dem vorhandnen Vorrathe beladen und aus den Gebürgen hinausbringen sollte. -- Al- lein, sprach er endlich unmuthsvoll, ob mich der Hunger oder die Menschen tödten! Sollte ich ihrer Grausamkeit gar den Gefal- len erzeigen und mich von ihnen umbringen lassen? Nein, hier sterbe ich! Hier, Tod, erwarte ich deinen hülfreichen Schlag! --
Mit dieser Entschließung setzte er sich un- ter einen Baum und wartete voller Verlan- gen auf den Tod. Mitten unter seinen Erwartungen hörte er das Geräusche eines Fußtrittes, hielt es für einen Feind, und weil er schlechterdings nicht von Men- schenhänden umgebracht seyn wollte, so sprang er auf und floh. Der andre sezte ihm nach und erhaschte ihn: in der ersten Hitze, ehe sie einander erkannten, thaten sie sich ein Paar Feindseligkeiten an, und wur- den endlich zu ihrem Leidwesen gewahr, daß sie sich unnöthige Wunden gemacht hatten. Es war einer von der Kolonie des Derwi- sches, der Belphegorn bey diesem gesehn hatte und also wohl schließen konnte, daß ihn Eine Ursache mit ihm in die Flucht ge- trieben habe. Sie verständigten sich hier.
über,
dem vorhandnen Vorrathe beladen und aus den Gebuͤrgen hinausbringen ſollte. — Al- lein, ſprach er endlich unmuthsvoll, ob mich der Hunger oder die Menſchen toͤdten! Sollte ich ihrer Grauſamkeit gar den Gefal- len erzeigen und mich von ihnen umbringen laſſen? Nein, hier ſterbe ich! Hier, Tod, erwarte ich deinen huͤlfreichen Schlag! —
Mit dieſer Entſchließung ſetzte er ſich un- ter einen Baum und wartete voller Verlan- gen auf den Tod. Mitten unter ſeinen Erwartungen hoͤrte er das Geraͤuſche eines Fußtrittes, hielt es fuͤr einen Feind, und weil er ſchlechterdings nicht von Men- ſchenhaͤnden umgebracht ſeyn wollte, ſo ſprang er auf und floh. Der andre ſezte ihm nach und erhaſchte ihn: in der erſten Hitze, ehe ſie einander erkannten, thaten ſie ſich ein Paar Feindſeligkeiten an, und wur- den endlich zu ihrem Leidweſen gewahr, daß ſie ſich unnoͤthige Wunden gemacht hatten. Es war einer von der Kolonie des Derwi- ſches, der Belphegorn bey dieſem geſehn hatte und alſo wohl ſchließen konnte, daß ihn Eine Urſache mit ihm in die Flucht ge- trieben habe. Sie verſtaͤndigten ſich hier.
uͤber,
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dem vorhandnen Vorrathe beladen und aus
den Gebuͤrgen hinausbringen ſollte. — Al-
lein, ſprach er endlich unmuthsvoll, ob
mich der Hunger oder die Menſchen toͤdten!
Sollte ich ihrer Grauſamkeit gar den Gefal-
len erzeigen und mich von ihnen umbringen
laſſen? Nein, hier ſterbe ich! Hier, Tod,
erwarte ich deinen huͤlfreichen Schlag! —
Mit dieſer Entſchließung ſetzte er ſich un-
ter einen Baum und wartete voller Verlan-
gen auf den Tod. Mitten unter ſeinen
Erwartungen hoͤrte er das Geraͤuſche
eines Fußtrittes, hielt es fuͤr einen Feind,
und weil er ſchlechterdings nicht von Men-
ſchenhaͤnden umgebracht ſeyn wollte, ſo
ſprang er auf und floh. Der andre ſezte
ihm nach und erhaſchte ihn: in der erſten
Hitze, ehe ſie einander erkannten, thaten ſie
ſich ein Paar Feindſeligkeiten an, und wur-
den endlich zu ihrem Leidweſen gewahr, daß
ſie ſich unnoͤthige Wunden gemacht hatten.
Es war einer von der Kolonie des Derwi-
ſches, der Belphegorn bey dieſem geſehn
hatte und alſo wohl ſchließen konnte, daß
ihn Eine Urſache mit ihm in die Flucht ge-
trieben habe. Sie verſtaͤndigten ſich hier.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/120>, abgerufen am 22.12.2024.
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