ausgestreut, aber zu einzeln ausgestreut, jeder Mensch trift auf seinem Wege nur sel- ten einen an: der große Haufe, dessen Ge- fühl vom Sorgen und Geschäften zusam- men gepreßt ist, vermißt nichts; er läßt so- gar die aufstoßenden Veranlaßungen vor- übergehn, ohne daß eine sich an seinem Herze einhängt, und es auf sich zieht: aber der Mann, bey dem Gefühl alle seine übrigen Kräfte überwiegt, bey dem sich, so zu sagen, alles in Empfindung auflöst, was soll der thun, wenn er allenthalben Sättigung sucht, wenn er seine Glückseligkeit gern haufenweise verschlingen möchte, und sie ihm doch nur gleichsam in einzelnen Bissen zugezählt wird: muß ein solcher nicht bey der gegenwärti- gen Einrichtung der Welt einbüßen? Konnte die Natur unsern Planeten und seinen Be- wohner nicht so anlegen, daß er, mit weni- gem, mit dem Nothdürftigen zufrieden, seine Bedürfnisse niemals erweiterte, niemals in die tolle Geschäftigkeit sich hineinwarf, zu welcher ihn itzt unzählige, unvermeidliche Nothwendigkeiten hinreißen? Wäre die Welt gleich weniger thätig, weniger lebhaft ge- worden, wäre sie nicht dafür glücklicher?
Was
ausgeſtreut, aber zu einzeln ausgeſtreut, jeder Menſch trift auf ſeinem Wege nur ſel- ten einen an: der große Haufe, deſſen Ge- fuͤhl vom Sorgen und Geſchaͤften zuſam- men gepreßt iſt, vermißt nichts; er laͤßt ſo- gar die aufſtoßenden Veranlaßungen vor- uͤbergehn, ohne daß eine ſich an ſeinem Herze einhaͤngt, und es auf ſich zieht: aber der Mann, bey dem Gefuͤhl alle ſeine uͤbrigen Kraͤfte uͤberwiegt, bey dem ſich, ſo zu ſagen, alles in Empfindung aufloͤſt, was ſoll der thun, wenn er allenthalben Saͤttigung ſucht, wenn er ſeine Gluͤckſeligkeit gern haufenweiſe verſchlingen moͤchte, und ſie ihm doch nur gleichſam in einzelnen Biſſen zugezaͤhlt wird: muß ein ſolcher nicht bey der gegenwaͤrti- gen Einrichtung der Welt einbuͤßen? Konnte die Natur unſern Planeten und ſeinen Be- wohner nicht ſo anlegen, daß er, mit weni- gem, mit dem Nothduͤrftigen zufrieden, ſeine Beduͤrfniſſe niemals erweiterte, niemals in die tolle Geſchaͤftigkeit ſich hineinwarf, zu welcher ihn itzt unzaͤhlige, unvermeidliche Nothwendigkeiten hinreißen? Waͤre die Welt gleich weniger thaͤtig, weniger lebhaft ge- worden, waͤre ſie nicht dafuͤr gluͤcklicher?
Was
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ausgeſtreut, aber zu einzeln ausgeſtreut,
jeder Menſch trift auf ſeinem Wege nur ſel-
ten einen an: der große Haufe, deſſen Ge-
fuͤhl vom Sorgen und Geſchaͤften zuſam-
men gepreßt iſt, vermißt nichts; er laͤßt ſo-
gar die aufſtoßenden Veranlaßungen vor-
uͤbergehn, ohne daß eine ſich an ſeinem Herze
einhaͤngt, und es auf ſich zieht: aber der
Mann, bey dem Gefuͤhl alle ſeine uͤbrigen
Kraͤfte uͤberwiegt, bey dem ſich, ſo zu ſagen,
alles in Empfindung aufloͤſt, was ſoll der
thun, wenn er allenthalben Saͤttigung ſucht,
wenn er ſeine Gluͤckſeligkeit gern haufenweiſe
verſchlingen moͤchte, und ſie ihm doch nur
gleichſam in einzelnen Biſſen zugezaͤhlt wird:
muß ein ſolcher nicht bey der gegenwaͤrti-
gen Einrichtung der Welt einbuͤßen? Konnte
die Natur unſern Planeten und ſeinen Be-
wohner nicht ſo anlegen, daß er, mit weni-
gem, mit dem Nothduͤrftigen zufrieden, ſeine
Beduͤrfniſſe niemals erweiterte, niemals in
die tolle Geſchaͤftigkeit ſich hineinwarf, zu
welcher ihn itzt unzaͤhlige, unvermeidliche
Nothwendigkeiten hinreißen? Waͤre die Welt
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/88>, abgerufen am 22.12.2024.
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