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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Gefühle der Widrigkeiten wütete meine Seele,
wie ein Betrunkener; alles war mir schwarz,
ich deklamirte, aber ich räsonnirte nicht
Itzt da sich durch dein Wiedersehn meine Aus-
sichten erheitern, da der Taumel des widri-
gen Gefühls verfliegt, itzt tritt eine Stille
ein, die tausendmal quälender als der
Sturm ist -- überlegtes Räsonnement in
dem trüben Tone, in welchem ich vorher de-
klamirte: kurz, ich bin aus dem Getümmel
der Schlacht, Wunden und Schmerzen her-
ausgerissen worden, um an mir selbst zu
nagen. Soll dieses Zweck oder Mittel von
einem künftigen Zwecke seyn? -- und so
wird wohl der letzte, auf dem alles abzielt,
der Tod seyn. --

Wer weiß, wozu Dir das gut ist, Brü-
derchen? sprach Medardus. Du mußt nur
Muth schöpfen --

Lieber Mann! heißt das nicht zu einem
lahmen Fuße sagen: hinke nicht? -- Führe
ich die Federn meines Denkens und Em-
pfindens an der Schnute, um sie nach
Wohlgefallen lenken zu können? --

Brüderchen, mir war bange, als ich in
dem Palaste zu Niemeamaye mitten unter

den
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Gefuͤhle der Widrigkeiten wuͤtete meine Seele,
wie ein Betrunkener; alles war mir ſchwarz,
ich deklamirte, aber ich raͤſonnirte nicht
Itzt da ſich durch dein Wiederſehn meine Aus-
ſichten erheitern, da der Taumel des widri-
gen Gefuͤhls verfliegt, itzt tritt eine Stille
ein, die tauſendmal quaͤlender als der
Sturm iſt — uͤberlegtes Raͤſonnement in
dem truͤben Tone, in welchem ich vorher de-
klamirte: kurz, ich bin aus dem Getuͤmmel
der Schlacht, Wunden und Schmerzen her-
ausgeriſſen worden, um an mir ſelbſt zu
nagen. Soll dieſes Zweck oder Mittel von
einem kuͤnftigen Zwecke ſeyn? — und ſo
wird wohl der letzte, auf dem alles abzielt,
der Tod ſeyn. —

Wer weiß, wozu Dir das gut iſt, Bruͤ-
derchen? ſprach Medardus. Du mußt nur
Muth ſchoͤpfen —

Lieber Mann! heißt das nicht zu einem
lahmen Fuße ſagen: hinke nicht? — Fuͤhre
ich die Federn meines Denkens und Em-
pfindens an der Schnute, um ſie nach
Wohlgefallen lenken zu koͤnnen? —

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den
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[229/0235] Gefuͤhle der Widrigkeiten wuͤtete meine Seele, wie ein Betrunkener; alles war mir ſchwarz, ich deklamirte, aber ich raͤſonnirte nicht Itzt da ſich durch dein Wiederſehn meine Aus- ſichten erheitern, da der Taumel des widri- gen Gefuͤhls verfliegt, itzt tritt eine Stille ein, die tauſendmal quaͤlender als der Sturm iſt — uͤberlegtes Raͤſonnement in dem truͤben Tone, in welchem ich vorher de- klamirte: kurz, ich bin aus dem Getuͤmmel der Schlacht, Wunden und Schmerzen her- ausgeriſſen worden, um an mir ſelbſt zu nagen. Soll dieſes Zweck oder Mittel von einem kuͤnftigen Zwecke ſeyn? — und ſo wird wohl der letzte, auf dem alles abzielt, der Tod ſeyn. — Wer weiß, wozu Dir das gut iſt, Bruͤ- derchen? ſprach Medardus. Du mußt nur Muth ſchoͤpfen — Lieber Mann! heißt das nicht zu einem lahmen Fuße ſagen: hinke nicht? — Fuͤhre ich die Federn meines Denkens und Em- pfindens an der Schnute, um ſie nach Wohlgefallen lenken zu koͤnnen? — Bruͤderchen, mir war bange, als ich in dem Palaſte zu Niemeamaye mitten unter den P 4

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/235>, abgerufen am 22.12.2024.