der um mich herum sich zerfleischten, erwürg- ten, elend machten, daß sie, wie Raubthiere, einander aufrieben, eins der entschloßne Feind des andern war und nur Gelegenhei- ten, untriftige Gelegenheiten ablauerte, um die Feindschaft in Thätlichkeit ausbrechen zu lassen -- die noch schwärzere Vorstel- lung, daß dies der ewige Lauf der Mensch- heit gewesen war, womit sich tausend andre Ideen vergesellschafteten, die mir dieses Leben und unsern ganzen Planeten wild, öde, düster, neblicht abmalten -- ein Ge- mälde, das nicht bloß in meiner Einbil- dungskraft wohnte, sondern das ich in der Wirklichkeit um mich, hinter und vor mir erblickte, so bald ich nur Einen Blick aus mir selbst that! -- alle diese melancholi- schen Gedanken machten meine längstgefaßte Neigung zur Einsamkeit wirksam: ich be- schloß, außer der Welt zu seyn, bloß in meiner Einbildungskraft zu existiren, für mich und meine Familie zu leben. Ich un- ternahm mit einem Kaufmanne, der Ge- schäfte in Persien hatte, die Reise, suchte den abgelegensten Winkel und suchte so lange, bis ich diesen Plaz fand, wo mein
Haupt
G 3
der um mich herum ſich zerfleiſchten, erwuͤrg- ten, elend machten, daß ſie, wie Raubthiere, einander aufrieben, eins der entſchloßne Feind des andern war und nur Gelegenhei- ten, untriftige Gelegenheiten ablauerte, um die Feindſchaft in Thaͤtlichkeit ausbrechen zu laſſen — die noch ſchwaͤrzere Vorſtel- lung, daß dies der ewige Lauf der Menſch- heit geweſen war, womit ſich tauſend andre Ideen vergeſellſchafteten, die mir dieſes Leben und unſern ganzen Planeten wild, oͤde, duͤſter, neblicht abmalten — ein Ge- maͤlde, das nicht bloß in meiner Einbil- dungskraft wohnte, ſondern das ich in der Wirklichkeit um mich, hinter und vor mir erblickte, ſo bald ich nur Einen Blick aus mir ſelbſt that! — alle dieſe melancholi- ſchen Gedanken machten meine laͤngſtgefaßte Neigung zur Einſamkeit wirkſam: ich be- ſchloß, außer der Welt zu ſeyn, bloß in meiner Einbildungskraft zu exiſtiren, fuͤr mich und meine Familie zu leben. Ich un- ternahm mit einem Kaufmanne, der Ge- ſchaͤfte in Perſien hatte, die Reiſe, ſuchte den abgelegenſten Winkel und ſuchte ſo lange, bis ich dieſen Plaz fand, wo mein
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der um mich herum ſich zerfleiſchten, erwuͤrg-
ten, elend machten, daß ſie, wie Raubthiere,
einander aufrieben, eins der entſchloßne
Feind des andern war und nur Gelegenhei-
ten, untriftige Gelegenheiten ablauerte, um
die Feindſchaft in Thaͤtlichkeit ausbrechen
zu laſſen — die noch ſchwaͤrzere Vorſtel-
lung, daß dies der ewige Lauf der Menſch-
heit geweſen war, womit ſich tauſend andre
Ideen vergeſellſchafteten, die mir dieſes
Leben und unſern ganzen Planeten wild,
oͤde, duͤſter, neblicht abmalten — ein Ge-
maͤlde, das nicht bloß in meiner Einbil-
dungskraft wohnte, ſondern das ich in der
Wirklichkeit um mich, hinter und vor mir
erblickte, ſo bald ich nur Einen Blick aus
mir ſelbſt that! — alle dieſe melancholi-
ſchen Gedanken machten meine laͤngſtgefaßte
Neigung zur Einſamkeit wirkſam: ich be-
ſchloß, außer der Welt zu ſeyn, bloß in
meiner Einbildungskraft zu exiſtiren, fuͤr
mich und meine Familie zu leben. Ich un-
ternahm mit einem Kaufmanne, der Ge-
ſchaͤfte in Perſien hatte, die Reiſe, ſuchte
den abgelegenſten Winkel und ſuchte ſo
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/105>, abgerufen am 22.12.2024.
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