Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

zu beschwichtigen, das schien ihr durchaus nicht unerlaubt, und das Herz schlug ihr nicht deßhalb so laut, weil sie abergläubisch von ihrem Bekenntniß abirrte, sondern weil sie befürchtete, bei dem Diebstahl einer sehr werthvollen Sache ertappt zu werden.

Ob der Zauber nun doch nicht ganz so kräftig wirkte, als sie erwartet hatte, oder was sonst der Grund sein mochte, sie schien, nach Hause zurückgekehrt, von einer auffallenden Unruhe gepeinigt. Wohl zehn und mehr Mal täglich ging sie scheinbar ohne Veranlassung auf die Dorfstraße hinaus, lief eine Strecke, setzte sich auf einen Chausseestein, schaute ins Weite und machte sich traurig und mit gesenktem Kopf wieder auf den Rückweg. Geelhaar, der sie da einmal sitzen fand, redete sie an. Du wartest wohl auf deinen Schatz? fragte er in seiner etwas herben Weise.-- Das kümmert dich ja nicht, antwortete sie. -- Freilich! nickte er mit den Augen zwinkernd, mich kümmert's nicht, aber dich um so mehr. Wo treibt Wanags sich denn herum? Er vergißt wohl gar den Bietungstermin für sein Grundstück. Du solltest doch an ihn schreiben, Grita; ist er zugegen, so treibt er vielleicht doch noch das Gebot in die Höhe und schlägt ein paar Thaler für sich heraus. -- Sie machte eine ablehnende Bewegung und kehrte ihm halb den Rücken zu. Wohin soll ich schreiben? sagte sie, trotzig den Kopf auswerfend, ich weiß ja nicht, wo er jetzt zu finden ist. Aber es hat keine Noth. Den Hof werdet ihr ihm

zu beschwichtigen, das schien ihr durchaus nicht unerlaubt, und das Herz schlug ihr nicht deßhalb so laut, weil sie abergläubisch von ihrem Bekenntniß abirrte, sondern weil sie befürchtete, bei dem Diebstahl einer sehr werthvollen Sache ertappt zu werden.

Ob der Zauber nun doch nicht ganz so kräftig wirkte, als sie erwartet hatte, oder was sonst der Grund sein mochte, sie schien, nach Hause zurückgekehrt, von einer auffallenden Unruhe gepeinigt. Wohl zehn und mehr Mal täglich ging sie scheinbar ohne Veranlassung auf die Dorfstraße hinaus, lief eine Strecke, setzte sich auf einen Chausseestein, schaute ins Weite und machte sich traurig und mit gesenktem Kopf wieder auf den Rückweg. Geelhaar, der sie da einmal sitzen fand, redete sie an. Du wartest wohl auf deinen Schatz? fragte er in seiner etwas herben Weise.— Das kümmert dich ja nicht, antwortete sie. — Freilich! nickte er mit den Augen zwinkernd, mich kümmert's nicht, aber dich um so mehr. Wo treibt Wanags sich denn herum? Er vergißt wohl gar den Bietungstermin für sein Grundstück. Du solltest doch an ihn schreiben, Grita; ist er zugegen, so treibt er vielleicht doch noch das Gebot in die Höhe und schlägt ein paar Thaler für sich heraus. — Sie machte eine ablehnende Bewegung und kehrte ihm halb den Rücken zu. Wohin soll ich schreiben? sagte sie, trotzig den Kopf auswerfend, ich weiß ja nicht, wo er jetzt zu finden ist. Aber es hat keine Noth. Den Hof werdet ihr ihm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063"/>
zu beschwichtigen, das schien ihr durchaus                     nicht unerlaubt, und das Herz schlug ihr nicht deßhalb so laut, weil sie                     abergläubisch von ihrem Bekenntniß abirrte, sondern weil sie befürchtete, bei                     dem Diebstahl einer sehr werthvollen Sache ertappt zu werden.</p><lb/>
        <p>Ob der Zauber nun doch nicht ganz so kräftig wirkte, als sie erwartet hatte, oder                     was sonst der Grund sein mochte, sie schien, nach Hause zurückgekehrt, von einer                     auffallenden Unruhe gepeinigt. Wohl zehn und mehr Mal täglich ging sie scheinbar                     ohne Veranlassung auf die Dorfstraße hinaus, lief eine Strecke, setzte sich auf                     einen Chausseestein, schaute ins Weite und machte sich traurig und mit gesenktem                     Kopf wieder auf den Rückweg. Geelhaar, der sie da einmal sitzen fand, redete sie                     an. Du wartest wohl auf deinen Schatz? fragte er in seiner etwas herben Weise.&#x2014;                     Das kümmert dich ja nicht, antwortete sie. &#x2014; Freilich! nickte er mit den Augen                     zwinkernd, mich kümmert's nicht, aber dich um so mehr. Wo treibt Wanags sich                     denn herum? Er vergißt wohl gar den Bietungstermin für sein Grundstück. Du                     solltest doch an ihn schreiben, Grita; ist er zugegen, so treibt er vielleicht                     doch noch das Gebot in die Höhe und schlägt ein paar Thaler für sich heraus. &#x2014;                     Sie machte eine ablehnende Bewegung und kehrte ihm halb den Rücken zu. Wohin                     soll ich schreiben? sagte sie, trotzig den Kopf auswerfend, ich weiß ja nicht,                     wo er jetzt zu finden ist. Aber es hat keine Noth. Den Hof werdet ihr ihm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] zu beschwichtigen, das schien ihr durchaus nicht unerlaubt, und das Herz schlug ihr nicht deßhalb so laut, weil sie abergläubisch von ihrem Bekenntniß abirrte, sondern weil sie befürchtete, bei dem Diebstahl einer sehr werthvollen Sache ertappt zu werden. Ob der Zauber nun doch nicht ganz so kräftig wirkte, als sie erwartet hatte, oder was sonst der Grund sein mochte, sie schien, nach Hause zurückgekehrt, von einer auffallenden Unruhe gepeinigt. Wohl zehn und mehr Mal täglich ging sie scheinbar ohne Veranlassung auf die Dorfstraße hinaus, lief eine Strecke, setzte sich auf einen Chausseestein, schaute ins Weite und machte sich traurig und mit gesenktem Kopf wieder auf den Rückweg. Geelhaar, der sie da einmal sitzen fand, redete sie an. Du wartest wohl auf deinen Schatz? fragte er in seiner etwas herben Weise.— Das kümmert dich ja nicht, antwortete sie. — Freilich! nickte er mit den Augen zwinkernd, mich kümmert's nicht, aber dich um so mehr. Wo treibt Wanags sich denn herum? Er vergißt wohl gar den Bietungstermin für sein Grundstück. Du solltest doch an ihn schreiben, Grita; ist er zugegen, so treibt er vielleicht doch noch das Gebot in die Höhe und schlägt ein paar Thaler für sich heraus. — Sie machte eine ablehnende Bewegung und kehrte ihm halb den Rücken zu. Wohin soll ich schreiben? sagte sie, trotzig den Kopf auswerfend, ich weiß ja nicht, wo er jetzt zu finden ist. Aber es hat keine Noth. Den Hof werdet ihr ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/63
Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/63>, abgerufen am 16.05.2024.