im mindesten erkundigt zu haben, ob ihr Besitz unmöglich oder schwer zu erlangen sey. Sie war arm, und eine kleine Ueberlegung wäre zureichend gewesen, meine traurigen eingebildeten Schwierigkeiten zu zerstreuen; allein mein schwermüthiges Gefühl ergötzte mich: die Vernunft würde mir meine Glück- seligkeit geraubt haben, wenn sie es wegrä- sonnirt hätte. Oft genug unterbrachen es meine Geschäfte, auf die ich zürnte, und die ich doch gut abwarten mußte, wenn ich nicht an meinem Einkommen leiden wollte. -- Gott! dachte ich oft in meinen einsa- men Stunden, warum ordnetest du deine Welt so an, daß tausend geschmacklose Geschäf- te, Millionen mit der Empfindung nicht zu- sammenhängende Dinge den Menschen im Wirbel herumdrehen, daß elende Berufsar- beiten die Zahl der Stunden verringern müs- sen, die er in dem süßesten Schlummer des Gefühls und der Einbildung verträumen könnte? -- Freund! hast Du nie einen Mangel in Deinem Leben empfunden, der jede fühlende Seele unvermeidlich treffen muß? -- Die Natur hat eine unendliche Menge Anlässe zur Empfindung in die Welt
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im mindeſten erkundigt zu haben, ob ihr Beſitz unmoͤglich oder ſchwer zu erlangen ſey. Sie war arm, und eine kleine Ueberlegung waͤre zureichend geweſen, meine traurigen eingebildeten Schwierigkeiten zu zerſtreuen; allein mein ſchwermuͤthiges Gefuͤhl ergoͤtzte mich: die Vernunft wuͤrde mir meine Gluͤck- ſeligkeit geraubt haben, wenn ſie es wegraͤ- ſonnirt haͤtte. Oft genug unterbrachen es meine Geſchaͤfte, auf die ich zuͤrnte, und die ich doch gut abwarten mußte, wenn ich nicht an meinem Einkommen leiden wollte. — Gott! dachte ich oft in meinen einſa- men Stunden, warum ordneteſt du deine Welt ſo an, daß tauſend geſchmackloſe Geſchaͤf- te, Millionen mit der Empfindung nicht zu- ſammenhaͤngende Dinge den Menſchen im Wirbel herumdrehen, daß elende Berufsar- beiten die Zahl der Stunden verringern muͤſ- ſen, die er in dem ſuͤßeſten Schlummer des Gefuͤhls und der Einbildung vertraͤumen koͤnnte? — Freund! haſt Du nie einen Mangel in Deinem Leben empfunden, der jede fuͤhlende Seele unvermeidlich treffen muß? — Die Natur hat eine unendliche Menge Anlaͤſſe zur Empfindung in die Welt
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im mindeſten erkundigt zu haben, ob ihr
Beſitz unmoͤglich oder ſchwer zu erlangen ſey.
Sie war arm, und eine kleine Ueberlegung
waͤre zureichend geweſen, meine traurigen
eingebildeten Schwierigkeiten zu zerſtreuen;
allein mein ſchwermuͤthiges Gefuͤhl ergoͤtzte
mich: die Vernunft wuͤrde mir meine Gluͤck-
ſeligkeit geraubt haben, wenn ſie es wegraͤ-
ſonnirt haͤtte. Oft genug unterbrachen es
meine Geſchaͤfte, auf die ich zuͤrnte, und
die ich doch gut abwarten mußte, wenn ich
nicht an meinem Einkommen leiden wollte.
— Gott! dachte ich oft in meinen einſa-
men Stunden, warum ordneteſt du deine
Welt ſo an, daß tauſend geſchmackloſe Geſchaͤf-
te, Millionen mit der Empfindung nicht zu-
ſammenhaͤngende Dinge den Menſchen im
Wirbel herumdrehen, daß elende Berufsar-
beiten die Zahl der Stunden verringern muͤſ-
ſen, die er in dem ſuͤßeſten Schlummer des
Gefuͤhls und der Einbildung vertraͤumen
koͤnnte? — Freund! haſt Du nie einen
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jede fuͤhlende Seele unvermeidlich treffen
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/87>, abgerufen am 22.12.2024.
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