Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.45. So bleich und abgezehrt, mit noth und gram umfangenAls Hüon schien, war der Verstoß, in den Der alte Vater fiel, nur allzuleicht begangen. Allein, wie beyde sich recht in die Augen sehn, Und als der Greis aus Hüons mund vernommen Was ihn hieher gebracht, wiewohl sein anblik schon Ihm alles sagt, umarmt er ihn wie einen Sohn, Und heißt recht herzlich ihn in seiner Klaus willkommen. 46. Und führt ihn ungesäumt zu einem frischen Quell,Der, rein wie luft, und wie krystallen hell Ganz nah an seinem Dach aus einem felsen quillet; Und während Hüon ruht und seinen Durst hier stillet, Eilt er und pflükt in seinem kleinen Garten In einen reinlichen korb die schönsten Früchte ab, Die, für den fleis sie selbst zu bauen und zu warten, Nicht kärglich ihm ein milder Himmel gab; 47. Und hört nicht auf ihm sein erstaunen zu bezeugen,Wie einem, der sich nicht zween flügel angeschraubt, Es möglich war die felsen zu ersteigen Wo dreißig jahre schon er sich so einsam glaubt Als wie in seinem grab. "Es ist ein wahres zeichen Daß euch ein guter Engel schüzt; Allein, sezt er hinzu, das nöthigste ist izt Dem jungen Weib die hand des trosts zu reichen. 48. Ein N
45. So bleich und abgezehrt, mit noth und gram umfangenAls Huͤon ſchien, war der Verſtoß, in den Der alte Vater fiel, nur allzuleicht begangen. Allein, wie beyde ſich recht in die Augen ſehn, Und als der Greis aus Huͤons mund vernommen Was ihn hieher gebracht, wiewohl ſein anblik ſchon Ihm alles ſagt, umarmt er ihn wie einen Sohn, Und heißt recht herzlich ihn in ſeiner Klaus willkommen. 46. Und fuͤhrt ihn ungeſaͤumt zu einem friſchen Quell,Der, rein wie luft, und wie kryſtallen hell Ganz nah an ſeinem Dach aus einem felſen quillet; Und waͤhrend Huͤon ruht und ſeinen Durſt hier ſtillet, Eilt er und pfluͤkt in ſeinem kleinen Garten In einen reinlichen korb die ſchoͤnſten Fruͤchte ab, Die, fuͤr den fleis ſie ſelbſt zu bauen und zu warten, Nicht kaͤrglich ihm ein milder Himmel gab; 47. Und hoͤrt nicht auf ihm ſein erſtaunen zu bezeugen,Wie einem, der ſich nicht zween fluͤgel angeſchraubt, Es moͤglich war die felſen zu erſteigen Wo dreißig jahre ſchon er ſich ſo einſam glaubt Als wie in ſeinem grab. „Es iſt ein wahres zeichen Daß euch ein guter Engel ſchuͤzt; Allein, ſezt er hinzu, das noͤthigſte iſt izt Dem jungen Weib die hand des troſts zu reichen. 48. Ein N
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45.
So bleich und abgezehrt, mit noth und gram umfangen
Als Huͤon ſchien, war der Verſtoß, in den
Der alte Vater fiel, nur allzuleicht begangen.
Allein, wie beyde ſich recht in die Augen ſehn,
Und als der Greis aus Huͤons mund vernommen
Was ihn hieher gebracht, wiewohl ſein anblik ſchon
Ihm alles ſagt, umarmt er ihn wie einen Sohn,
Und heißt recht herzlich ihn in ſeiner Klaus willkommen.
46.
Und fuͤhrt ihn ungeſaͤumt zu einem friſchen Quell,
Der, rein wie luft, und wie kryſtallen hell
Ganz nah an ſeinem Dach aus einem felſen quillet;
Und waͤhrend Huͤon ruht und ſeinen Durſt hier ſtillet,
Eilt er und pfluͤkt in ſeinem kleinen Garten
In einen reinlichen korb die ſchoͤnſten Fruͤchte ab,
Die, fuͤr den fleis ſie ſelbſt zu bauen und zu warten,
Nicht kaͤrglich ihm ein milder Himmel gab;
47.
Und hoͤrt nicht auf ihm ſein erſtaunen zu bezeugen,
Wie einem, der ſich nicht zween fluͤgel angeſchraubt,
Es moͤglich war die felſen zu erſteigen
Wo dreißig jahre ſchon er ſich ſo einſam glaubt
Als wie in ſeinem grab. „Es iſt ein wahres zeichen
Daß euch ein guter Engel ſchuͤzt;
Allein, ſezt er hinzu, das noͤthigſte iſt izt
Dem jungen Weib die hand des troſts zu reichen.
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N
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