versahen, setzten sie ihre Führer unter einem listigen Vorwande an einem weitausgedehn- ten festen Lande aus, an welchem sie hin- fuhren, woranf sie in ihre Kanote sprangen und mit der größten Eilfertigkeit hinwegru- derten. Die beiden Betrognen riefen ihnen nach, aber vergeblich.
Abermals durch die Bosheit der Menschen unglücklich! sprach Belphegor. Von einem festen Lande zum andern fortgeschleppt, was haben wir gewonnen? -- Daß wir nicht die Vögel jenes Landes, sondern die Raub- thiere dieses Bezirkes füttern! -- O Akante! welch ein Ungeheuer ist der Mensch! Unbe- leidigt, bey den größten Zeichen des Zu- trauens, der Dankbarkeit, der Freundschaft ist er doch, selbst außer dem Stande der Gesellschaft, der hartherzigste Feind von jedem, den er nicht kennt. Muß nicht tief in die Seele der Zug der wechselseitigen Feindschaft gegraben seyn, wenn er jeden als seinen Gegner behandelt, ihm als sei- nem Feinde nicht traut, so lange er nicht durch die Bande der Gewohnheit und der Gesellschaft mit ihm verknüpft ist? -- O Fromal! du hattest Recht: die Menschen
sammel-
verſahen, ſetzten ſie ihre Fuͤhrer unter einem liſtigen Vorwande an einem weitausgedehn- ten feſten Lande aus, an welchem ſie hin- fuhren, woranf ſie in ihre Kanote ſprangen und mit der groͤßten Eilfertigkeit hinwegru- derten. Die beiden Betrognen riefen ihnen nach, aber vergeblich.
Abermals durch die Bosheit der Menſchen ungluͤcklich! ſprach Belphegor. Von einem feſten Lande zum andern fortgeſchleppt, was haben wir gewonnen? — Daß wir nicht die Voͤgel jenes Landes, ſondern die Raub- thiere dieſes Bezirkes fuͤttern! — O Akante! welch ein Ungeheuer iſt der Menſch! Unbe- leidigt, bey den groͤßten Zeichen des Zu- trauens, der Dankbarkeit, der Freundſchaft iſt er doch, ſelbſt außer dem Stande der Geſellſchaft, der hartherzigſte Feind von jedem, den er nicht kennt. Muß nicht tief in die Seele der Zug der wechſelſeitigen Feindſchaft gegraben ſeyn, wenn er jeden als ſeinen Gegner behandelt, ihm als ſei- nem Feinde nicht traut, ſo lange er nicht durch die Bande der Gewohnheit und der Geſellſchaft mit ihm verknuͤpft iſt? — O Fromal! du hatteſt Recht: die Menſchen
ſammel-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0172"n="166"/>
verſahen, ſetzten ſie ihre Fuͤhrer unter einem<lb/>
liſtigen Vorwande an einem weitausgedehn-<lb/>
ten feſten Lande aus, an welchem ſie hin-<lb/>
fuhren, woranf ſie in ihre Kanote ſprangen<lb/>
und mit der groͤßten Eilfertigkeit hinwegru-<lb/>
derten. Die beiden Betrognen riefen ihnen<lb/>
nach, aber vergeblich.</p><lb/><p>Abermals durch die Bosheit der Menſchen<lb/>
ungluͤcklich! ſprach Belphegor. Von einem<lb/>
feſten Lande zum andern fortgeſchleppt, was<lb/>
haben wir gewonnen? — Daß wir nicht<lb/>
die Voͤgel jenes Landes, ſondern die Raub-<lb/>
thiere dieſes Bezirkes fuͤttern! — O Akante!<lb/>
welch ein Ungeheuer iſt der Menſch! Unbe-<lb/>
leidigt, bey den groͤßten Zeichen des Zu-<lb/>
trauens, der Dankbarkeit, der Freundſchaft<lb/>
iſt er doch, ſelbſt außer dem Stande der<lb/>
Geſellſchaft, der hartherzigſte Feind von<lb/>
jedem, den er nicht kennt. Muß nicht tief<lb/>
in die Seele der Zug der wechſelſeitigen<lb/>
Feindſchaft gegraben ſeyn, wenn er jeden<lb/>
als ſeinen Gegner behandelt, ihm als ſei-<lb/>
nem Feinde nicht traut, ſo lange er nicht<lb/>
durch die Bande der Gewohnheit und der<lb/>
Geſellſchaft mit ihm verknuͤpft iſt? — O<lb/>
Fromal! du hatteſt Recht: die Menſchen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſammel-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[166/0172]
verſahen, ſetzten ſie ihre Fuͤhrer unter einem
liſtigen Vorwande an einem weitausgedehn-
ten feſten Lande aus, an welchem ſie hin-
fuhren, woranf ſie in ihre Kanote ſprangen
und mit der groͤßten Eilfertigkeit hinwegru-
derten. Die beiden Betrognen riefen ihnen
nach, aber vergeblich.
Abermals durch die Bosheit der Menſchen
ungluͤcklich! ſprach Belphegor. Von einem
feſten Lande zum andern fortgeſchleppt, was
haben wir gewonnen? — Daß wir nicht
die Voͤgel jenes Landes, ſondern die Raub-
thiere dieſes Bezirkes fuͤttern! — O Akante!
welch ein Ungeheuer iſt der Menſch! Unbe-
leidigt, bey den groͤßten Zeichen des Zu-
trauens, der Dankbarkeit, der Freundſchaft
iſt er doch, ſelbſt außer dem Stande der
Geſellſchaft, der hartherzigſte Feind von
jedem, den er nicht kennt. Muß nicht tief
in die Seele der Zug der wechſelſeitigen
Feindſchaft gegraben ſeyn, wenn er jeden
als ſeinen Gegner behandelt, ihm als ſei-
nem Feinde nicht traut, ſo lange er nicht
durch die Bande der Gewohnheit und der
Geſellſchaft mit ihm verknuͤpft iſt? — O
Fromal! du hatteſt Recht: die Menſchen
ſammel-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/172>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.