mehr vermissen ließen; mein Herz fand nir- gends anziehende Kraft und allenthalben Widrigkeiten. Je weniger mein Gefühl gleichsam ausgefüllt wurde, desto mehr ver- stärkte es sich! und zuletzt war gar nichts mehr übrig, das nicht, so zu sagen, wie ein leichter Span auf einem Weltmeere, dar- auf geschwommen hätte: gar nichts drückte sich ihm ein. Geschwind zerriß ich alle Ban- den, die mich an die Menschen fesselten, und floh eine Gesellschaft, wo ich allzeit Ge- legenheit zum Misvergnügen fand, weil kein Vergnügen meinen Foderungen gleich kam.
Nicht lange nach dieser Entfernung von den Menschen that ich einstmals eine kurze Ausflucht in die Gesellschaft: ich fand ein Mädchen, das gleich bey dem ersten Anbli- cke eine mehr als magnetische Kraft für alle meine Sinne hatte. Mein Gefühl, das in meiner einsamen Periode mit der Einbil- dungskraft in genauere Vertraulichkeit gera- then war, erhob sich plözlich zu einer solchen Stärke, daß ich mir selbst sagte: ich habe sie gefunden! -- Ein Mädchen voll der süßesten Naifetät, mit der aufrichtigsten Mi- ne, die mit der Zunge und dem Herze in
Einer
mehr vermiſſen ließen; mein Herz fand nir- gends anziehende Kraft und allenthalben Widrigkeiten. Je weniger mein Gefuͤhl gleichſam ausgefuͤllt wurde, deſto mehr ver- ſtaͤrkte es ſich! und zuletzt war gar nichts mehr uͤbrig, das nicht, ſo zu ſagen, wie ein leichter Span auf einem Weltmeere, dar- auf geſchwommen haͤtte: gar nichts druͤckte ſich ihm ein. Geſchwind zerriß ich alle Ban- den, die mich an die Menſchen feſſelten, und floh eine Geſellſchaft, wo ich allzeit Ge- legenheit zum Misvergnuͤgen fand, weil kein Vergnuͤgen meinen Foderungen gleich kam.
Nicht lange nach dieſer Entfernung von den Menſchen that ich einſtmals eine kurze Ausflucht in die Geſellſchaft: ich fand ein Maͤdchen, das gleich bey dem erſten Anbli- cke eine mehr als magnetiſche Kraft fuͤr alle meine Sinne hatte. Mein Gefuͤhl, das in meiner einſamen Periode mit der Einbil- dungskraft in genauere Vertraulichkeit gera- then war, erhob ſich ploͤzlich zu einer ſolchen Staͤrke, daß ich mir ſelbſt ſagte: ich habe ſie gefunden! — Ein Maͤdchen voll der ſuͤßeſten Naifetaͤt, mit der aufrichtigſten Mi- ne, die mit der Zunge und dem Herze in
Einer
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mehr vermiſſen ließen; mein Herz fand nir-
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Widrigkeiten. Je weniger mein Gefuͤhl
gleichſam ausgefuͤllt wurde, deſto mehr ver-
ſtaͤrkte es ſich! und zuletzt war gar nichts
mehr uͤbrig, das nicht, ſo zu ſagen, wie
ein leichter Span auf einem Weltmeere, dar-
auf geſchwommen haͤtte: gar nichts druͤckte
ſich ihm ein. Geſchwind zerriß ich alle Ban-
den, die mich an die Menſchen feſſelten,
und floh eine Geſellſchaft, wo ich allzeit Ge-
legenheit zum Misvergnuͤgen fand, weil kein
Vergnuͤgen meinen Foderungen gleich kam.
Nicht lange nach dieſer Entfernung von
den Menſchen that ich einſtmals eine kurze
Ausflucht in die Geſellſchaft: ich fand ein
Maͤdchen, das gleich bey dem erſten Anbli-
cke eine mehr als magnetiſche Kraft fuͤr alle
meine Sinne hatte. Mein Gefuͤhl, das in
meiner einſamen Periode mit der Einbil-
dungskraft in genauere Vertraulichkeit gera-
then war, erhob ſich ploͤzlich zu einer ſolchen
Staͤrke, daß ich mir ſelbſt ſagte: ich habe
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/84>, abgerufen am 22.12.2024.
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