Sporen klingen ließ, den Flammberg schwang, etwas alterthümlich und ritterlich renommirte, und wenn es ihm wohl ward, das schönste Gefühl in sich, die angeborne Sehnsucht auf etwas Bestimm¬ tes, auf das künftige Vaterland zu fixiren kam. Der Zeit hingegen, als Goethe jene größere Zahl von dramatischen und romantischen Gedichten schrieb, wo die Liebe zu einem Mädchen die Hauptrolle spielt, entspricht dieselbe Periode im Leben eines Deutschen, die auf die ritterliche folgt, wo der eiserne Götz in Splittern zerspringt und statt des¬ sen ein schmachtender, sanfter Liebhaber zum Vor¬ schein kommt, der über sein Mädchen Welt und Vaterland vergißt. Was aber die größte und letzte Reihe der Produkte Goethe's betrifft, diese Romane und Dramen, welche das Philisterthum, das vornehme, wie das gemeinbürgerliche nicht allein erträglich und behaglich, sondern auch poe¬ tisch finden, so entsprechen sie dem Deutschen, der Ehemann geworden, ein Amt, Ehre und Titel bekommen hat und der mit einer gewissen vorneh¬ men Ironie auf die Schwärmereien seiner Ju¬ gend, auf Sehnsucht, Ritterthum, Vaterland, Jugendleben zurückblickt, des Tags bei den Akten schwitzt, des Abends eine Partie L'hombre spielt und beim zu Bette gehen den Tag im Kalender durchstreicht, den er als ehrlicher Gatte und Staats¬
Sporen klingen ließ, den Flammberg ſchwang, etwas alterthuͤmlich und ritterlich renommirte, und wenn es ihm wohl ward, das ſchoͤnſte Gefuͤhl in ſich, die angeborne Sehnſucht auf etwas Beſtimm¬ tes, auf das kuͤnftige Vaterland zu fixiren kam. Der Zeit hingegen, als Goethe jene groͤßere Zahl von dramatiſchen und romantiſchen Gedichten ſchrieb, wo die Liebe zu einem Maͤdchen die Hauptrolle ſpielt, entſpricht dieſelbe Periode im Leben eines Deutſchen, die auf die ritterliche folgt, wo der eiſerne Goͤtz in Splittern zerſpringt und ſtatt deſ¬ ſen ein ſchmachtender, ſanfter Liebhaber zum Vor¬ ſchein kommt, der uͤber ſein Maͤdchen Welt und Vaterland vergißt. Was aber die groͤßte und letzte Reihe der Produkte Goethe's betrifft, dieſe Romane und Dramen, welche das Philiſterthum, das vornehme, wie das gemeinbuͤrgerliche nicht allein ertraͤglich und behaglich, ſondern auch poe¬ tiſch finden, ſo entſprechen ſie dem Deutſchen, der Ehemann geworden, ein Amt, Ehre und Titel bekommen hat und der mit einer gewiſſen vorneh¬ men Ironie auf die Schwaͤrmereien ſeiner Ju¬ gend, auf Sehnſucht, Ritterthum, Vaterland, Jugendleben zuruͤckblickt, des Tags bei den Akten ſchwitzt, des Abends eine Partie L'hombre ſpielt und beim zu Bette gehen den Tag im Kalender durchſtreicht, den er als ehrlicher Gatte und Staats¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="255"/>
Sporen klingen ließ, den Flammberg ſchwang,<lb/>
etwas alterthuͤmlich und ritterlich renommirte, und<lb/>
wenn es ihm wohl ward, das ſchoͤnſte Gefuͤhl in<lb/>ſich, die angeborne Sehnſucht auf etwas Beſtimm¬<lb/>
tes, auf das kuͤnftige Vaterland zu fixiren kam.<lb/>
Der Zeit hingegen, als Goethe jene groͤßere Zahl<lb/>
von dramatiſchen und romantiſchen Gedichten ſchrieb,<lb/>
wo die Liebe zu einem Maͤdchen die Hauptrolle<lb/>ſpielt, entſpricht dieſelbe Periode im Leben eines<lb/>
Deutſchen, die auf die ritterliche folgt, wo der<lb/>
eiſerne Goͤtz in Splittern zerſpringt und ſtatt deſ¬<lb/>ſen ein ſchmachtender, ſanfter Liebhaber zum Vor¬<lb/>ſchein kommt, der uͤber ſein Maͤdchen Welt und<lb/>
Vaterland vergißt. Was aber die groͤßte und<lb/>
letzte Reihe der Produkte Goethe's betrifft, dieſe<lb/>
Romane und Dramen, welche das Philiſterthum,<lb/>
das vornehme, wie das gemeinbuͤrgerliche nicht<lb/>
allein ertraͤglich und behaglich, ſondern auch poe¬<lb/>
tiſch finden, ſo entſprechen ſie dem Deutſchen, der<lb/>
Ehemann geworden, ein Amt, Ehre und Titel<lb/>
bekommen hat und der mit einer gewiſſen vorneh¬<lb/>
men Ironie auf die Schwaͤrmereien ſeiner Ju¬<lb/>
gend, auf Sehnſucht, Ritterthum, Vaterland,<lb/>
Jugendleben zuruͤckblickt, des Tags bei den Akten<lb/>ſchwitzt, des Abends eine Partie L'hombre ſpielt<lb/>
und beim zu Bette gehen den Tag im Kalender<lb/>
durchſtreicht, den er als ehrlicher Gatte und Staats¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[255/0269]
Sporen klingen ließ, den Flammberg ſchwang,
etwas alterthuͤmlich und ritterlich renommirte, und
wenn es ihm wohl ward, das ſchoͤnſte Gefuͤhl in
ſich, die angeborne Sehnſucht auf etwas Beſtimm¬
tes, auf das kuͤnftige Vaterland zu fixiren kam.
Der Zeit hingegen, als Goethe jene groͤßere Zahl
von dramatiſchen und romantiſchen Gedichten ſchrieb,
wo die Liebe zu einem Maͤdchen die Hauptrolle
ſpielt, entſpricht dieſelbe Periode im Leben eines
Deutſchen, die auf die ritterliche folgt, wo der
eiſerne Goͤtz in Splittern zerſpringt und ſtatt deſ¬
ſen ein ſchmachtender, ſanfter Liebhaber zum Vor¬
ſchein kommt, der uͤber ſein Maͤdchen Welt und
Vaterland vergißt. Was aber die groͤßte und
letzte Reihe der Produkte Goethe's betrifft, dieſe
Romane und Dramen, welche das Philiſterthum,
das vornehme, wie das gemeinbuͤrgerliche nicht
allein ertraͤglich und behaglich, ſondern auch poe¬
tiſch finden, ſo entſprechen ſie dem Deutſchen, der
Ehemann geworden, ein Amt, Ehre und Titel
bekommen hat und der mit einer gewiſſen vorneh¬
men Ironie auf die Schwaͤrmereien ſeiner Ju¬
gend, auf Sehnſucht, Ritterthum, Vaterland,
Jugendleben zuruͤckblickt, des Tags bei den Akten
ſchwitzt, des Abends eine Partie L'hombre ſpielt
und beim zu Bette gehen den Tag im Kalender
durchſtreicht, den er als ehrlicher Gatte und Staats¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/269>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.