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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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schwärme mit dir in bilderreichem Nachden-
ken und süßen Grillen herum; wir träumen
wachend über unser Selbst, du lehrst mich
deine alte Erfahrung, wir leben in uns,
mit uns, und denken nicht Eine Minute dar-
an, ob Kreaturen, die sich mit uns zu Ei-
ner Art rechnen, außer unsern Bergen ein-
ander zerfleischen, würgen, braten, rösten,
essen. Wehe euch, ihr Freunde, daß ihr
noch auf der ofnen See der Welt herumge-
worfen werdet, noch nicht wenigstens eine
kleine Bucht gefunden habt, die euch vor
den Gefahren sicherte, wenn ihr gleich das
tolle Spiel der Welt mit ansehn müßtet. --
O wüßtet ihr, welchen Hafen ich hier ent-
deckt habe, der mich vor Stürmen, selbst
vor dem Anblicke der Stürme verbirgt, wie
würdet ihr über mein Glück frohlocken und
eilen, es mit zugenießen! Kommt, kommt!
Meine Arme sind offen, weit ausgebreitet,
euch zu empfangen! Hier wollen wir in seli-
ger Entzückung, wie gekrönte Streiter, die
Wunden zählen, die wir erfochten haben. --

Die Freude riß ihn so heftig hin, daß er
den Alten umarmte, küßte und nicht aus
seinen Armen lassen wollte. Mitten unter

diesen

ſchwaͤrme mit dir in bilderreichem Nachden-
ken und ſuͤßen Grillen herum; wir traͤumen
wachend uͤber unſer Selbſt, du lehrſt mich
deine alte Erfahrung, wir leben in uns,
mit uns, und denken nicht Eine Minute dar-
an, ob Kreaturen, die ſich mit uns zu Ei-
ner Art rechnen, außer unſern Bergen ein-
ander zerfleiſchen, wuͤrgen, braten, roͤſten,
eſſen. Wehe euch, ihr Freunde, daß ihr
noch auf der ofnen See der Welt herumge-
worfen werdet, noch nicht wenigſtens eine
kleine Bucht gefunden habt, die euch vor
den Gefahren ſicherte, wenn ihr gleich das
tolle Spiel der Welt mit anſehn muͤßtet. —
O wuͤßtet ihr, welchen Hafen ich hier ent-
deckt habe, der mich vor Stuͤrmen, ſelbſt
vor dem Anblicke der Stuͤrme verbirgt, wie
wuͤrdet ihr uͤber mein Gluͤck frohlocken und
eilen, es mit zugenießen! Kommt, kommt!
Meine Arme ſind offen, weit ausgebreitet,
euch zu empfangen! Hier wollen wir in ſeli-
ger Entzuͤckung, wie gekroͤnte Streiter, die
Wunden zaͤhlen, die wir erfochten haben. —

Die Freude riß ihn ſo heftig hin, daß er
den Alten umarmte, kuͤßte und nicht aus
ſeinen Armen laſſen wollte. Mitten unter

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[106/0112] ſchwaͤrme mit dir in bilderreichem Nachden- ken und ſuͤßen Grillen herum; wir traͤumen wachend uͤber unſer Selbſt, du lehrſt mich deine alte Erfahrung, wir leben in uns, mit uns, und denken nicht Eine Minute dar- an, ob Kreaturen, die ſich mit uns zu Ei- ner Art rechnen, außer unſern Bergen ein- ander zerfleiſchen, wuͤrgen, braten, roͤſten, eſſen. Wehe euch, ihr Freunde, daß ihr noch auf der ofnen See der Welt herumge- worfen werdet, noch nicht wenigſtens eine kleine Bucht gefunden habt, die euch vor den Gefahren ſicherte, wenn ihr gleich das tolle Spiel der Welt mit anſehn muͤßtet. — O wuͤßtet ihr, welchen Hafen ich hier ent- deckt habe, der mich vor Stuͤrmen, ſelbſt vor dem Anblicke der Stuͤrme verbirgt, wie wuͤrdet ihr uͤber mein Gluͤck frohlocken und eilen, es mit zugenießen! Kommt, kommt! Meine Arme ſind offen, weit ausgebreitet, euch zu empfangen! Hier wollen wir in ſeli- ger Entzuͤckung, wie gekroͤnte Streiter, die Wunden zaͤhlen, die wir erfochten haben. — Die Freude riß ihn ſo heftig hin, daß er den Alten umarmte, kuͤßte und nicht aus ſeinen Armen laſſen wollte. Mitten unter dieſen

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/112>, abgerufen am 22.12.2024.