Fromal war stets ein kältrer Räsonneur gewesen, als Belphegor, und diente auch itzt noch dazu, Wasser in die Flamme zu giessen, wenn sie zuweilen bey diesem auflo- derte. Er gestund frey, daß er sich nicht in die glückliche Illusion versetzen kann, welche seinem Freund Medardus so vielsäl- tig das Leben erleichtert habe und noch er- leichtere, daß ihm aber sein Glaube an Noth- wendigkeit und unvermeidliches Schicksal die nämlichen wohlthätigen Dienste erzeige, und daß auch überhaupt seine Meynung hierüber von der medardischen nur im Na- men und der Vorstellungsart unter- schieden sey. Zugleich verbat er aber, mit Einwilligung seiner übrigen Freunde, anders als mit Kälte über diesen Punkt zu sprechen, um sich nicht durch warme Imagination und durch ein warmes Herz in eine neue Tiefe von Zweifeln und Beunruhigungen stürzen zu lassen.
Medardus erhielt sich in seiner Heiter- keit und Zufriedenheit bis an sein Ende, und da er im Begriffe war zu sterben, war noch sein letztes Wort: wer weiß, wozu
mirs
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Fromal war ſtets ein kaͤltrer Raͤſonneur geweſen, als Belphegor, und diente auch itzt noch dazu, Waſſer in die Flamme zu gieſſen, wenn ſie zuweilen bey dieſem auflo- derte. Er geſtund frey, daß er ſich nicht in die gluͤckliche Illuſion verſetzen kann, welche ſeinem Freund Medardus ſo vielſaͤl- tig das Leben erleichtert habe und noch er- leichtere, daß ihm aber ſein Glaube an Noth- wendigkeit und unvermeidliches Schickſal die naͤmlichen wohlthaͤtigen Dienſte erzeige, und daß auch uͤberhaupt ſeine Meynung hieruͤber von der medardiſchen nur im Na- men und der Vorſtellungsart unter- ſchieden ſey. Zugleich verbat er aber, mit Einwilligung ſeiner uͤbrigen Freunde, anders als mit Kaͤlte uͤber dieſen Punkt zu ſprechen, um ſich nicht durch warme Imagination und durch ein warmes Herz in eine neue Tiefe von Zweifeln und Beunruhigungen ſtuͤrzen zu laſſen.
Medardus erhielt ſich in ſeiner Heiter- keit und Zufriedenheit bis an ſein Ende, und da er im Begriffe war zu ſterben, war noch ſein letztes Wort: wer weiß, wozu
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Fromal war ſtets ein kaͤltrer Raͤſonneur
geweſen, als Belphegor, und diente auch
itzt noch dazu, Waſſer in die Flamme zu
gieſſen, wenn ſie zuweilen bey dieſem auflo-
derte. Er geſtund frey, daß er ſich nicht
in die gluͤckliche Illuſion verſetzen kann,
welche ſeinem Freund Medardus ſo vielſaͤl-
tig das Leben erleichtert habe und noch er-
leichtere, daß ihm aber ſein Glaube an Noth-
wendigkeit und unvermeidliches Schickſal
die naͤmlichen wohlthaͤtigen Dienſte erzeige,
und daß auch uͤberhaupt ſeine Meynung
hieruͤber von der medardiſchen nur im Na-
men und der Vorſtellungsart unter-
ſchieden ſey. Zugleich verbat er aber, mit
Einwilligung ſeiner uͤbrigen Freunde, anders
als mit Kaͤlte uͤber dieſen Punkt zu ſprechen,
um ſich nicht durch warme Imagination
und durch ein warmes Herz in eine neue
Tiefe von Zweifeln und Beunruhigungen
ſtuͤrzen zu laſſen.
Medardus erhielt ſich in ſeiner Heiter-
keit und Zufriedenheit bis an ſein Ende,
und da er im Begriffe war zu ſterben, war
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/313>, abgerufen am 22.12.2024.
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