ten meine Melancholie und wurden von mei- ner Melancholie gestört; und am Ende mei- nes Härmens erfuhr ich, daß Lucie verlobt und gar verheirathet war, daß sie an einen der verächtlichsten Männer des Landes ver- heirathet war. Welch ein Donnerschlag für einen trübsinnigen Liebhaber! Ich em- pfieng täglich die schrecklichsten Nachrichten von seinem Betragen gegen sie. Der Un- mensch, das unsinnigste Geschöpf des Erd- bodens, das gar nicht aus der Hand Got- tes gegangen seyn kann, quälte sie aus Ei- fersucht und zuletzt aus bloßem tyrannischen Muthwillen: er merkte, daß auf dem Bo- den ihres Herzens eine Zuneigung lag, die durch die aufgezwungene eheliche Pflicht nur niedergedrückt, aber nicht getödtet war: er merkte dies blos, weil seine angeborne Ei- fersucht; oder vielleicht das Bewußtseyn sei- nes Mangels am Verdienst ihn voraussetzen hieß, daß sie ihn nicht ganz und jeden an- dern mehr lieben müßte. Ohne die minde- ste Veranlassung zu diesem Argwohne behan- delte er sie, als wenn er völlig bewiesen wäre. Er foderte eine Bedienung von ihr, die er kaum der niedrigsten Magd zumuthen konn-
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ten meine Melancholie und wurden von mei- ner Melancholie geſtoͤrt; und am Ende mei- nes Haͤrmens erfuhr ich, daß Lucie verlobt und gar verheirathet war, daß ſie an einen der veraͤchtlichſten Maͤnner des Landes ver- heirathet war. Welch ein Donnerſchlag fuͤr einen truͤbſinnigen Liebhaber! Ich em- pfieng taͤglich die ſchrecklichſten Nachrichten von ſeinem Betragen gegen ſie. Der Un- menſch, das unſinnigſte Geſchoͤpf des Erd- bodens, das gar nicht aus der Hand Got- tes gegangen ſeyn kann, quaͤlte ſie aus Ei- ferſucht und zuletzt aus bloßem tyranniſchen Muthwillen: er merkte, daß auf dem Bo- den ihres Herzens eine Zuneigung lag, die durch die aufgezwungene eheliche Pflicht nur niedergedruͤckt, aber nicht getoͤdtet war: er merkte dies blos, weil ſeine angeborne Ei- ferſucht; oder vielleicht das Bewußtſeyn ſei- nes Mangels am Verdienſt ihn vorausſetzen hieß, daß ſie ihn nicht ganz und jeden an- dern mehr lieben muͤßte. Ohne die minde- ſte Veranlaſſung zu dieſem Argwohne behan- delte er ſie, als wenn er voͤllig bewieſen waͤre. Er foderte eine Bedienung von ihr, die er kaum der niedrigſten Magd zumuthen konn-
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ten meine Melancholie und wurden von mei-
ner Melancholie geſtoͤrt; und am Ende mei-
nes Haͤrmens erfuhr ich, daß Lucie verlobt
und gar verheirathet war, daß ſie an einen
der veraͤchtlichſten Maͤnner des Landes ver-
heirathet war. Welch ein Donnerſchlag
fuͤr einen truͤbſinnigen Liebhaber! Ich em-
pfieng taͤglich die ſchrecklichſten Nachrichten
von ſeinem Betragen gegen ſie. Der Un-
menſch, das unſinnigſte Geſchoͤpf des Erd-
bodens, das gar nicht aus der Hand Got-
tes gegangen ſeyn kann, quaͤlte ſie aus Ei-
ferſucht und zuletzt aus bloßem tyranniſchen
Muthwillen: er merkte, daß auf dem Bo-
den ihres Herzens eine Zuneigung lag, die
durch die aufgezwungene eheliche Pflicht nur
niedergedruͤckt, aber nicht getoͤdtet war: er
merkte dies blos, weil ſeine angeborne Ei-
ferſucht; oder vielleicht das Bewußtſeyn ſei-
nes Mangels am Verdienſt ihn vorausſetzen
hieß, daß ſie ihn nicht ganz und jeden an-
dern mehr lieben muͤßte. Ohne die minde-
ſte Veranlaſſung zu dieſem Argwohne behan-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/91>, abgerufen am 22.12.2024.
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