser
verfolgenden Kirche, als in den Schoos
einer Mutter zurückgehn müßte. Alles setzte
mir zu, eine Heucheley zu begehn, um einer
Grausamkeit auszuweichen. Ich überlegte

und
G

Ungluͤckſeligkeiten meiner Familie abgehaͤrtet,
als ich ploͤtzlich die entſetzlichſte Nachricht er-
hielt, daß meine Frau und Kinder in dem
Gefaͤngniſſe neben mir ſchmachteten. Auf ein-
mal ſtuͤrzten alle meine ſchlafenden Empfin-
dungen, wie ein Donnerwetter, uͤber mich
her und warfen Beſonnenheit, Leben und
alle Kraͤfte darnieder: ohnmaͤchtig lag ich
da, und mein Waͤrter hielt mich fuͤr todt.

Als ich wieder zu mir zuruͤckkam, ver-
langte ich nichts ſo angelegentlich, als meine
Familie ein einziges Mal zu umarmen und
dann zu ſterben: dieſe Guͤte war zu groß,
um ſie mir nicht zu verweigern: meine
grauſamen Richter ſchlugen ſie nicht allein
ab, ſondern ſetzten ſogar die grauſame Be-
dingung hinzu, daß ich, um ſie nur zu ſehn,
um nicht ſie und mich auf ewig den Ketten
zu uͤberliefern, in vier und zwanzig Stun-
den das Bekenntniß meiner Vaͤter abſchwoͤ-
ren und in den Schoos der Kirche, dieſer
verfolgenden Kirche, als in den Schoos
einer Mutter zuruͤckgehn muͤßte. Alles ſetzte
mir zu, eine Heucheley zu begehn, um einer
Grauſamkeit auszuweichen. Ich uͤberlegte

und
G
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[95/0101] Ungluͤckſeligkeiten meiner Familie abgehaͤrtet, als ich ploͤtzlich die entſetzlichſte Nachricht er- hielt, daß meine Frau und Kinder in dem Gefaͤngniſſe neben mir ſchmachteten. Auf ein- mal ſtuͤrzten alle meine ſchlafenden Empfin- dungen, wie ein Donnerwetter, uͤber mich her und warfen Beſonnenheit, Leben und alle Kraͤfte darnieder: ohnmaͤchtig lag ich da, und mein Waͤrter hielt mich fuͤr todt. Als ich wieder zu mir zuruͤckkam, ver- langte ich nichts ſo angelegentlich, als meine Familie ein einziges Mal zu umarmen und dann zu ſterben: dieſe Guͤte war zu groß, um ſie mir nicht zu verweigern: meine grauſamen Richter ſchlugen ſie nicht allein ab, ſondern ſetzten ſogar die grauſame Be- dingung hinzu, daß ich, um ſie nur zu ſehn, um nicht ſie und mich auf ewig den Ketten zu uͤberliefern, in vier und zwanzig Stun- den das Bekenntniß meiner Vaͤter abſchwoͤ- ren und in den Schoos der Kirche, dieſer verfolgenden Kirche, als in den Schoos einer Mutter zuruͤckgehn muͤßte. Alles ſetzte mir zu, eine Heucheley zu begehn, um einer Grauſamkeit auszuweichen. Ich uͤberlegte und G

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/101>, abgerufen am 22.12.2024.