gen, den bezaubernden Mund, die feine Nase nicht von dem Gesicht und das Gesicht nicht von dem Rumpfe des einzelnen Wesens getrennt und abgesondert denken, ohne uns überhaupt den Ein¬ druck der Schönheit zu zerstören.
Es ist nicht meine Absicht, hier alle Defini¬ tionen der Schönheit zu beleuchten. Bemerke ich nur, daß grade die tiefsinnigste auf dem Grund¬ fehler beruhe, die Schönheit als ein ideelles Et¬ was, als eine einzige bestimmte Ursache für alle Wirkungen des Schönen zu betrachten. Allein mannigfaltig ist des Schönen Natur und viele Elemente gibt es, die das Schöne darstellen.
Doch halte ich es für wichtig, ehe ich Ihnen darüber meine Ideen mittheile, Sie vor der so gewöhnlichen Verwechselung des Schönen, sei es mit dem Nützlichen und Angenehmen, sei es mit dem Interessanten, zu warnen. Ganze philoso¬ phische Sekten, wie die stoische, haben das Schöne mit dem Nützlichen verwechselt; alle Dialektik der Stoiker konnte den ästhetischen Sinn nicht ersetzen. Das Schöne befriedigt, wie das Nützliche und Angenehme, allein das Schöne befriedigt, wie es gesucht wird, um sein selbst willen, das Nützliche nur um eines Andern willen, wozu es nütz ist, und, obwohl wir das Angenehme oft ohne wei¬ tere Nebenrücksichten begehren, und es also mit
gen, den bezaubernden Mund, die feine Naſe nicht von dem Geſicht und das Geſicht nicht von dem Rumpfe des einzelnen Weſens getrennt und abgeſondert denken, ohne uns uͤberhaupt den Ein¬ druck der Schoͤnheit zu zerſtoͤren.
Es iſt nicht meine Abſicht, hier alle Defini¬ tionen der Schoͤnheit zu beleuchten. Bemerke ich nur, daß grade die tiefſinnigſte auf dem Grund¬ fehler beruhe, die Schoͤnheit als ein ideelles Et¬ was, als eine einzige beſtimmte Urſache fuͤr alle Wirkungen des Schoͤnen zu betrachten. Allein mannigfaltig iſt des Schoͤnen Natur und viele Elemente gibt es, die das Schoͤne darſtellen.
Doch halte ich es fuͤr wichtig, ehe ich Ihnen daruͤber meine Ideen mittheile, Sie vor der ſo gewoͤhnlichen Verwechſelung des Schoͤnen, ſei es mit dem Nuͤtzlichen und Angenehmen, ſei es mit dem Intereſſanten, zu warnen. Ganze philoſo¬ phiſche Sekten, wie die ſtoiſche, haben das Schoͤne mit dem Nuͤtzlichen verwechſelt; alle Dialektik der Stoiker konnte den aͤſthetiſchen Sinn nicht erſetzen. Das Schoͤne befriedigt, wie das Nuͤtzliche und Angenehme, allein das Schoͤne befriedigt, wie es geſucht wird, um ſein ſelbſt willen, das Nuͤtzliche nur um eines Andern willen, wozu es nuͤtz iſt, und, obwohl wir das Angenehme oft ohne wei¬ tere Nebenruͤckſichten begehren, und es alſo mit
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gen, den bezaubernden Mund, die feine Naſe
nicht von dem Geſicht und das Geſicht nicht von
dem Rumpfe des einzelnen Weſens getrennt und
abgeſondert denken, ohne uns uͤberhaupt den Ein¬
druck der Schoͤnheit zu zerſtoͤren.
Es iſt nicht meine Abſicht, hier alle Defini¬
tionen der Schoͤnheit zu beleuchten. Bemerke ich
nur, daß grade die tiefſinnigſte auf dem Grund¬
fehler beruhe, die Schoͤnheit als ein ideelles Et¬
was, als eine einzige beſtimmte Urſache fuͤr alle
Wirkungen des Schoͤnen zu betrachten. Allein
mannigfaltig iſt des Schoͤnen Natur und viele
Elemente gibt es, die das Schoͤne darſtellen.
Doch halte ich es fuͤr wichtig, ehe ich Ihnen
daruͤber meine Ideen mittheile, Sie vor der ſo
gewoͤhnlichen Verwechſelung des Schoͤnen, ſei es
mit dem Nuͤtzlichen und Angenehmen, ſei es mit
dem Intereſſanten, zu warnen. Ganze philoſo¬
phiſche Sekten, wie die ſtoiſche, haben das Schoͤne
mit dem Nuͤtzlichen verwechſelt; alle Dialektik der
Stoiker konnte den aͤſthetiſchen Sinn nicht erſetzen.
Das Schoͤne befriedigt, wie das Nuͤtzliche und
Angenehme, allein das Schoͤne befriedigt, wie es
geſucht wird, um ſein ſelbſt willen, das Nuͤtzliche
nur um eines Andern willen, wozu es nuͤtz iſt,
und, obwohl wir das Angenehme oft ohne wei¬
tere Nebenruͤckſichten begehren, und es alſo mit
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/163>, abgerufen am 24.11.2024.
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