Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Viertes Buch, zweytes Capitel. Hof zu machen, mit meinem Schooßhund schwazt undOden auf meinen Sperling macht -- ah! Hippias man muß ein Frauenzimmer seyn, um zu begreifen, was das für ein Vergnügen ist! -- Jch bedaure dich; erwiederte der schalkhafte Sophist, daß du diesem Ver- gnügen bey dem Liebhaber, von dem ich rede, entsa- gen mußt. Er hat seine Proben schon gemacht. Er ist zärtlich wie ein junger Seufzer, aber, wie gesagt, er ist es nur für die Seele der Schönen; alles übrige macht keinen grössern Eindruk auf ihn, als ein Gemähl- de, oder eine Bildsäule. Das wollen wir sehen, ver- sezte Danae; ich verlange schlechterdings, daß du ihn diesen Abend zu mir bringest; du wirst nur eine kleine Gesellschaft finden, die uns nicht hindern soll. Aber wer ist denn dieser Ungenannte, von dem wir schon so lange schwazen?" Es ist ein Sclave, den ich vor etlichen Wochen von einem Cilicier gekauft habe, aber ein Sclave, wie man sonst nirgends sieht. Er ist zu Delphi im Tempel des Apollo erzogen worden, und, so viel ich vermuthe, wird er sein Daseyn der antiplato- nischen Liebe dieses Gottes zu irgend einer artigen Schäferin zu danken haben, die sich zu weit in seinen Lorbeerhayn gewagt haben mag. Er ist hernach eine geraume Zeit zu Athen gewesen, und die schönen Reden des Plato haben die romanhafte Erziehung vollendet, die er in den geheiligten Haynen zu Delphi erhalten. Er gerieth durch einen Zufall in die Hände Cilicischer See- räuber, und aus diesen in die meinige. Er nannte sich Pythokles; aber weil ich diese Art von Namen nicht leiden
Viertes Buch, zweytes Capitel. Hof zu machen, mit meinem Schooßhund ſchwazt undOden auf meinen Sperling macht ‒‒ ah! Hippias man muß ein Frauenzimmer ſeyn, um zu begreifen, was das fuͤr ein Vergnuͤgen iſt! ‒‒ Jch bedaure dich; erwiederte der ſchalkhafte Sophiſt, daß du dieſem Ver- gnuͤgen bey dem Liebhaber, von dem ich rede, entſa- gen mußt. Er hat ſeine Proben ſchon gemacht. Er iſt zaͤrtlich wie ein junger Seufzer, aber, wie geſagt, er iſt es nur fuͤr die Seele der Schoͤnen; alles uͤbrige macht keinen groͤſſern Eindruk auf ihn, als ein Gemaͤhl- de, oder eine Bildſaͤule. Das wollen wir ſehen, ver- ſezte Danae; ich verlange ſchlechterdings, daß du ihn dieſen Abend zu mir bringeſt; du wirſt nur eine kleine Geſellſchaft finden, die uns nicht hindern ſoll. Aber wer iſt denn dieſer Ungenannte, von dem wir ſchon ſo lange ſchwazen?„ Es iſt ein Sclave, den ich vor etlichen Wochen von einem Cilicier gekauft habe, aber ein Sclave, wie man ſonſt nirgends ſieht. Er iſt zu Delphi im Tempel des Apollo erzogen worden, und, ſo viel ich vermuthe, wird er ſein Daſeyn der antiplato- niſchen Liebe dieſes Gottes zu irgend einer artigen Schaͤferin zu danken haben, die ſich zu weit in ſeinen Lorbeerhayn gewagt haben mag. Er iſt hernach eine geraume Zeit zu Athen geweſen, und die ſchoͤnen Reden des Plato haben die romanhafte Erziehung vollendet, die er in den geheiligten Haynen zu Delphi erhalten. Er gerieth durch einen Zufall in die Haͤnde Ciliciſcher See- raͤuber, und aus dieſen in die meinige. Er nannte ſich Pythokles; aber weil ich dieſe Art von Namen nicht leiden
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Viertes Buch, zweytes Capitel.
Hof zu machen, mit meinem Schooßhund ſchwazt und
Oden auf meinen Sperling macht ‒‒ ah! Hippias
man muß ein Frauenzimmer ſeyn, um zu begreifen,
was das fuͤr ein Vergnuͤgen iſt! ‒‒ Jch bedaure dich;
erwiederte der ſchalkhafte Sophiſt, daß du dieſem Ver-
gnuͤgen bey dem Liebhaber, von dem ich rede, entſa-
gen mußt. Er hat ſeine Proben ſchon gemacht. Er iſt
zaͤrtlich wie ein junger Seufzer, aber, wie geſagt, er
iſt es nur fuͤr die Seele der Schoͤnen; alles uͤbrige
macht keinen groͤſſern Eindruk auf ihn, als ein Gemaͤhl-
de, oder eine Bildſaͤule. Das wollen wir ſehen, ver-
ſezte Danae; ich verlange ſchlechterdings, daß du ihn
dieſen Abend zu mir bringeſt; du wirſt nur eine kleine
Geſellſchaft finden, die uns nicht hindern ſoll. Aber
wer iſt denn dieſer Ungenannte, von dem wir ſchon
ſo lange ſchwazen?„ Es iſt ein Sclave, den ich vor
etlichen Wochen von einem Cilicier gekauft habe, aber
ein Sclave, wie man ſonſt nirgends ſieht. Er iſt zu
Delphi im Tempel des Apollo erzogen worden, und, ſo
viel ich vermuthe, wird er ſein Daſeyn der antiplato-
niſchen Liebe dieſes Gottes zu irgend einer artigen
Schaͤferin zu danken haben, die ſich zu weit in ſeinen
Lorbeerhayn gewagt haben mag. Er iſt hernach eine
geraume Zeit zu Athen geweſen, und die ſchoͤnen Reden
des Plato haben die romanhafte Erziehung vollendet,
die er in den geheiligten Haynen zu Delphi erhalten. Er
gerieth durch einen Zufall in die Haͤnde Ciliciſcher See-
raͤuber, und aus dieſen in die meinige. Er nannte ſich
Pythokles; aber weil ich dieſe Art von Namen nicht
leiden
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