sammelten sich, um sich zu trennen. -- Was sollen wir nun, Akante? -- Wir wol- len uns ins Land wagen; ob uns der Hun- ger und das unbarmherzige Schicksal im Stillesitzen oder auf dem Marsche aufreibt: gleich viel! Wohlan, wir gehn! --
Akante war es zufrieden: die Reise wurde angetreten, und in wenig Tagen hörten sie das Geschrey von Menschen. -- Höre, Freundinn, sagte Belphegor dabey, wohl ist mir beständig in der Einsamkeit: aber so bald ich Menschen merke, so ist mein Wohlseyn vorüber: ich erwarte einen Feind. Wir wollen den Rufenden entgehn: eher will ich hier in der Wüste unter Thieren ster- ben, als unter Menschen leben. --
Plötzlich, als er noch redete, flog lang- sam ein glänzender goldgelber Vogel nahe vor ihrem Gesichte vorbey: seine Federn warfen an der Sonne den Strahl eines Sterns von sich, und ihre Augen waren so sehr davon geblendet, daß sie seine schöne Bildung kaum bemerken konnten. Unmit- telbar auf ihm folgte ein Paar nackte Men- schen, die keuchend und mit aller Anstren- gung des ganzen Körpers ihm nachsetzten,
beide
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ſammelten ſich, um ſich zu trennen. — Was ſollen wir nun, Akante? — Wir wol- len uns ins Land wagen; ob uns der Hun- ger und das unbarmherzige Schickſal im Stilleſitzen oder auf dem Marſche aufreibt: gleich viel! Wohlan, wir gehn! —
Akante war es zufrieden: die Reiſe wurde angetreten, und in wenig Tagen hoͤrten ſie das Geſchrey von Menſchen. — Hoͤre, Freundinn, ſagte Belphegor dabey, wohl iſt mir beſtaͤndig in der Einſamkeit: aber ſo bald ich Menſchen merke, ſo iſt mein Wohlſeyn voruͤber: ich erwarte einen Feind. Wir wollen den Rufenden entgehn: eher will ich hier in der Wuͤſte unter Thieren ſter- ben, als unter Menſchen leben. —
Ploͤtzlich, als er noch redete, flog lang- ſam ein glaͤnzender goldgelber Vogel nahe vor ihrem Geſichte vorbey: ſeine Federn warfen an der Sonne den Strahl eines Sterns von ſich, und ihre Augen waren ſo ſehr davon geblendet, daß ſie ſeine ſchoͤne Bildung kaum bemerken konnten. Unmit- telbar auf ihm folgte ein Paar nackte Men- ſchen, die keuchend und mit aller Anſtren- gung des ganzen Koͤrpers ihm nachſetzten,
beide
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ſammelten ſich, um ſich zu trennen. —
Was ſollen wir nun, Akante? — Wir wol-
len uns ins Land wagen; ob uns der Hun-
ger und das unbarmherzige Schickſal im
Stilleſitzen oder auf dem Marſche aufreibt:
gleich viel! Wohlan, wir gehn! —
Akante war es zufrieden: die Reiſe wurde
angetreten, und in wenig Tagen hoͤrten ſie
das Geſchrey von Menſchen. — Hoͤre,
Freundinn, ſagte Belphegor dabey, wohl
iſt mir beſtaͤndig in der Einſamkeit: aber
ſo bald ich Menſchen merke, ſo iſt mein
Wohlſeyn voruͤber: ich erwarte einen Feind.
Wir wollen den Rufenden entgehn: eher
will ich hier in der Wuͤſte unter Thieren ſter-
ben, als unter Menſchen leben. —
Ploͤtzlich, als er noch redete, flog lang-
ſam ein glaͤnzender goldgelber Vogel nahe
vor ihrem Geſichte vorbey: ſeine Federn
warfen an der Sonne den Strahl eines
Sterns von ſich, und ihre Augen waren ſo
ſehr davon geblendet, daß ſie ſeine ſchoͤne
Bildung kaum bemerken konnten. Unmit-
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ſchen, die keuchend und mit aller Anſtren-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/173>, abgerufen am 22.12.2024.
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