Gutherzigkeit: er liege, bis er wieder er- wacht. -- Alles sagte sie, ohne zu wissen, daß sie das brennbarste Herz an das ihrige drückte und ein Feuer einsaugen ließ, das nie die Vernunft wieder löschen würde. Ich lag an sie gelehnt; und an sie gelehnt, er- wachte ich. Himmel! welche Empfindung, als ich um mich blickte! als ich bey meiner ersten Bewegung mit ihrem Blicke zusam- mentraf! Ich war nicht mehr mein: sie ver- stund meine Verwirrung, wollte sie min- dern und vermehrte sie. Endlich ermannte ich mich; ich sprang auf und gieng hinweg.
Das gute Mädchen merkte genau, daß sie die Ursache meiner Unruhe und meiner Entfernung war: aber unglücklich, daß die- se Bemerkung sie selbst in die schrecklichste Un- ruhe stürzen mußte! Sie war schon verlobt: das ist mit Einem Worte alles gesagt. Mei- ne natürliche Melancholie wuchs zu der höch- sten Stärke an, ohne daß ich das Hinder- niß meiner Liebe wußte: alles war mir schwarz: ich quälte mich mit selbstgeschaff- nen Schwierigkeiten; ich marterte mich mit Kummer, daß ich zu dem Besitze meiner Ge- liebten nicht gelangem konnte, ohne mich
im
Gutherzigkeit: er liege, bis er wieder er- wacht. — Alles ſagte ſie, ohne zu wiſſen, daß ſie das brennbarſte Herz an das ihrige druͤckte und ein Feuer einſaugen ließ, das nie die Vernunft wieder loͤſchen wuͤrde. Ich lag an ſie gelehnt; und an ſie gelehnt, er- wachte ich. Himmel! welche Empfindung, als ich um mich blickte! als ich bey meiner erſten Bewegung mit ihrem Blicke zuſam- mentraf! Ich war nicht mehr mein: ſie ver- ſtund meine Verwirrung, wollte ſie min- dern und vermehrte ſie. Endlich ermannte ich mich; ich ſprang auf und gieng hinweg.
Das gute Maͤdchen merkte genau, daß ſie die Urſache meiner Unruhe und meiner Entfernung war: aber ungluͤcklich, daß die- ſe Bemerkung ſie ſelbſt in die ſchrecklichſte Un- ruhe ſtuͤrzen mußte! Sie war ſchon verlobt: das iſt mit Einem Worte alles geſagt. Mei- ne natuͤrliche Melancholie wuchs zu der hoͤch- ſten Staͤrke an, ohne daß ich das Hinder- niß meiner Liebe wußte: alles war mir ſchwarz: ich quaͤlte mich mit ſelbſtgeſchaff- nen Schwierigkeiten; ich marterte mich mit Kummer, daß ich zu dem Beſitze meiner Ge- liebten nicht gelangem konnte, ohne mich
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Gutherzigkeit: er liege, bis er wieder er-
wacht. — Alles ſagte ſie, ohne zu wiſſen,
daß ſie das brennbarſte Herz an das ihrige
druͤckte und ein Feuer einſaugen ließ, das
nie die Vernunft wieder loͤſchen wuͤrde. Ich
lag an ſie gelehnt; und an ſie gelehnt, er-
wachte ich. Himmel! welche Empfindung,
als ich um mich blickte! als ich bey meiner
erſten Bewegung mit ihrem Blicke zuſam-
mentraf! Ich war nicht mehr mein: ſie ver-
ſtund meine Verwirrung, wollte ſie min-
dern und vermehrte ſie. Endlich ermannte
ich mich; ich ſprang auf und gieng hinweg.
Das gute Maͤdchen merkte genau, daß
ſie die Urſache meiner Unruhe und meiner
Entfernung war: aber ungluͤcklich, daß die-
ſe Bemerkung ſie ſelbſt in die ſchrecklichſte Un-
ruhe ſtuͤrzen mußte! Sie war ſchon verlobt:
das iſt mit Einem Worte alles geſagt. Mei-
ne natuͤrliche Melancholie wuchs zu der hoͤch-
ſten Staͤrke an, ohne daß ich das Hinder-
niß meiner Liebe wußte: alles war mir
ſchwarz: ich quaͤlte mich mit ſelbſtgeſchaff-
nen Schwierigkeiten; ich marterte mich mit
Kummer, daß ich zu dem Beſitze meiner Ge-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/86>, abgerufen am 22.12.2024.
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