zeug gewahr, das mit etlichen Personen an einer andern Seite des Ufers abfuhr. Er rief, er suchte das Geräusch des Wassers zu überstimmen, es glückte ihm, und man ru- derte auf ihn zu. Es war ein Kanot aus einer benachbarten Insel, das ihm wiewohl weigernd einnahm und ihm seine geliebte Akante wiedergab. Sie hatte sich nicht ent- schließen können, nach seinem Beyspiele ihren Tod in den Wellen zu suchen, war trostlos am Ufer hinaufgeirrt und hatte in einer Bucht das Kanot mit zween Wilden gefun- den, die Muscheln suchten: sie wurde von ihnen aufgenommen, und auf ihr Bitten waren die Wilden Belphegors Geschrey zu- gerudert, ob sie gleich mehr wünschte als hefte, daß sie seine Errettung bewirken würde, weil er nach aller Wahrscheinlichkeit schon als Leichnam von den Wellen empor- getragen werden mußte. Sie ließen sich mit freundschaftlicher Freude fortrudern und liebkosten ihre Erretter mit allen ersinnlichen Zeichen der Dankbarkeit; doch konnten sie nicht den ganzen Rest von Mistrauen aus- löschen, der ihrem Geschlechte eigen ist. Die Reise währte lang, und ehe sie sich es
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zeug gewahr, das mit etlichen Perſonen an einer andern Seite des Ufers abfuhr. Er rief, er ſuchte das Geraͤuſch des Waſſers zu uͤberſtimmen, es gluͤckte ihm, und man ru- derte auf ihn zu. Es war ein Kanot aus einer benachbarten Inſel, das ihm wiewohl weigernd einnahm und ihm ſeine geliebte Akante wiedergab. Sie hatte ſich nicht ent- ſchließen koͤnnen, nach ſeinem Beyſpiele ihren Tod in den Wellen zu ſuchen, war troſtlos am Ufer hinaufgeirrt und hatte in einer Bucht das Kanot mit zween Wilden gefun- den, die Muſcheln ſuchten: ſie wurde von ihnen aufgenommen, und auf ihr Bitten waren die Wilden Belphegors Geſchrey zu- gerudert, ob ſie gleich mehr wuͤnſchte als hefte, daß ſie ſeine Errettung bewirken wuͤrde, weil er nach aller Wahrſcheinlichkeit ſchon als Leichnam von den Wellen empor- getragen werden mußte. Sie ließen ſich mit freundſchaftlicher Freude fortrudern und liebkoſten ihre Erretter mit allen erſinnlichen Zeichen der Dankbarkeit; doch konnten ſie nicht den ganzen Reſt von Mistrauen aus- loͤſchen, der ihrem Geſchlechte eigen iſt. Die Reiſe waͤhrte lang, und ehe ſie ſich es
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zeug gewahr, das mit etlichen Perſonen an
einer andern Seite des Ufers abfuhr. Er
rief, er ſuchte das Geraͤuſch des Waſſers zu
uͤberſtimmen, es gluͤckte ihm, und man ru-
derte auf ihn zu. Es war ein Kanot aus
einer benachbarten Inſel, das ihm wiewohl
weigernd einnahm und ihm ſeine geliebte
Akante wiedergab. Sie hatte ſich nicht ent-
ſchließen koͤnnen, nach ſeinem Beyſpiele ihren
Tod in den Wellen zu ſuchen, war troſtlos
am Ufer hinaufgeirrt und hatte in einer
Bucht das Kanot mit zween Wilden gefun-
den, die Muſcheln ſuchten: ſie wurde von
ihnen aufgenommen, und auf ihr Bitten
waren die Wilden Belphegors Geſchrey zu-
gerudert, ob ſie gleich mehr wuͤnſchte als
hefte, daß ſie ſeine Errettung bewirken
wuͤrde, weil er nach aller Wahrſcheinlichkeit
ſchon als Leichnam von den Wellen empor-
getragen werden mußte. Sie ließen ſich
mit freundſchaftlicher Freude fortrudern und
liebkoſten ihre Erretter mit allen erſinnlichen
Zeichen der Dankbarkeit; doch konnten ſie
nicht den ganzen Reſt von Mistrauen aus-
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Die Reiſe waͤhrte lang, und ehe ſie ſich es
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/171>, abgerufen am 22.12.2024.
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