Der Derwisch sah ihn lächelnd an. -- Ed- ler Mann! wo sollte ich dich suchen? fragte er mit gefälliger Freundlichkeit.
Belphegor besann sich und merkte, daß ihm die Schwärmerey seiner Einbildungs- kraft den Streich gespielt hatte, ihn einen solchen Anachronismus begehen zu lassen. -- Nun, so fahre fort! sprach er erröthend. --
Bester Freund, sagte der Derwisch nach einer Pause, dieser einzige Zug macht dich mir theuer. -- O hätte ich dich damals gekannt, hättest du damals mit deinem Feuer meinen erloschnen Muth wieder anzünden können, wie glücklich wäre ich gewesen! ich wäre nicht die Speise eines heimlichen Grams geworden! -- Doch das Schicksal half schnell: der Tyrann spannte seine Fol- ter so stark an, daß alle Erduldung und Ge- lassenheit zerreissen mußte. Da alle seine Erfindungskraft im Quälen erschöpft schien, so gab ihm eine wollüstige Laune den tollen Gedanken ein, sie nackt sehen zu wollen. Er gebot ihr, sich auszukleiden, und vor seinem und etlicher Freunde Angesicht -- wie er es nannte -- a la grecque zu tanzen. Sie wiedersetzte sich, sie stritt, sie focht: um-
sonst!
Der Derwiſch ſah ihn laͤchelnd an. — Ed- ler Mann! wo ſollte ich dich ſuchen? fragte er mit gefaͤlliger Freundlichkeit.
Belphegor beſann ſich und merkte, daß ihm die Schwaͤrmerey ſeiner Einbildungs- kraft den Streich geſpielt hatte, ihn einen ſolchen Anachroniſmus begehen zu laſſen. — Nun, ſo fahre fort! ſprach er erroͤthend. —
Beſter Freund, ſagte der Derwiſch nach einer Pauſe, dieſer einzige Zug macht dich mir theuer. — O haͤtte ich dich damals gekannt, haͤtteſt du damals mit deinem Feuer meinen erloſchnen Muth wieder anzuͤnden koͤnnen, wie gluͤcklich waͤre ich geweſen! ich waͤre nicht die Speiſe eines heimlichen Grams geworden! — Doch das Schickſal half ſchnell: der Tyrann ſpannte ſeine Fol- ter ſo ſtark an, daß alle Erduldung und Ge- laſſenheit zerreiſſen mußte. Da alle ſeine Erfindungskraft im Quaͤlen erſchoͤpft ſchien, ſo gab ihm eine wolluͤſtige Laune den tollen Gedanken ein, ſie nackt ſehen zu wollen. Er gebot ihr, ſich auszukleiden, und vor ſeinem und etlicher Freunde Angeſicht — wie er es nannte — à la grecque zu tanzen. Sie wiederſetzte ſich, ſie ſtritt, ſie focht: um-
ſonſt!
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Der Derwiſch ſah ihn laͤchelnd an. — Ed-
ler Mann! wo ſollte ich dich ſuchen? fragte
er mit gefaͤlliger Freundlichkeit.
Belphegor beſann ſich und merkte, daß
ihm die Schwaͤrmerey ſeiner Einbildungs-
kraft den Streich geſpielt hatte, ihn einen
ſolchen Anachroniſmus begehen zu laſſen. —
Nun, ſo fahre fort! ſprach er erroͤthend. —
Beſter Freund, ſagte der Derwiſch nach
einer Pauſe, dieſer einzige Zug macht dich
mir theuer. — O haͤtte ich dich damals
gekannt, haͤtteſt du damals mit deinem Feuer
meinen erloſchnen Muth wieder anzuͤnden
koͤnnen, wie gluͤcklich waͤre ich geweſen! ich
waͤre nicht die Speiſe eines heimlichen
Grams geworden! — Doch das Schickſal
half ſchnell: der Tyrann ſpannte ſeine Fol-
ter ſo ſtark an, daß alle Erduldung und Ge-
laſſenheit zerreiſſen mußte. Da alle ſeine
Erfindungskraft im Quaͤlen erſchoͤpft ſchien,
ſo gab ihm eine wolluͤſtige Laune den tollen
Gedanken ein, ſie nackt ſehen zu wollen.
Er gebot ihr, ſich auszukleiden, und vor
ſeinem und etlicher Freunde Angeſicht —
wie er es nannte — à la grecque zu tanzen.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/95>, abgerufen am 22.12.2024.
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