Einer vollkommnen Harmonie stund, ohne Zwang, ohne studierte Höflichkeit, ohne ga- lante Grimassen, voll Natur, voll der un- schuldigsten Natur, ohne glänzenden Wiz, aber mit einem feinen Verstande und den gesundesten Grundsätzen geziert -- alle diese Züge leuchteten mir auf einmal mit vereinig- ter Kraft in die Augen. Mein Herz wankte, alle meine Kräfte bis zu den innersten wur- den erschüttert, meine Empfindungen vom Grunde aufgewiegelt, mein Kopf schwindel- te, die Augen wurden trübe, ich schwärmte, ich schwatzte wie im Phantasieren des hitzi- gen Fiebers, ich taumelte und sank -- durch eine geheime Veranstaltung des Schick- sals -- an ihren Busen, an den Busen des Mädchens, das jenen Tumult in mir erregte. -- O edler Freund! mein altes Herz schlägt noch itzt hurtiger, wenn ich an das Erwachen gedenke, das auf jenen Fall erfolgte. -- Das unschuldige Mädchen ent- sagte aus natürlichem Mitleide allen Fode- rungen des Wohlstandes und ließ mich an ihrem Busen liegen, trieb alle zurück, die mich von ihr reißen wollten. Er ruhet hier sanft, sprach sie mit dem naifsten Tone der
Guther-
F
Einer vollkommnen Harmonie ſtund, ohne Zwang, ohne ſtudierte Hoͤflichkeit, ohne ga- lante Grimaſſen, voll Natur, voll der un- ſchuldigſten Natur, ohne glaͤnzenden Wiz, aber mit einem feinen Verſtande und den geſundeſten Grundſaͤtzen geziert — alle dieſe Zuͤge leuchteten mir auf einmal mit vereinig- ter Kraft in die Augen. Mein Herz wankte, alle meine Kraͤfte bis zu den innerſten wur- den erſchuͤttert, meine Empfindungen vom Grunde aufgewiegelt, mein Kopf ſchwindel- te, die Augen wurden truͤbe, ich ſchwaͤrmte, ich ſchwatzte wie im Phantaſieren des hitzi- gen Fiebers, ich taumelte und ſank — durch eine geheime Veranſtaltung des Schick- ſals — an ihren Buſen, an den Buſen des Maͤdchens, das jenen Tumult in mir erregte. — O edler Freund! mein altes Herz ſchlaͤgt noch itzt hurtiger, wenn ich an das Erwachen gedenke, das auf jenen Fall erfolgte. — Das unſchuldige Maͤdchen ent- ſagte aus natuͤrlichem Mitleide allen Fode- rungen des Wohlſtandes und ließ mich an ihrem Buſen liegen, trieb alle zuruͤck, die mich von ihr reißen wollten. Er ruhet hier ſanft, ſprach ſie mit dem naifſten Tone der
Guther-
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Einer vollkommnen Harmonie ſtund, ohne
Zwang, ohne ſtudierte Hoͤflichkeit, ohne ga-
lante Grimaſſen, voll Natur, voll der un-
ſchuldigſten Natur, ohne glaͤnzenden Wiz,
aber mit einem feinen Verſtande und den
geſundeſten Grundſaͤtzen geziert — alle dieſe
Zuͤge leuchteten mir auf einmal mit vereinig-
ter Kraft in die Augen. Mein Herz wankte,
alle meine Kraͤfte bis zu den innerſten wur-
den erſchuͤttert, meine Empfindungen vom
Grunde aufgewiegelt, mein Kopf ſchwindel-
te, die Augen wurden truͤbe, ich ſchwaͤrmte,
ich ſchwatzte wie im Phantaſieren des hitzi-
gen Fiebers, ich taumelte und ſank —
durch eine geheime Veranſtaltung des Schick-
ſals — an ihren Buſen, an den Buſen
des Maͤdchens, das jenen Tumult in mir
erregte. — O edler Freund! mein altes
Herz ſchlaͤgt noch itzt hurtiger, wenn ich an
das Erwachen gedenke, das auf jenen Fall
erfolgte. — Das unſchuldige Maͤdchen ent-
ſagte aus natuͤrlichem Mitleide allen Fode-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/85>, abgerufen am 22.12.2024.
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