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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Geschichte des tragikertextes.

Die anregung und sehr vielfach auch den stoff hat er von den peri-
patetikern entlehnt. so wenig wie ihnen war es ihm darum zu tun,
den inhalt des folgenden stückes zu erzählen; was wir der art lesen,
sind erzeugnisse späterer zeit, die mit den mythographischen hand-
büchern zusammengehören. es werden vielmehr nur ganz kurz und nur
dem im allgemeinen unterrichteten verständlich die hauptereignisse der
folgenden handlung bezeichnet 38). ausserdem folgt der litterarische nach-
weis, ob und wo derselbe stoff von den beiden anderen tragikern oder
auch überhaupt behandelt war 38a). damit verband sich nötigenfalls eine
erörterung über echtheit und integrität des vorliegenden dramas. sodann
ward aus den schriften des Aristoteles und seiner schule der auszug aus
den amtlichen aufzeichnungen hingesetzt, welcher jahr fest erfolg con-
currenten der ersten aufführung angab. zum teil nach denselben büchern
ward eine aesthetische würdigung gegeben, teils ganz kurz, wie z. b. von
Euripides stücke erster und zweiter classe unterschieden werden, teils
in ausführlicherer begründung, auch mit hinweis auf die älteren kritiker.
endlich ersetzte die angabe des ortes der handlung, der zusammensetzung
des chores und der person, die den prolog sprach, vollkommen ein per-
sonenverzeichnis, das nicht üblich und in der tat ganz entbehrlich war.
nützliche gelehrsamkeit ward gelegentlich hier oder dort zugefügt 39). die
reihenfolge der teile ist in unserer überlieferung nicht fest; auch kann
man nicht alles mit gleicher sicherheit auf Aristophanes zurückführen, da
die grammatiker, welche nach ihm einzelne stücke herausgaben, auch an den
vorbemerkungen änderten 40), und auch solche zusätze ihren weg in die

38) Wenn ein stück Phoinissai hiess, so war eine solche bemerkung in der
tat angezeigt, wie er sie macht: epistrateia Poluneikous meta ton Argeion epi
Thebas kai apoleia ton adelphon Poluneikous kai Eteokleous kai thanatos Ioka-
stes, und doch ist der ausdruck hier von einer redseligkeit, die den überarbeiter zeigt.
auch die vergleichenden bemerkungen forderten diese angaben, wie denn die Phoe-
nissen fortfahren e muthopoiia par Aiskhulo en Ept epi Thebas plen tes Iokastes.
38a) Diese notiz, par oudeni keitai e muthopoiia, steht vor dem Orestes, dessen
absonderliche erfindung diese besondere hervorhebung wol verdient.
39) So steht über den sprecher des prologs eine gelehrte notiz zum Aga-
memnon; öfter sind auch reste der hypothesis in die scholien verschlagen, so am
schlusse der Antigone und am anfange des Philoktet über die euripideischen con-
currenzstücke, zu Hek. 1 ta peri Poluxenen estin eurein pari Sophoklei en Polu-
xene (so zu lesen). das aesthetische urteil über den Orestes steht zum teil auch
am schlusse. auch die kritik des aischyleischen concurrenzstückes Ai. 134 dürfte
aus der hypothesis stammen.
40) So ist unsere hypothesis zum Rhesos geschrieben von dem welcher die
echtheit des dramas behauptete, und der nahm dabei die auf, welche der von ihm
Geschichte des tragikertextes.

Die anregung und sehr vielfach auch den stoff hat er von den peri-
patetikern entlehnt. so wenig wie ihnen war es ihm darum zu tun,
den inhalt des folgenden stückes zu erzählen; was wir der art lesen,
sind erzeugnisse späterer zeit, die mit den mythographischen hand-
büchern zusammengehören. es werden vielmehr nur ganz kurz und nur
dem im allgemeinen unterrichteten verständlich die hauptereignisse der
folgenden handlung bezeichnet 38). auſserdem folgt der litterarische nach-
weis, ob und wo derselbe stoff von den beiden anderen tragikern oder
auch überhaupt behandelt war 38a). damit verband sich nötigenfalls eine
erörterung über echtheit und integrität des vorliegenden dramas. sodann
ward aus den schriften des Aristoteles und seiner schule der auszug aus
den amtlichen aufzeichnungen hingesetzt, welcher jahr fest erfolg con-
currenten der ersten aufführung angab. zum teil nach denselben büchern
ward eine aesthetische würdigung gegeben, teils ganz kurz, wie z. b. von
Euripides stücke erster und zweiter classe unterschieden werden, teils
in ausführlicherer begründung, auch mit hinweis auf die älteren kritiker.
endlich ersetzte die angabe des ortes der handlung, der zusammensetzung
des chores und der person, die den prolog sprach, vollkommen ein per-
sonenverzeichnis, das nicht üblich und in der tat ganz entbehrlich war.
nützliche gelehrsamkeit ward gelegentlich hier oder dort zugefügt 39). die
reihenfolge der teile ist in unserer überlieferung nicht fest; auch kann
man nicht alles mit gleicher sicherheit auf Aristophanes zurückführen, da
die grammatiker, welche nach ihm einzelne stücke herausgaben, auch an den
vorbemerkungen änderten 40), und auch solche zusätze ihren weg in die

38) Wenn ein stück Φοίνισσαι hieſs, so war eine solche bemerkung in der
tat angezeigt, wie er sie macht: ἐπιστρατεία Πολυνείκους μετὰ τῶν Ἀργείων ἐπὶ
Θήβας καὶ ἀπώλεια τῶν ἀδελφῶν Πολυνείκους καὶ Ἐτεοκλέους καὶ ϑάνατος Ἰοκά-
στης, und doch ist der ausdruck hier von einer redseligkeit, die den überarbeiter zeigt.
auch die vergleichenden bemerkungen forderten diese angaben, wie denn die Phoe-
nissen fortfahren ἡ μυϑοποιία παρ̕ Αἰσχύλῳ ἐν Ἕπτ̕ ἐπὶ Θήβας πλὴν τῆς Ἰοκάστης.
38a) Diese notiz, παρ̕ οὐδενὶ κεῖται ἡ μυϑοποιία, steht vor dem Orestes, dessen
absonderliche erfindung diese besondere hervorhebung wol verdient.
39) So steht über den sprecher des prologs eine gelehrte notiz zum Aga-
memnon; öfter sind auch reste der hypothesis in die scholien verschlagen, so am
schlusse der Antigone und am anfange des Philoktet über die euripideischen con-
currenzstücke, zu Hek. 1 τὰ περὶ Πολυξένην ἔστιν εὑρεῖν παρἰ Σοφοκλεῖ ἐν Πολυ-
ξένῃ (so zu lesen). das aesthetische urteil über den Orestes steht zum teil auch
am schlusse. auch die kritik des aischyleischen concurrenzstückes Ai. 134 dürfte
aus der hypothesis stammen.
40) So ist unsere hypothesis zum Rhesos geschrieben von dem welcher die
echtheit des dramas behauptete, und der nahm dabei die auf, welche der von ihm
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[146/0166] Geschichte des tragikertextes. Die anregung und sehr vielfach auch den stoff hat er von den peri- patetikern entlehnt. so wenig wie ihnen war es ihm darum zu tun, den inhalt des folgenden stückes zu erzählen; was wir der art lesen, sind erzeugnisse späterer zeit, die mit den mythographischen hand- büchern zusammengehören. es werden vielmehr nur ganz kurz und nur dem im allgemeinen unterrichteten verständlich die hauptereignisse der folgenden handlung bezeichnet 38). auſserdem folgt der litterarische nach- weis, ob und wo derselbe stoff von den beiden anderen tragikern oder auch überhaupt behandelt war 38a). damit verband sich nötigenfalls eine erörterung über echtheit und integrität des vorliegenden dramas. sodann ward aus den schriften des Aristoteles und seiner schule der auszug aus den amtlichen aufzeichnungen hingesetzt, welcher jahr fest erfolg con- currenten der ersten aufführung angab. zum teil nach denselben büchern ward eine aesthetische würdigung gegeben, teils ganz kurz, wie z. b. von Euripides stücke erster und zweiter classe unterschieden werden, teils in ausführlicherer begründung, auch mit hinweis auf die älteren kritiker. endlich ersetzte die angabe des ortes der handlung, der zusammensetzung des chores und der person, die den prolog sprach, vollkommen ein per- sonenverzeichnis, das nicht üblich und in der tat ganz entbehrlich war. nützliche gelehrsamkeit ward gelegentlich hier oder dort zugefügt 39). die reihenfolge der teile ist in unserer überlieferung nicht fest; auch kann man nicht alles mit gleicher sicherheit auf Aristophanes zurückführen, da die grammatiker, welche nach ihm einzelne stücke herausgaben, auch an den vorbemerkungen änderten 40), und auch solche zusätze ihren weg in die 38) Wenn ein stück Φοίνισσαι hieſs, so war eine solche bemerkung in der tat angezeigt, wie er sie macht: ἐπιστρατεία Πολυνείκους μετὰ τῶν Ἀργείων ἐπὶ Θήβας καὶ ἀπώλεια τῶν ἀδελφῶν Πολυνείκους καὶ Ἐτεοκλέους καὶ ϑάνατος Ἰοκά- στης, und doch ist der ausdruck hier von einer redseligkeit, die den überarbeiter zeigt. auch die vergleichenden bemerkungen forderten diese angaben, wie denn die Phoe- nissen fortfahren ἡ μυϑοποιία παρ̕ Αἰσχύλῳ ἐν Ἕπτ̕ ἐπὶ Θήβας πλὴν τῆς Ἰοκάστης. 38a) Diese notiz, παρ̕ οὐδενὶ κεῖται ἡ μυϑοποιία, steht vor dem Orestes, dessen absonderliche erfindung diese besondere hervorhebung wol verdient. 39) So steht über den sprecher des prologs eine gelehrte notiz zum Aga- memnon; öfter sind auch reste der hypothesis in die scholien verschlagen, so am schlusse der Antigone und am anfange des Philoktet über die euripideischen con- currenzstücke, zu Hek. 1 τὰ περὶ Πολυξένην ἔστιν εὑρεῖν παρἰ Σοφοκλεῖ ἐν Πολυ- ξένῃ (so zu lesen). das aesthetische urteil über den Orestes steht zum teil auch am schlusse. auch die kritik des aischyleischen concurrenzstückes Ai. 134 dürfte aus der hypothesis stammen. 40) So ist unsere hypothesis zum Rhesos geschrieben von dem welcher die echtheit des dramas behauptete, und der nahm dabei die auf, welche der von ihm

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/166>, abgerufen am 21.11.2024.