sollte der Mensch mitten auf seinem Wege zur Verfeinerung stehen bleiben, wenn er auch gleich nicht auf der ganz untersten ewig seyn wollte: die Materialien der Geschäftig- keit und der Begierden, die ihn itzt herum- treiben, sollte vor ihm verborgen und er ein ruhiger sanfter Hirte, höchstens ein Ackers- mann bleiben: die Erde wäre nicht zu enge für die Beybehaltung dieser Lebensart gewe- sen, wenn nur die Menschen nicht die tollen Begierden besessen hätte, über und neben einander her zu kriechen: und Freund! bey jener geringen mittelmäßigen Geschäftigkeit sein Leben unter dem Schatten der Empfin- dung ohne Politik, ohne Oekonomie, Ju- risprudenz, Handel und andre Vervollkom- mungen, die den Menschen zum kalten fühl- losen Geschöpfe, leer von Imagination und Empfindung machen, ordentlich und ruhig hinwandeln, welch ein Glück! Welch eine Herrlichkeit, wenn ich damals für mich und meine Lucie die Erde so hätte umschaffen können! Wahr ist es, ich hätte geträumt: aber süßer Traum ist doch besser als bittres Wachen. Meine Geschäfte verbitterten mir wirklich mein Leben außerordentlich: sie stör-
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ſollte der Menſch mitten auf ſeinem Wege zur Verfeinerung ſtehen bleiben, wenn er auch gleich nicht auf der ganz unterſten ewig ſeyn wollte: die Materialien der Geſchaͤftig- keit und der Begierden, die ihn itzt herum- treiben, ſollte vor ihm verborgen und er ein ruhiger ſanfter Hirte, hoͤchſtens ein Ackers- mann bleiben: die Erde waͤre nicht zu enge fuͤr die Beybehaltung dieſer Lebensart gewe- ſen, wenn nur die Menſchen nicht die tollen Begierden beſeſſen haͤtte, uͤber und neben einander her zu kriechen: und Freund! bey jener geringen mittelmaͤßigen Geſchaͤftigkeit ſein Leben unter dem Schatten der Empfin- dung ohne Politik, ohne Oekonomie, Ju- risprudenz, Handel und andre Vervollkom- mungen, die den Menſchen zum kalten fuͤhl- loſen Geſchoͤpfe, leer von Imagination und Empfindung machen, ordentlich und ruhig hinwandeln, welch ein Gluͤck! Welch eine Herrlichkeit, wenn ich damals fuͤr mich und meine Lucie die Erde ſo haͤtte umſchaffen koͤnnen! Wahr iſt es, ich haͤtte getraͤumt: aber ſuͤßer Traum iſt doch beſſer als bittres Wachen. Meine Geſchaͤfte verbitterten mir wirklich mein Leben außerordentlich: ſie ſtoͤr-
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ſollte der Menſch mitten auf ſeinem Wege
zur Verfeinerung ſtehen bleiben, wenn er
auch gleich nicht auf der ganz unterſten ewig
ſeyn wollte: die Materialien der Geſchaͤftig-
keit und der Begierden, die ihn itzt herum-
treiben, ſollte vor ihm verborgen und er ein
ruhiger ſanfter Hirte, hoͤchſtens ein Ackers-
mann bleiben: die Erde waͤre nicht zu enge
fuͤr die Beybehaltung dieſer Lebensart gewe-
ſen, wenn nur die Menſchen nicht die tollen
Begierden beſeſſen haͤtte, uͤber und neben
einander her zu kriechen: und Freund! bey
jener geringen mittelmaͤßigen Geſchaͤftigkeit
ſein Leben unter dem Schatten der Empfin-
dung ohne Politik, ohne Oekonomie, Ju-
risprudenz, Handel und andre Vervollkom-
mungen, die den Menſchen zum kalten fuͤhl-
loſen Geſchoͤpfe, leer von Imagination und
Empfindung machen, ordentlich und ruhig
hinwandeln, welch ein Gluͤck! Welch eine
Herrlichkeit, wenn ich damals fuͤr mich und
meine Lucie die Erde ſo haͤtte umſchaffen
koͤnnen! Wahr iſt es, ich haͤtte getraͤumt:
aber ſuͤßer Traum iſt doch beſſer als bittres
Wachen. Meine Geſchaͤfte verbitterten mir
wirklich mein Leben außerordentlich: ſie ſtoͤr-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/90>, abgerufen am 22.12.2024.
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