eine solche Kunst der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abentheuerlich ergreift und etwas Unendliches, Ahnungvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird Jeder geste¬ hen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist, wie aus Büchern der neuern Zeit über dasselbe.
Sollte es nun diese romantische Art der Schönheit sein, die uns als Muster, als natio¬ nelles Element vorschweben muß, wenn wir uns aus dieser Zeit nach einer schöneren umsehen?
Ehe ich mir diese Frage zu beantworten ge¬ traue, werfe ich einen kritischen Blick auf gewisse Erscheinungen des Mittelalters, die als die glän¬ zendsten von den romantischen Dichtern gepriesen worden sind; bewähren sich diese als echt, als für alle Zeiten echt, sind sie nicht allein dem Schooß einer gewissen Bildungsstufe, sondern dem ewigen Schooße der Natur selbst entsprungen, so würden sie für die romantische Schönheit, mit welcher sie in sehr genauer Verbindung stehen, in unsern Augen ein sehr günstiges Vorurtheil erwecken. Ich meine hier insbesondere die Andacht, die Ritter¬ ehre und die Frauenliebe des Mittelalters, drei
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eine ſolche Kunſt der Bedeutſamkeit, eine ſolche Symbolik der Religion und der Liebe aus den Denkmaͤlern des Mittelalters uͤberall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abentheuerlich ergreift und etwas Unendliches, Ahnungvolles, Sehnſuͤchtiges in uns anregt, wird Jeder geſte¬ hen, dem das Mittelalter bekannter geworden iſt, wie aus Buͤchern der neuern Zeit uͤber daſſelbe.
Sollte es nun dieſe romantiſche Art der Schoͤnheit ſein, die uns als Muſter, als natio¬ nelles Element vorſchweben muß, wenn wir uns aus dieſer Zeit nach einer ſchoͤneren umſehen?
Ehe ich mir dieſe Frage zu beantworten ge¬ traue, werfe ich einen kritiſchen Blick auf gewiſſe Erſcheinungen des Mittelalters, die als die glaͤn¬ zendſten von den romantiſchen Dichtern geprieſen worden ſind; bewaͤhren ſich dieſe als echt, als fuͤr alle Zeiten echt, ſind ſie nicht allein dem Schooß einer gewiſſen Bildungsſtufe, ſondern dem ewigen Schooße der Natur ſelbſt entſprungen, ſo wuͤrden ſie fuͤr die romantiſche Schoͤnheit, mit welcher ſie in ſehr genauer Verbindung ſtehen, in unſern Augen ein ſehr guͤnſtiges Vorurtheil erwecken. Ich meine hier insbeſondere die Andacht, die Ritter¬ ehre und die Frauenliebe des Mittelalters, drei
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eine ſolche Kunſt der Bedeutſamkeit, eine ſolche
Symbolik der Religion und der Liebe aus den
Denkmaͤlern des Mittelalters uͤberall anweht, uns
bald heimlich, bald großartig, bald abentheuerlich
ergreift und etwas Unendliches, Ahnungvolles,
Sehnſuͤchtiges in uns anregt, wird Jeder geſte¬
hen, dem das Mittelalter bekannter geworden iſt,
wie aus Buͤchern der neuern Zeit uͤber daſſelbe.
Sollte es nun dieſe romantiſche Art der
Schoͤnheit ſein, die uns als Muſter, als natio¬
nelles Element vorſchweben muß, wenn wir uns
aus dieſer Zeit nach einer ſchoͤneren umſehen?
Ehe ich mir dieſe Frage zu beantworten ge¬
traue, werfe ich einen kritiſchen Blick auf gewiſſe
Erſcheinungen des Mittelalters, die als die glaͤn¬
zendſten von den romantiſchen Dichtern geprieſen
worden ſind; bewaͤhren ſich dieſe als echt, als fuͤr
alle Zeiten echt, ſind ſie nicht allein dem Schooß
einer gewiſſen Bildungsſtufe, ſondern dem ewigen
Schooße der Natur ſelbſt entſprungen, ſo wuͤrden
ſie fuͤr die romantiſche Schoͤnheit, mit welcher ſie
in ſehr genauer Verbindung ſtehen, in unſern
Augen ein ſehr guͤnſtiges Vorurtheil erwecken. Ich
meine hier insbeſondere die Andacht, die Ritter¬
ehre und die Frauenliebe des Mittelalters, drei
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/39>, abgerufen am 03.12.2024.
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