Eilftes Capitel. Agathon kömmt zu Smyrna an, und wird verkauft.
Das Wetter war unsern Seefahrern so günstig, daß Agathon gute Musse hatte, seinen Betrachtungen so lange nachzuhängen, als er wollte; zumal da seine Reise von keinem der Umstände begleitet war, womit eine poetische Seefahrt ausgeschmükt zu seyn pflegt. Denn man sahe da weder Tritonen, die aus krummen Ammons-Hörnern bliesen, noch Nereiden, die auf Del- phinen, mit Blumen-Kränzen gezäumet, über den Wel- len daherritten; noch Syrenen, die mit halbem Leib aus dem Wasser hervorragend, die Augen durch ihre Schön- heit, und das Ohr durch die Süssigkeit ihrer Stimme bezaubert hätten. Die Winde selbst waren etliche Tage lang so zahm, als ob sie es mit einander abgeredet hätten, uns keine Gelegenheit zu irgend einer schönen Beschrei- bung eines Sturms oder eines Schifbruchs zu geben; kurz, die Reise gieng so glüklich von statten, daß die Barke am Abend des dritten Tages in den Haven von Smyrna einlief; wo die Räuber, nunmehr unter dem Schuz des grossen Königs gesichert, sich nicht säumten, ihre Gefangenen ans Land zu sezen, in der Hoffnung, auf dem Sclaven-Markte keinen geringen Vortheil aus
ihnen
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Erſtes Buch, eilftes Capitel.
Eilftes Capitel. Agathon koͤmmt zu Smyrna an, und wird verkauft.
Das Wetter war unſern Seefahrern ſo guͤnſtig, daß Agathon gute Muſſe hatte, ſeinen Betrachtungen ſo lange nachzuhaͤngen, als er wollte; zumal da ſeine Reiſe von keinem der Umſtaͤnde begleitet war, womit eine poetiſche Seefahrt ausgeſchmuͤkt zu ſeyn pflegt. Denn man ſahe da weder Tritonen, die aus krummen Ammons-Hoͤrnern blieſen, noch Nereiden, die auf Del- phinen, mit Blumen-Kraͤnzen gezaͤumet, uͤber den Wel- len daherritten; noch Syrenen, die mit halbem Leib aus dem Waſſer hervorragend, die Augen durch ihre Schoͤn- heit, und das Ohr durch die Suͤſſigkeit ihrer Stimme bezaubert haͤtten. Die Winde ſelbſt waren etliche Tage lang ſo zahm, als ob ſie es mit einander abgeredet haͤtten, uns keine Gelegenheit zu irgend einer ſchoͤnen Beſchrei- bung eines Sturms oder eines Schifbruchs zu geben; kurz, die Reiſe gieng ſo gluͤklich von ſtatten, daß die Barke am Abend des dritten Tages in den Haven von Smyrna einlief; wo die Raͤuber, nunmehr unter dem Schuz des groſſen Koͤnigs geſichert, ſich nicht ſaͤumten, ihre Gefangenen ans Land zu ſezen, in der Hoffnung, auf dem Sclaven-Markte keinen geringen Vortheil aus
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Erſtes Buch, eilftes Capitel.
Eilftes Capitel.
Agathon koͤmmt zu Smyrna an, und wird
verkauft.
Das Wetter war unſern Seefahrern ſo guͤnſtig, daß
Agathon gute Muſſe hatte, ſeinen Betrachtungen ſo
lange nachzuhaͤngen, als er wollte; zumal da ſeine
Reiſe von keinem der Umſtaͤnde begleitet war, womit
eine poetiſche Seefahrt ausgeſchmuͤkt zu ſeyn pflegt.
Denn man ſahe da weder Tritonen, die aus krummen
Ammons-Hoͤrnern blieſen, noch Nereiden, die auf Del-
phinen, mit Blumen-Kraͤnzen gezaͤumet, uͤber den Wel-
len daherritten; noch Syrenen, die mit halbem Leib aus
dem Waſſer hervorragend, die Augen durch ihre Schoͤn-
heit, und das Ohr durch die Suͤſſigkeit ihrer Stimme
bezaubert haͤtten. Die Winde ſelbſt waren etliche Tage
lang ſo zahm, als ob ſie es mit einander abgeredet haͤtten,
uns keine Gelegenheit zu irgend einer ſchoͤnen Beſchrei-
bung eines Sturms oder eines Schifbruchs zu geben;
kurz, die Reiſe gieng ſo gluͤklich von ſtatten, daß die
Barke am Abend des dritten Tages in den Haven von
Smyrna einlief; wo die Raͤuber, nunmehr unter dem
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/57>, abgerufen am 21.11.2024.
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