hergebrachten Grausamkeiten sey -- daß sie die Mexikaner Jahrhunderte durch viele tausend Menschen schlachten und über- haupt den Menschen zum grausamsten Raubthiere schaffen konnte, um ihn langsam nach den schrecklichsten Unthaten zum listigen feinen Fuchse oder zum friedsamen Schafe werden zu lassen -- zu glauben, daß alles dieses die Natur wollen mußte, da sie der menschlichen Gattung die Disposition dazu gab, ohne daß sie dabey etwas anders als die heilsamsten besten Endzwecke vor Augen hatte, und daß sie die Menschen recht schlimm werden ließ, um sie leidlich gut wer- den zu lassen, ohne daß sie deswegen Tadel verdiene. So unverträglich auch jene ge- sammelten Erfahrungen mit dieser medardi- schen Philosophie scheinen, so stiftete doch die Liebe zur Ruhe nebst der Abwesenheit aller Widerwärtigkeiten, wie auch die Sen- kung seiner Imagination, die vollkommen- ste Vereinigung zwischen ihnen, die nur zu- weilen eine düstre Stunde unterbrach, aber nicht trennte.
Fromal
hergebrachten Grauſamkeiten ſey — daß ſie die Mexikaner Jahrhunderte durch viele tauſend Menſchen ſchlachten und uͤber- haupt den Menſchen zum grauſamſten Raubthiere ſchaffen konnte, um ihn langſam nach den ſchrecklichſten Unthaten zum liſtigen feinen Fuchſe oder zum friedſamen Schafe werden zu laſſen — zu glauben, daß alles dieſes die Natur wollen mußte, da ſie der menſchlichen Gattung die Diſpoſition dazu gab, ohne daß ſie dabey etwas anders als die heilſamſten beſten Endzwecke vor Augen hatte, und daß ſie die Menſchen recht ſchlimm werden ließ, um ſie leidlich gut wer- den zu laſſen, ohne daß ſie deswegen Tadel verdiene. So unvertraͤglich auch jene ge- ſammelten Erfahrungen mit dieſer medardi- ſchen Philoſophie ſcheinen, ſo ſtiftete doch die Liebe zur Ruhe nebſt der Abweſenheit aller Widerwaͤrtigkeiten, wie auch die Sen- kung ſeiner Imagination, die vollkommen- ſte Vereinigung zwiſchen ihnen, die nur zu- weilen eine duͤſtre Stunde unterbrach, aber nicht trennte.
Fromal
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hergebrachten Grauſamkeiten ſey —
daß ſie die Mexikaner Jahrhunderte durch
viele tauſend Menſchen ſchlachten und uͤber-
haupt den Menſchen zum grauſamſten
Raubthiere ſchaffen konnte, um ihn langſam
nach den ſchrecklichſten Unthaten zum liſtigen
feinen Fuchſe oder zum friedſamen Schafe
werden zu laſſen — zu glauben, daß alles
dieſes die Natur wollen mußte, da ſie der
menſchlichen Gattung die Diſpoſition dazu
gab, ohne daß ſie dabey etwas anders als
die heilſamſten beſten Endzwecke vor Augen
hatte, und daß ſie die Menſchen recht
ſchlimm werden ließ, um ſie leidlich gut wer-
den zu laſſen, ohne daß ſie deswegen Tadel
verdiene. So unvertraͤglich auch jene ge-
ſammelten Erfahrungen mit dieſer medardi-
ſchen Philoſophie ſcheinen, ſo ſtiftete doch
die Liebe zur Ruhe nebſt der Abweſenheit
aller Widerwaͤrtigkeiten, wie auch die Sen-
kung ſeiner Imagination, die vollkommen-
ſte Vereinigung zwiſchen ihnen, die nur zu-
weilen eine duͤſtre Stunde unterbrach, aber
nicht trennte.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/312>, abgerufen am 22.12.2024.
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