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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Namen führen, sollen ihn vor der Welt mit Ehren führen, das können sie nur nach, Ihrem Tode, Herr Marquis, und darum erschieße ich Sie.

Ich spannte den Hahn. Ihr Vater wandte das aschfarbige Gesicht hinweg.

Schonen Sich mich! stammelte er mit ausgestreckter Hand.

Haben Sie mich geschont? höhnte ich wieder. Ich hatte Ihnen mehr Muth zugetraut.

Da faßte ihn die Wuth. Er riß sich los, zog den Degen und drang verzweiflungsvoll auf mich ein. Doch meine Hand war sicher -- ich schoß, und er fiel. Mit seinem letzten Worte rief er Sie und Ihre Mutter um Verzeihung an. Für das unglückliche Weib, das ihm Alles geopfert, hatte er keinen Laut.

Ich ließ ihn in dem weichen Grase, auf welches durch das dichte Laub der Bäume die Sonne nur spärliche Strahlen zu senden vermochte. Ich habe seitdem nie mehr ohne Grauen in den heiligen Frieden einer Waldeseinsamkeit gesehen. Aber damals, an seiner Leiche, schwur ich, Leonie in Wahrheit ein Vater zu sein.

Er schwieg,-- offenbar versagte ihm die Kraft. Er kreuzte die Arme und versenkte sich in die furchtbare Erinnerung. Louis Augen zuckten, ein Wort bebte aus seinen Lippen; doch er brachte es nicht hervor, und mit Verzweiflung rang er nach Fassung. Leonie athmete kaum.

Sehen Sie junger Mann, hub der Graf endlich wieder zu reden an, das ist eine Erinnerung, die nie vergeht, und vor der jede andere in den Hintergrund tritt -- eigenmächtig ein Menschenleben ausgelöscht zu haben -- Und sich mit vollem Bewußtsein zu sagen: alle Opfer der Welt, wenn wir sie bringen wollten, wecken es nicht wieder auf.

Ich schlug einen andern Weg ein und ritt langsam in die Stadt zurück. Als meine Frau mich erblickte, floh sie vor mir in den entferntesten Winkel des Ge-

Namen führen, sollen ihn vor der Welt mit Ehren führen, das können sie nur nach, Ihrem Tode, Herr Marquis, und darum erschieße ich Sie.

Ich spannte den Hahn. Ihr Vater wandte das aschfarbige Gesicht hinweg.

Schonen Sich mich! stammelte er mit ausgestreckter Hand.

Haben Sie mich geschont? höhnte ich wieder. Ich hatte Ihnen mehr Muth zugetraut.

Da faßte ihn die Wuth. Er riß sich los, zog den Degen und drang verzweiflungsvoll auf mich ein. Doch meine Hand war sicher — ich schoß, und er fiel. Mit seinem letzten Worte rief er Sie und Ihre Mutter um Verzeihung an. Für das unglückliche Weib, das ihm Alles geopfert, hatte er keinen Laut.

Ich ließ ihn in dem weichen Grase, auf welches durch das dichte Laub der Bäume die Sonne nur spärliche Strahlen zu senden vermochte. Ich habe seitdem nie mehr ohne Grauen in den heiligen Frieden einer Waldeseinsamkeit gesehen. Aber damals, an seiner Leiche, schwur ich, Leonie in Wahrheit ein Vater zu sein.

Er schwieg,— offenbar versagte ihm die Kraft. Er kreuzte die Arme und versenkte sich in die furchtbare Erinnerung. Louis Augen zuckten, ein Wort bebte aus seinen Lippen; doch er brachte es nicht hervor, und mit Verzweiflung rang er nach Fassung. Leonie athmete kaum.

Sehen Sie junger Mann, hub der Graf endlich wieder zu reden an, das ist eine Erinnerung, die nie vergeht, und vor der jede andere in den Hintergrund tritt — eigenmächtig ein Menschenleben ausgelöscht zu haben — Und sich mit vollem Bewußtsein zu sagen: alle Opfer der Welt, wenn wir sie bringen wollten, wecken es nicht wieder auf.

Ich schlug einen andern Weg ein und ritt langsam in die Stadt zurück. Als meine Frau mich erblickte, floh sie vor mir in den entferntesten Winkel des Ge-

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[0203] Namen führen, sollen ihn vor der Welt mit Ehren führen, das können sie nur nach, Ihrem Tode, Herr Marquis, und darum erschieße ich Sie. Ich spannte den Hahn. Ihr Vater wandte das aschfarbige Gesicht hinweg. Schonen Sich mich! stammelte er mit ausgestreckter Hand. Haben Sie mich geschont? höhnte ich wieder. Ich hatte Ihnen mehr Muth zugetraut. Da faßte ihn die Wuth. Er riß sich los, zog den Degen und drang verzweiflungsvoll auf mich ein. Doch meine Hand war sicher — ich schoß, und er fiel. Mit seinem letzten Worte rief er Sie und Ihre Mutter um Verzeihung an. Für das unglückliche Weib, das ihm Alles geopfert, hatte er keinen Laut. Ich ließ ihn in dem weichen Grase, auf welches durch das dichte Laub der Bäume die Sonne nur spärliche Strahlen zu senden vermochte. Ich habe seitdem nie mehr ohne Grauen in den heiligen Frieden einer Waldeseinsamkeit gesehen. Aber damals, an seiner Leiche, schwur ich, Leonie in Wahrheit ein Vater zu sein. Er schwieg,— offenbar versagte ihm die Kraft. Er kreuzte die Arme und versenkte sich in die furchtbare Erinnerung. Louis Augen zuckten, ein Wort bebte aus seinen Lippen; doch er brachte es nicht hervor, und mit Verzweiflung rang er nach Fassung. Leonie athmete kaum. Sehen Sie junger Mann, hub der Graf endlich wieder zu reden an, das ist eine Erinnerung, die nie vergeht, und vor der jede andere in den Hintergrund tritt — eigenmächtig ein Menschenleben ausgelöscht zu haben — Und sich mit vollem Bewußtsein zu sagen: alle Opfer der Welt, wenn wir sie bringen wollten, wecken es nicht wieder auf. Ich schlug einen andern Weg ein und ritt langsam in die Stadt zurück. Als meine Frau mich erblickte, floh sie vor mir in den entferntesten Winkel des Ge-

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/203>, abgerufen am 22.11.2024.