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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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15.
Die Alte wird von neuem ausgefragt,
Muß drey und viermal wiederholen
Was er gethan, gesagt und nicht gesagt;
Muß immer wieder ihn vom haupt bis zu den solen
Abschildern, zug vor zug -- wie gelb und lang sein haar,
Wie groß und blau sein schönes augenpaar;
Und immer ist noch etwas nachzuholen,
Das in der eil ihr ausgefallen war.
16.
Derweil sich so um zwanzig Jahre jünger
Die Alte schwazt, entspinnt der hohe lockenbau
Der schönen Braut sich unter Fatmens finger.
Mit perlen, glänzender als thau,
Wird schneckengleich ihr schwarzes haar durchflochten,
Ohr, hals und gürtel schmükt so schimmerndes gestein,
Daß ihren glanz im sonnenschein
Die augen kaum ertragen mochten.
17.
Vollendet stellt nunmehr, von ihrer Nymfenschaar
Zum fest geschmükt und bräutlich angekleidet,
Gleich einer Sonne sich die Königstochter dar,
Und lieblich wie ein reh, das unter rosen weidet.
Kein auge sah sie ohne liebe an,
Wiewohl sie izt nur mädchenaugen sahn:
Nur sie allein schien nichts davon zu wissen,
Wie neben ihr die sterne schwinden müssen.
18. Das
G
15.
Die Alte wird von neuem ausgefragt,
Muß drey und viermal wiederholen
Was er gethan, geſagt und nicht geſagt;
Muß immer wieder ihn vom haupt bis zu den ſolen
Abſchildern, zug vor zug — wie gelb und lang ſein haar,
Wie groß und blau ſein ſchoͤnes augenpaar;
Und immer iſt noch etwas nachzuholen,
Das in der eil ihr ausgefallen war.
16.
Derweil ſich ſo um zwanzig Jahre juͤnger
Die Alte ſchwazt, entſpinnt der hohe lockenbau
Der ſchoͤnen Braut ſich unter Fatmens finger.
Mit perlen, glaͤnzender als thau,
Wird ſchneckengleich ihr ſchwarzes haar durchflochten,
Ohr, hals und guͤrtel ſchmuͤkt ſo ſchimmerndes geſtein,
Daß ihren glanz im ſonnenſchein
Die augen kaum ertragen mochten.
17.
Vollendet ſtellt nunmehr, von ihrer Nymfenſchaar
Zum feſt geſchmuͤkt und braͤutlich angekleidet,
Gleich einer Sonne ſich die Koͤnigstochter dar,
Und lieblich wie ein reh, das unter roſen weidet.
Kein auge ſah ſie ohne liebe an,
Wiewohl ſie izt nur maͤdchenaugen ſahn:
Nur ſie allein ſchien nichts davon zu wiſſen,
Wie neben ihr die ſterne ſchwinden muͤſſen.
18. Das
G
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[0103] 15. Die Alte wird von neuem ausgefragt, Muß drey und viermal wiederholen Was er gethan, geſagt und nicht geſagt; Muß immer wieder ihn vom haupt bis zu den ſolen Abſchildern, zug vor zug — wie gelb und lang ſein haar, Wie groß und blau ſein ſchoͤnes augenpaar; Und immer iſt noch etwas nachzuholen, Das in der eil ihr ausgefallen war. 16. Derweil ſich ſo um zwanzig Jahre juͤnger Die Alte ſchwazt, entſpinnt der hohe lockenbau Der ſchoͤnen Braut ſich unter Fatmens finger. Mit perlen, glaͤnzender als thau, Wird ſchneckengleich ihr ſchwarzes haar durchflochten, Ohr, hals und guͤrtel ſchmuͤkt ſo ſchimmerndes geſtein, Daß ihren glanz im ſonnenſchein Die augen kaum ertragen mochten. 17. Vollendet ſtellt nunmehr, von ihrer Nymfenſchaar Zum feſt geſchmuͤkt und braͤutlich angekleidet, Gleich einer Sonne ſich die Koͤnigstochter dar, Und lieblich wie ein reh, das unter roſen weidet. Kein auge ſah ſie ohne liebe an, Wiewohl ſie izt nur maͤdchenaugen ſahn: Nur ſie allein ſchien nichts davon zu wiſſen, Wie neben ihr die ſterne ſchwinden muͤſſen. 18. Das G

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/103>, abgerufen am 22.12.2024.