Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Meine vorige Gebieterinn setzte den ganzen
Harem wider mich in Aufruhr; ihre ehema-
ligen Feindinnen -- welches alle ihres glei-
chen waren -- wurden itzt die auserlesen-
sten Freundinnen, die sich mit ihr zu meinem
Umgange verschwuren. Der alte Evnuche
stellte mir die Größe der Gefahr oft vor Au-
gen, da ich sie ohne ihn nicht einmal erfah-
ren haben würde, so versteckt waren alle
Minen, die mich sprengen sollten, ermahnte
mich zu vorsichtiger Standhaftigkeit und
schwur mir theuer zu, daß mich nicht der
mindeste Stoß von der angelegten Untergra-
bung treffen werde, weil er mein Beschützer sey.
Sein Wort war mir um so viel sichrer, weil
ich wußte, daß er der Liebling unsers Herrn
war und so viel über ihn vermochte, daß
auch die Neigungen des großen Fali von
dem Willen und der Billigung dieses alten
Geschöpfes abhiengen: alle Unternehmun-
gen wider mich giengen also fehl, nur die
einzige, die unglücklichste unter allen wäre
beynahe gelungen -- man trachtete mir
nach dem Leben. Weil man nirgends zum
Zwecke gelangen konnte, so ließ man die
Decke meines Schlafzimmers allmählich so

zer-

Meine vorige Gebieterinn ſetzte den ganzen
Harem wider mich in Aufruhr; ihre ehema-
ligen Feindinnen — welches alle ihres glei-
chen waren — wurden itzt die auserleſen-
ſten Freundinnen, die ſich mit ihr zu meinem
Umgange verſchwuren. Der alte Evnuche
ſtellte mir die Groͤße der Gefahr oft vor Au-
gen, da ich ſie ohne ihn nicht einmal erfah-
ren haben wuͤrde, ſo verſteckt waren alle
Minen, die mich ſprengen ſollten, ermahnte
mich zu vorſichtiger Standhaftigkeit und
ſchwur mir theuer zu, daß mich nicht der
mindeſte Stoß von der angelegten Untergra-
bung treffen werde, weil er mein Beſchuͤtzer ſey.
Sein Wort war mir um ſo viel ſichrer, weil
ich wußte, daß er der Liebling unſers Herrn
war und ſo viel uͤber ihn vermochte, daß
auch die Neigungen des großen Fali von
dem Willen und der Billigung dieſes alten
Geſchoͤpfes abhiengen: alle Unternehmun-
gen wider mich giengen alſo fehl, nur die
einzige, die ungluͤcklichſte unter allen waͤre
beynahe gelungen — man trachtete mir
nach dem Leben. Weil man nirgends zum
Zwecke gelangen konnte, ſo ließ man die
Decke meines Schlafzimmers allmaͤhlich ſo

zer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0144" n="138"/>
Meine vorige Gebieterinn &#x017F;etzte den ganzen<lb/>
Harem wider mich in Aufruhr; ihre ehema-<lb/>
ligen Feindinnen &#x2014; welches alle ihres glei-<lb/>
chen waren &#x2014; wurden itzt die auserle&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;ten Freundinnen, die &#x017F;ich mit ihr zu meinem<lb/>
Umgange ver&#x017F;chwuren. Der alte Evnuche<lb/>
&#x017F;tellte mir die Gro&#x0364;ße der Gefahr oft vor Au-<lb/>
gen, da ich &#x017F;ie ohne ihn nicht einmal erfah-<lb/>
ren haben wu&#x0364;rde, &#x017F;o ver&#x017F;teckt waren alle<lb/>
Minen, die mich &#x017F;prengen &#x017F;ollten, ermahnte<lb/>
mich zu vor&#x017F;ichtiger Standhaftigkeit und<lb/>
&#x017F;chwur mir theuer zu, daß mich nicht der<lb/>
minde&#x017F;te Stoß von der angelegten Untergra-<lb/>
bung treffen werde, weil <hi rendition="#fr">er</hi> mein Be&#x017F;chu&#x0364;tzer &#x017F;ey.<lb/>
Sein Wort war mir um &#x017F;o viel &#x017F;ichrer, weil<lb/>
ich wußte, daß er der Liebling un&#x017F;ers Herrn<lb/>
war und &#x017F;o viel u&#x0364;ber ihn vermochte, daß<lb/>
auch die Neigungen des großen Fali von<lb/>
dem Willen und der Billigung die&#x017F;es alten<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pfes abhiengen: alle Unternehmun-<lb/>
gen wider mich giengen al&#x017F;o fehl, nur die<lb/>
einzige, die unglu&#x0364;cklich&#x017F;te unter allen wa&#x0364;re<lb/>
beynahe gelungen &#x2014; man trachtete mir<lb/>
nach dem Leben. Weil man nirgends zum<lb/>
Zwecke gelangen konnte, &#x017F;o ließ man die<lb/>
Decke meines Schlafzimmers allma&#x0364;hlich &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zer-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0144] Meine vorige Gebieterinn ſetzte den ganzen Harem wider mich in Aufruhr; ihre ehema- ligen Feindinnen — welches alle ihres glei- chen waren — wurden itzt die auserleſen- ſten Freundinnen, die ſich mit ihr zu meinem Umgange verſchwuren. Der alte Evnuche ſtellte mir die Groͤße der Gefahr oft vor Au- gen, da ich ſie ohne ihn nicht einmal erfah- ren haben wuͤrde, ſo verſteckt waren alle Minen, die mich ſprengen ſollten, ermahnte mich zu vorſichtiger Standhaftigkeit und ſchwur mir theuer zu, daß mich nicht der mindeſte Stoß von der angelegten Untergra- bung treffen werde, weil er mein Beſchuͤtzer ſey. Sein Wort war mir um ſo viel ſichrer, weil ich wußte, daß er der Liebling unſers Herrn war und ſo viel uͤber ihn vermochte, daß auch die Neigungen des großen Fali von dem Willen und der Billigung dieſes alten Geſchoͤpfes abhiengen: alle Unternehmun- gen wider mich giengen alſo fehl, nur die einzige, die ungluͤcklichſte unter allen waͤre beynahe gelungen — man trachtete mir nach dem Leben. Weil man nirgends zum Zwecke gelangen konnte, ſo ließ man die Decke meines Schlafzimmers allmaͤhlich ſo zer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/144
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/144>, abgerufen am 22.12.2024.